Sonntag, 29. Juli 2012

Gedanken am Sonntag



Ihr fragt euch sicher warum schreibt er das alles, das hat doch mit Fussball nichts zu tun ? – Richtig aber es hat etwas mit uns, unserer heutigen Situation und auch der geographischen Einteilung unseres Kontinents zu tun. Gestern von 98 Jahren hat sich eine jahrhundertealte Landkarte politisch und geographisch verändert, wurde der Grundstein zu tiefgreifenden Veränderungen gelegt, die noch heute nachspielen. Man bedenke, dass nach dem Ende dieses Krieges, von den Vätern noch der „Grosse Krieg“ genannt (Erster Weltkrieg heisst er ja erst heute) ein politisches Erdbeben quer durch Europa ging. Drei grosse Monarchien wurden zerschlagen, als erstes Russland durch die Revolution von 1917, danach Österreich-Ungarn, wo Kaiser Karl I. am 31. Oktober auf die Regierungsgeschäfte – nicht aber auf die Krone – verzichtete (was ein Einreiseverbot des letzten Kaisers auf Lebenszeit nach sich zog) und wo schliesslich am 9. November 1918 Kaiser Wilhelm II. ins holländische Exil flüchtete, die Schmach der Niederlage seinen demokratischen Nachfolgern hinterlassend, die daran zerbrachen. Neue Staaten entstanden: ein unabhängiges Polen, die CSR (Tschechoslowakische Republik), die Ukraine, Finnland, die baltischen Staaten, der SHS Staat – später Königreich Jugoslawien, ein erstarktes Rumänien und Italien, die stark verkleinerten Staaten Deutschösterreich und Ungarn, ein gestutztes Deutschland. Die daraufhin folgenden, kurzsichtigen Diktatfrieden von Saint Germain (Österreich), Versailles (Deutschland) und Trianon (Ungarn) legten den Grundstein zum nächsten noch grauenvolleren Krieg. Das alles begann mit dem Attentat eines 18jährigen Schülers auf den österreichisch-ungarischen Thronfolgers und endete – da alle Seiten diesen Krieg wollten – mit den ersten Schüssen in Zemun.

Für uns Fussballanhänger des Favoritner AC´s bedeutet dies den Verlust unseres ersten Platzes. Am 1. August 1910, dem Tag der Kriegserklärung Deutschlands an Russland wurde der Verein ja aus der Taufe gehoben und bekam schon bald einen Platz bei der heutigen Gudrunstrasse (dort steht seit den 30er Jahren ein Gemeindebau). 1914 wurde dieser Platz von der k.u.k. Militärkommandantur beschlagnahmt und in ein Kriegshospital umgewandelt. Nach dem Krieg wurde der Platz nicht mehr zurückgegeben, woraufhin der FAVAC dann im November 1921 (nach Beendigung der Herbstmeisterschaft) den heutigen Platz bekam. Die Erdwälle der Kennergasse sind das Aushubmaterial des damals im Bau befindlichen Amalienbades.

Sicher ist das eine schräge Querverbindung zwischen einem Viertlegisten und der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ aber gerade die kleinen Dinge sind es, die die Welt verändern, sei es im persönlichen sei es im gesellschaftlichen oder im politischen Gefüge. Jeder von uns hat einen eigenen Bezug zur Geschichte – manch einer leider überhaupt keine – und sind wir alle Teil dieser grossen Geschichte. Stellt euch vor, die Regierungen beschliessen Krieg zu machen und keiner geht hin. Was wäre gewesen wenn die Völker damals gesagt hätten – Bäh nein macht euch euren Streit alleine aus, wir haben keine Lust – wie wäre das, rein hypothetisch gesehen ausgegangen ? Oder anders gefragt: wann werden wir Menschen klug genug sein um zu erkennen, dass wir miteinander mehr zusammenbringen als gegeneinander ? Vor allem: ist das überhaupt im Sinne der „Grossen“, die ihre Waffen testen, ihre Waren verkaufen, ihre Ideologien durchbringen wollen ? Ich frage mich was passiert wäre, hätte es den Zweiten Weltkrieg nicht gegeben ? 60 Millionen Menschen wären nicht gestorben und Europa nicht zerstört worden. Nur – wer hat von den Zerstörungen letztendlich profitiert ?

Gäbe es die heutigen Wirtschaftsverbindungen ? Hätte es je einen Kalten Krieg, je ein Wettrüsten, je einen ideologischen Kampf zwischen „Ost“ und „West“ gegeben, was wäre aus der Krise im Nahen Osten geworden, vor allem – hätte es die überhaupt gegeben ? Wäre das Pulverfass überhaupt explodiert ? Wo würden wir heute stehen ?