Samstag, 23. April 2016

Aha

Skandal in der Niederlande
Hotline für Erdogan-Beleidigungen

Nach Deutschland scheint der türkische Staatschef Erdogan seine Kritiker auch in der Niederlande gerichtlich verfolgen zu wollen. Das türkische Konsulat forderte die Diaspora auf, Beleidigungen zu melden.

Der Fall des deutschen Satirikers Jan Böhmermann ist dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan offenbar nicht genug. Wie Deutschland hat auch die Niederlande ein Gesetz, das die Beleidigung ausländischer Staatschefs strafrechtlich sanktioniert. Vielleicht ist es auch deshalb kein Zufall, dass die türkischen Behörden nun gerade in der Niederlande nach neuen Erdogan-Beleidigern suchen. Am Mittwoch versandte das türkische Konsulat in Rotterdam eine E-Mail an türkische Vereine und Organisationen, in der es hiess: «Wir ersuchen Sie dringend um die Angabe von Namen und geschriebenen Kommentaren von Personen, welche sich abfällig, abschätzig, hasserfüllt und verleumderisch gegen den türkischen Präsidenten, die Türkei und die türkische Gesellschaft im Allgemeinen geäussert haben.»

Niederlande verlangt Erklärung von der Türkei

Ob die Telefonleitungen danach im türkischen Konsulat heiss liefen, ist nicht bekannt. Offenbar meldeten sich aber viele Diaspora-Mitglieder beim niederländischen Büro der türkischen Oppositionspartei CHP: «Sie sind besorgt, weil sie in der Vergangenheit etwas kritisches auf Facebook oder Twitter geschrieben hatten», sagte ein Sprecher der Zeitung «Zaman Vandaag».
Nachdem niederländische Medien über den Vorfall berichtet hatten, redete das türkische Konsulat die Angelegenheit klein: Der Aufruf stamme von einem Mitarbeiter, der mit einer «unglücklichen Wortwahl» Anlass für Missverständnisse gegeben habe. Die niederländische Regierung verlangt nun aber von der Türkei weitere Erklärungen. Ihm sei «nicht klar, welches Ziel die türkische Regierung mit diesem Vorgehen verfolgt», sagte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte am Donnerstag. Der niederländische Botschafter in Ankara werde weitere Informationen erbitten.

Erdogans Prozesswut

Erdogan ist berüchtigt für seine Dünnhäutigkeit und Missachtung der Redefreiheit. In der Türkei gibt es bereits über 2000 Verfahren wegen Beleidigung des eitlen Präsidenten. Nun will Erdogan offenbar auch seine ausländischen Kritiker verstärkt unter Druck setzen. Vergangene Woche hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ermächtigung für eine Klage gegen den Satiriker Jan Böhmermann erteilt. Dieser hatte zuvor in einem offen als «Schmähgedicht» deklarierten Beitrag den türkischen Präsidenten bewusst unter der Gürtellinie angegriffen, um diesem den Unterschied zwischen Satire und einer Beleidigung zu verdeutlichen. Offensichtlich aber fällt es Erdogan weiterhin schwer, diese Differenzierung zu verstehen.

Wettbewerb für Erdogan-Schmähgedichte

Die letzte Schlacht in Erdogans humorlosem Feldzug gegen seine Kritiker scheint deshalb längst nicht geschlagen zu sein. Die britische Zeitschrift «The Spectator» ist gewillt, den «Boss vom Bosporus» nun erst recht in Rage zu bringen. Das Blatt hat einen «Präsident-Erdogan-Wettbewerb für beleidigende Gedichte» lanciert und bereits einen Sponsor für den ersten Preis gefunden. Es winken 1000 Pfund Belohnung. Die Gedichte sollen so «schmutzig und beleidigend» wie möglich sein, fordern die Organisatoren. Werke mit politischem Inhalt würden zwar auch berücksichtigt, aber bessere Chancen auf den Sieg hätten Verse, die sich zum Beispiel mit Erdogans angeblicher Vorliebe für Ziegen beschäftigten.
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