ESKALATION DER GEWALT
Fan-Krieg bei Fortuna
Von VOLKER GEISSLER und OTTO KRAUSE
DÜSSELDORF –
Massenkeilerei unter den eigenen Fans, Polizei, die in den
Block stürmt, vier Festnahmen, Fußball als Nebensache. Vor den Augen von
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach spielten sich am Samstag in Frankfurt Szenen
ab, die niemand sehen will.
Doch wie kam es eigentlich zu der sinnlosen Eskalation der
Gewalt?
Auslöser war ein Banner der Gruppierung „Frente Atletico“,
die dem Champions-League-Viertelfinalisten Atletico Madrid angehört. Diese
Gruppe verbindet eine Freundschaft mit den „Bushwackers Düsseldorf“, die
Hooligans von Fortuna sind.
Nach wenigen Minuten wurden die mit drei Personen anwesenden
Bushwalkers aufgefordert, das Transparent abzuhängen.
Und zwar von den „Dissidendi-Ultras“, einer linksgerichteten
Gruppe, die mit den eigentlichen Düsseldorfer Ultras nichts zu tun hat.
Als die Bushwalkers der Aufforderung nicht nachkamen, flogen
die Fäuste. Mitglied Jochen Dancker (53), der in Frankfurt selbst nicht vor Ort
war: „Die haben unsere Leute beschimpft, wir seien alle rechtsradikal.“
Die Dissidendi-Ultras veröffentlichten gestern eine
Stellungnahme im Internet. Darin heißt es, dass es „keinen Zweifel an der
faschistischen, menschenfeindlichen Ausrichtung der Gruppe Frente Atletico, die
den SS-Totenkopf als eines ihrer Logos nutzt“ gibt. Seit Wochen und Monaten
gäbe es Drohungen gegen ihre Gruppe, die sogar bis hin zu Mord und
Vergewaltigung reichen.
Ein Streit, der die Szene spaltet. Ein den „echten“ Ultras
naheste-hender Fan sagt: „Das sind eigentlich nur vier Leute und ein Haufen
Kinder. Wir haben bei Fortuna überhaupt gar kein rechtes Problem, müssen aber
aufpassen, dass wir kein linkes bekommen.“ Ein Problem hatte am Samstag auf
jeden Fall der Vorsänger der Ultras, der von der Polizei abgeführt wurde,
obwohl er nur schlichten wollte.
Der Vorfall schlug derart hohe Wellen, dass sich gestern
sogar die Spanier in Düsseldorf meldeten. Dancker: „Es handelt sich um einen
offiziellen Fanklub von Atletico, den sogar die UEFA anerkennt.“ Die Vorwürfe
in Sachen Rechtsradikalismus weist er zurück: „Das ist doch lächerlich. Wir
sind total multikulti, bei uns gibt es Spanier, Polen, Rumänen und Chinesen.
Wir wollen, dass das geklärt wird, sonst knallt es Freitag gegen Ingolstadt.“
Der Verein hat das Problem erkannt und will noch in dieser
Woche einen runden Tisch organisieren. „Zum Thema des Umgangs mit »Frente« in
Düsseldorf hat Fortunas Fanbetreuung schon in der Vergangenheit den Dialog
gesucht und wird dies auch in Zukunft tun. Dabei ist es dem Verein wichtig,
alle beteiligten Seiten zu Wort kommen zu lassen“, teilte Fortuna mit.
Als die Gewalt eskalierte, marschierte die Polizei auf.
Fan-Machtkampf schadet Fortuna
Düsseldorf. Rechte Unterwanderung? Gefahr durch linke
Chaoten? In Düsseldorf geht es eher darum, wer das Sagen hat – und die Mehrheit
der Fans will ihre Ruhe. Von Bernd Jolitz
Es gäbe Anlass genug, über sportliche Dinge zu sprechen in
Düsseldorf. Fußball-Zweitligist Fortuna gastiert heute (17.30 Uhr/Live-Ticker)
beim Tabellenzweiten Greuther Fürth, möchte den zweiten Sieg unter Trainer
Lorenz-Günther Köstner landen und darf dabei sehr wahrscheinlich wieder auf den
zuletzt schmerzlich vermissten Torjäger Charlie Benschop zählen. Doch all diese
Dinge geraten derzeit in den Hintergrund, weil sich rivalisierende Fangruppen
der Düsseldorfer beim Spiel in Frankfurt geprügelt und das Ganze auch noch auf
eine politische Ebene gehievt haben.
Aber geht es wirklich um Politik? Droht eine Zunahme von
Nazi-Gewalt, wie es die Anhängergruppe "Dissidenti Ultra" am Tag nach
dem Spiel verkündete? Die Düsseldorfer Polizei ist nicht dieser Ansicht.
"Wir waren in Frankfurt mit szenekundigen Beamten vor Ort", berichtet
Sprecherin Susanna Heusgen. Die Erkenntnis: "Die Polizei sieht bei
Fortunas Anhängerschaft keine Gefahr der Unterwanderung durch rechtsextreme
Kräfte."
Gleichwohl darf man das Thema nicht unter den Tisch kehren.
Tatsache ist, dass die Gruppierung "Bushwhackers" – die sich selbst
als unpolitisch bezeichnet, denen die Dissidenti jedoch rechtsradikale
Tendenzen vorwerfen – im Stadion am Bornheimer Hang eine Fahne der "Frente
Atlético" aufhängte, einer als rassistisch und faschistisch geächteten
Fanorganisation des spanischen Erstligisten Atlético Madrid. Seit Monaten
schwelt wegen der Freundschaft einiger Bushwhackers mit Frente-Mitgliedern ein
Konflikt mit eher linksgerichteten Fortuna-Fans wie etwa den Dissidenti. Ob
diese Freundschaft nun so harmlos ist, wie die Bushwhackers dies darstellen
oder nicht – sie wussten genau, dass die Frente-Fahne die Dissidenti
provozieren musste.
Die ersten Schläge gingen in Frankfurt den meisten
Augenzeugen nach von den Dissidenti aus, die Bushwhackers jedoch waren die
Provokateure. Man sollte also extrem vorsichtig mit Schuldzuweisungen sein und
noch vorsichtiger mit der Schlussfolgerung, hier kämpften Freiheitsliebende
gegen Extreme, gleich welcher Richtung. Es geht darum, wer das Sagen im
Fanblock hat. Dabei scheut keine Seite vor populistischen Anfeindungen zurück,
die möglichst viele überzeugen sollen. "Nazis raus" eignet sich dafür
ebenso gut wie die Warnung vor "linken Chaoten".
Zudem schreiben die Dissidenti, die man trotz ihres
Namenszusatzes nicht mit der großen Gruppe der "Ultras" verwechseln
darf, von Mord- und Vergewaltigungs-Drohungen durch Nazi-Anhänger. Warum
bringen sie diese nicht zur Anzeige? Dadurch bleibt alles nebulös, bleibt der
Verdacht des Populismus. Andersrum gilt das genauso: Wenn man vor "linker
Gewalt" warnt, werden handgreifliche Gegenmaßnahmen eher toleriert.
Fortunas Führung hat vor dem Machtkampf in der Fankurve zu
lange die Augen verschlossen, ist nun gefordert. Aufklärung muss her, denn die
riesige Mehrheit der Fans will keine Nazis im Stadion, sie will überhaupt keine
pseudo-politischen Auseinandersetzungen, sie will unbehelligt Fußball sehen.
Dafür muss der Verein sorgen, indem er die Konfliktparteien an einen Tisch
bringt, Uneinsichtige und vor allem Gewalttäter aus der Arena verbannt.
Natürlich ist das eine Herkulesaufgabe, aber Fortuna muss sie angehen. 34 477
Zuschauer kommen im Schnitt zu den Heimspielen, für einen Zweitligisten eine
herausragende Zahl. Sollte ein Klima der Bedrohung entstehen, könnte sie
deutlich kleiner werden, und dann wäre der Verein der große Verlierer des
Fan-Machtkampfs.