Codes: Das haben Sie ganz falsch verstanden!
Nein, das ist kein Kühnengruß, drei Finger bedeuten nur drei Bier.
Mölzer hat nicht „Negerkonglomerat“ gesagt, und wenn, nur satirisch. Über das
rechte Spiel mit Bedeutungen.
25.03.2014 | 18:16 | von Bettina Steiner (Die Presse)
Es ist ein Spiel, zum Austesten
und Ausweiten der Grenzen. Rechte Politiker spielen es mit zunehmender Routine
und Chuzpe: Sie streuen in ihre Reden Formulierungen wie „amerikanische
Ostküste“ ein. Sie lassen sich mit drei gespreizten Fingern fotografieren. Sie
zeigen auf ihrer Homepage eine Karikatur eines Bankers mit Hakennase.
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Die Ostküste, die Hakennase, die
drei gespreizten Finger – das sind Chiffren. Zeichen, die sich über Jahrzehnte,
zum Teil Jahrhunderte mit Nebenbedeutungen aufgeladen haben, die also längst
mehr meinen als einen geografischen Ort, eine anatomische Eigenheit, drei Bier.
Sie setzen ohne Umwege, allein durch die pure Erwähnung im richtigen, also
politischen Kontext ganze Assoziationsketten in Gang. Ostküste – Börse – Finanzkapital
– Juden – mächtig. Hakennase – jüdisch – gierig. Drei gestreckte Finger –
Kühnengruß, wird oft anstelle des verbotenen Hitlergrußes eingesetzt. Diese
Konnotationen funktionieren verlässlich, und eine rechtsextreme Klientel
versteht sie als Signale: Auch wenn diese Politiker die Demokraten geben, in
Wahrheit sind sie auf unserer Seite.
Das war Spielzug eins.
Einkalkuliert in dieses Spiel ist
die Reaktion des Gegners. „Antisemitismus!“, ruft dieser. „Rassismus!“ Was der
rechte Politiker natürlich empört zurückweist: Die Börse, die wichtigsten
Banken haben doch nun einmal an der Ostküste ihren Sitz! Man sei doch nur gegen
das raffende Finanzkapital! Das Schild „Arbeit macht frei“ erinnert einen
Kärntner VP-Politiker an seinen arbeitsamen Vater. Und wenn einer wie Mölzer
erklärt, das Dritte Reich sei liberaler als die EU gewesen, dann geißelt er
selbstverständlich nur die EU und verteidigt nicht das NS-Regime.
Der Trick ist einfach: Man
erklärt einen logischen Schluss schlicht für unzulässig. Man leugnet die
Assoziationskette als Ganzes oder zumindest einen Teil und erklärt naiv: Das
wird man doch noch sagen können!
Ende Spielzug zwei.
Spielzug drei ist dann die
Entschuldigung, die so halbherzig ausfällt, dass jeder versteht, da beugt sich
jemand dem Druck. Dem Meinungsterror! Er weicht der Humorlosigkeit der
politisch Korrekten.
Politische Partner nicht verprellen
Es erfordert natürlich einiges
Geschick, dieses Jonglieren mit Begriffen und ihren Konnotationen: Die Signale
sollen verstanden werden, aber man will nicht so eindeutig Position beziehen,
dass man dafür belangt werden könnte oder gar strafrechtlich verfolgt. Man will
provozieren, aber keine Wähler oder mögliche politische Partner verprellen, auf
die man angewiesen ist. Das ist nicht ganz einfach – und geht auch immer wieder
schief. Weil der Sprecher glaubt, dass er sich an eine ausgewählte Klientel
wendet und das Gesagte darüber hinaus nicht öffentlich wird. Weil er eine
Formulierung häufiger verwendet hat, ohne Anstoß zu erregen, und sich in
Sicherheit wiegt. Weil ihm das Herz voll war und der Mund überging. Denn einer,
der antisemitische Vorurteile bedient, ist eben oft tatsächlich ein Antisemit.
Oder aber die Sache entgleist,
weil der Sprecher deutlicher werden muss, als er eigentlich möchte. Sei es,
weil die Assoziationskette noch nicht so reibungslos funktioniert (noch reicht
das Wort „fremd“ nicht, damit eine rechte Klientel verlässlich an „muslimisch“
denkt). Sei es, dass die Assoziationen zu wirr sind. Mölzer etwa kann sich offenbar
nicht entscheiden, wie er die Zuwanderer einschätzen soll. Einmal sind sie so
„dynamisch“, dass sie den „überalterten Volkskörper“ bedrohen. Dann mangelt es
ihnen an „Arbeitsethos“.
Wenn rechte Redner das Spiel zu
verlieren drohen, reagieren die meisten ähnlich. Oft leugnen sie. Sie wurden
falsch verstanden! Dass er von einem „Negerkonglomerat“ gesprochen habe, meinte
Mölzer zunächst, sei ihm nicht erinnerlich. Er habe wohl eher „nekrophil“
gesagt. Es gab schon weit absurdere Erklärungen: Hilmar Kabas beharrte etwa
darauf, er habe den Bundespräsidenten „Hump“ oder „Dump“ genannt, aber
keinesfalls „Lump“. Thomas Prinzhorn befand, die Journalisten hätten sich
verhört, Haider habe Grasser nicht „Verräter“ genannt, sondern: „Verwehter“. Am
größten war die Diskrepanz zwischen dem, was in den Medien zitiert wurde, und
dem, was angeblich wirklich gesagt worden ist, im Fall des früheren Gföhler
Bürgermeisters: „Die Pressefritzen, die gehören aufgehängt, de san wia de
Juden“ stand da gegen „Die Journalisten zitieren aus dem Duden“.
„Ordentliche
Beschäftigungspolitik“
Nekrophiles Konglomerat also.
Wäre Mölzer als Ausrede „Megakonglomerat“ eingefallen, er hätte wohl bei seiner
Behauptung bleiben können, auch, als am Montag das Tonband auftauchte. So
musste er zurückrudern. Er sei „einigermaßen betroffen“ meinte er. Strache
erklärte, der Vergleich zwischen der EU und dem Dritten Reich sei „überspitzt“
gewesen.
Vergleiche mit dem
Nationalsozialismus, wobei der Nationalsozialismus besser abschneidet, haben
Tradition: Jörg Haider meinte 1991, sie hätten im Dritten Reich im Gegensatz
zur Bundesregierung eine „ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht“. Er stehe,
verteidigte er seine Aussage, allen historischen Phasen der österreichischen
Geschichte unbefangen gegenüber, dies sei aber offenbar nicht ganz zulässig.
Eine beliebte Verteidigungslinie der Rechten: Man erklärt sich selbst für
„objektiv“, man wolle nicht „werten“. Haider musste als Landeshauptmann
zurücktreten.
("Die Presse", Print-Ausgabe,
26.03.2014)