Wie lange grüßt
das Murmeltier?
Juli 7, 2013 von
Claudio Casula
Die Lage in
Nahost gibt keinen Anlass zu irgendwelchen Hoffnungen -
und das hemmt früher oder später die Motivation, sich dazu zu äußern. Eine Erklärung.
und das hemmt früher oder später die Motivation, sich dazu zu äußern. Eine Erklärung.
Spirit of Entebbe läuft seit einiger Zeit auf
Sparflamme. Das hat mehrere Gründe. Neben ganz praktischen – meist fehlt
schlicht die für die Recherche und das Texten nötige Zeit – gehört dazu, dass
eigentlich alle für unser Schwerpunktthema relevanten Punkte bereits
hinreichend benannt und vertieft wurden, sowohl von uns (in mehr als 1500
Beiträgen) als auch von anderen. Und man muss sich auch nicht zu jedem
dämlichen Artikel, Radio- oder TV-Beitrag äußern. Vor allem aber frustriert die
untrügliche Befürchtung, dass sich bis auf weiteres nichts an der
festgefahrenen Situation zwischen Israel und der arabischen Welt ändern wird,
jedenfalls nicht zum Guten. Und an der Darstellung, der Wahrnehmung und dem
Umgang damit auch nicht.
Da sind einmal die nackten
Fakten: Weltweit sind aktuell 45,2 Millionen
Menschen auf der Flucht. Laut Unicef-Report gehen 132
Millionen Kinder nicht zur Schule. Mindestens 800 Millionen Menschen
haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Und so weiter und so fort. Was die
Palästinenser angeht, um die sich ein Großteil der von der internationalen
Gemeinschaft bekundeten „Besorgnis“ dreht, so sind sie von keinem dieser
Probleme betroffen. Weder teilen sie, denen pro Kopf ein Mehrfaches der
Marshallplan-Hilfe zuteil wurde, die existenziellen Probleme echter
Flüchtlinge, noch mangelt es ihnen an Wasser, Nahrung oder Zugang zu
Bildungseinrichtungen. Dennoch erfreuen sie sich einer Aufmerksamkeit, die in
keinem Verhältnis zu ihrer – in nicht unerheblichem Maße selbst verschuldeten –
Lage steht. Das gilt allerdings nicht für die definitiv von ihnen geschaffenen
Verhältnisse, etwa den Umgang mit
missliebigen Journalisten oder den mit „Kollaborateuren“, gilt auch
nicht für die jeden Ausgleich torpedierende unselige Politik der vermeintlich
gemäßigten Fatah, und dass die seit 2005 im Gazastreifenden herrschende Hamas
„Summer Camps“ unterhält, in denen Hunderttausende Jungs paramilitärisch
gedrillt werden, um sicherzustellen, dass auch die nächste Generation den Krieg
gegen die Juden weiterführt, merkt (oder berichtet, en passant) Spiegel
online erst im Juni 2013.
„Hüpfburg,
Tanzkurs, Stacheldraht“ heißt der Artikel, wobei für Hüpfburg und Tanzkurs
die UNO zuständig ist und Hamas sowie Islamischer Jihad für den Stacheldraht
(und die Waffen). Erstere sind für die Mädchen gedacht, letztere für das
potenzielle Kanonenfutter der radikalen Islamisten. Irgendeinen Einfluss auf
den Umgang mit dem palästinensischen Nationalislamismus hat dessen Gebaren
allerdings nicht. Nichts deutet
darauf hin, dass die Zahlungen von Millionen bzw. Milliarden Dollar
und Euro an die beiden Regierungen in Gaza und Ramallah eingestellt oder auch
nur als Druckmittel eingesetzt werden könnten. Die EU bringt es nicht einmal
über sich, die radikale Hisbollah-Miliz im Libanon als Terrororganisation zu listen.
Von der westlichen Welt ist also wenig bis gar nichts zu erwarten, vom Rest
wollen wir an dieser Stelle schweigen.
Wie sieht es im Brennpunkt des
Geschehens aus? Die Palästinenser haben die vergangenen zwei Jahrzehnte seit
den Osloser Abkommen nicht genutzt, um brauchbare staatliche Strukturen
aufzubauen. Wirtschaftlich hängen sie nach wie vor am Tropf Amerikas und
Europas, die Gesellschaft
wurde islamisiert und politisch radikalisiert, und irgendwelche
Anstrengungen seitens der Machthaber, die Menschen von der Notwendigkeit einer
Zweistaatenlösung zu überzeugen und damit auch auf den Verzicht auf
Maximalforderungen vorzubereiten, sind beim besten
Willen nicht zu erkennen. Im Gegenteil darf man getrost davon
ausgehen, dass die Einsicht, sich nach der Decke strecken zu müssen, unter den
gewöhnlichen Palästinensern allgemein weiter verbreitet ist als in der
korrupten Fatah-Kaste, die ein brennendes Interesse an der Aufrechterhaltung
des Ist-Zustands hat. Von bürgerlichen Rechten, von demokratischen Strukturen
zwischen Jenin und Hebron kann auch keine Rede sein. Und da der sich selbst
opfernde Terrorist weiterhin als role model dient, während Landsleute,
die den sinnlosen Kampf gegen Israel gern beenden würden, als „Kollaborateure“
aus der Gesellschaft ausgeschlossen und nicht selten gelyncht werden,
muss man wohl jede Hoffnung auf Frieden auch für die nächsten Generationen
fahren lassen.
Machen wir uns nichts vor: So
lange die einzigen Länder, die etwas bewirken könnten, die PA weiter hofieren
statt sie in den Schwitzkasten zu nehmen, bis sie „Uncle!“ ruft, wird diese so
weiter machen wie bisher. Frieden bleibt eine gut gemeinte Illusion, und das
gilt auch für die übrige arabische Welt. Selbst wenn die sogenannte
Friedensinitiative der Arabischen Liga ernst gemeint und für Israel akzeptabel
wäre, würden sich die selbst ernannten Gotteskrieger der Hamas, der Hisbollah
und des Islamischen Jihad ohnehin nicht an irgendwelche Abkommen gebunden
fühlen, ebenso wenig wie das Mullah-Regime in Teheran. Schon die mit der
„moderaten“ Fatah geschlossenen Verträge waren ja – spätestens die
„Al-Aqsa-Intifada“ lieferte den Beweis – das Papier nicht wert, auf dem sie
gedruckt waren. Und wie schnell im guten Glauben auf einen vermeintlichen
Frieden abgetretene Gebiete zum Aufmarschgebiet für Terroristen und zu
Raketenabschussrampen umfunktioniert werden können, haben wir im Südlibanon, im
Gazastreifen und in der Westbank gesehen. Im Sinai auch schon, und was heute
auf dem Golan los wäre, wenn Rabin die Höhenzüge Assad dem Älteren in den
Schlund geworfen hätte, lässt sich lebhaft vorstellen.
Israel hingegen wird weiter
wehrhaft bleiben müssen und diese Einsicht, so schwer sie auch fällt, hat das
Land wohl auch verinnerlicht. Denn die Welt wird grundsätzlich feindselig
bleiben, wird wie gehabt jede Aktion des jüdischen Staates mit dem
Vergrößerungsglas betrachten und die fortgesetzte Aggression gegen ihn entweder
ignorieren oder als gerechtfertigt durchgehen lassen. Die Feinde Israels
schrecken ohnehin vor keiner Verleumdung, keinem unsäglichen Vergleich, keiner
Boshaftigkeit zurück, und selbst die jüngste
Glanzleistung der Süddeutschen Zeitung, die arabische Welt –
mit ihrer offenkundigen Rückständigkeit, ihren Gewaltherrschern, der
Unterdrückung von Minderheiten, all den zum Himmel schreienden Grausam- und
Ungerechtigkeiten – vorzuschieben und ausgerechnet auf das freie und demokratische
Israel als „Moloch“ blicken (und das durch den Kontext auch als durchaus
verständlich erscheinen) zu lassen, wird hier und da getoppt werden, immer
wieder. Israel jedoch
wird wachsam bleiben, und stark genug ist es auch, um sein Überleben
in einer antagonistischen Welt sicherzustellen.
Und deshalb wird alles mehr
oder weniger so bleiben, wie es ist. Nicht, dass sich damit nicht leben ließe –
die vitale, innovationsfreudige, lebensfrohe und lustvoll streitende
israelische Gesellschaft beweist es jeden Tag; allein, der Missmut über die
Verhältnisse bleibt. Ach, wenn doch die Regierungen dieser Welt vernünftiger
wären! Wenn doch die Medienschaffenden ihren Job ernst nähmen! Wenn die
Palästinenser den Ägyptern nacheiferten und ihre „Befreiungsbewegungen“, die
doch nur ihre Unfreiheit dauerhaft zementieren, zum Teufel jagten! Wenn sich
endlich etwas bewegte – dann erwachte auch die Lust, sich wieder häufiger der
Thematik anzunehmen. Zurzeit sieht es nicht nach einem dieser größeren Wunder
aus.