RAF – Die Entführer von Hanns Peter Schleyer:
Susanne Albrecht
Peter Jürgen Boock
Elisabeth van Dyck
Knut Folkerts
Rolf Heißler
Monika Helbing
Sieglinde Hofmann
Christian Klar
Friederike Krabbe
Christine Kuby
Silke Maier-Witt
Brigitte Mohnhaupt
Gerd Schneider
Adelheid Schulz
Angelika Speitel
Sigrid Sternebeck
Willy Peter Stoll
Christof Wackernagel
Rolf Clemens Wagner
Stefan Wisniewski
Befehlshaber der Aktion „Kommando Siegfried Hausner“ waren Ulrike Mohnhaupt und Peter Jürgen Boock, die auch für das Einschmuggeln der Pistolen ins Gefängnis Stammheim verantwortlich waren. Die eigentliche Entführung und Hinrichtung von Schleyers Begleitung führten Peter Jürgen Boock und Willy Peter Stoll durch – das gilt als sicher. Die anderen beiden dürften Stefan Wisniewski und Sieglinde Hofmann gewesen sein. Bis heute ist das aber keine sichere Information sondern beruht auf Indizien, gesicherten Spuren und Berichten Dritter. Peter Jürgen Boock hatte die Namen der beiden anderen Entführer nie preisgegeben, lediglich sich selber und Willy Peter Stoll – er war zum Zeitpunkt von Boocks Aussage bereits tot – genannt. Ebenso liegt bis heute eine gewisse Unsicherheit bezüglich der Henker Schleyers vor, einer der Mörder dürfte Stefan Wisniewski gewesen sein, beim anderen könnte es sich – nach Recherchen im Ausschlussverfahren – um Rolf Clemens Wagner gehandelt haben. Im September 2007 jedoch kam in einer Reportage des SPIEGEL zutage, dass nicht Rolf Clemens Wagner, sondern Rolf Heißler der zweite Täter gewesen ist. Von den 20 beteiligten Personen wurden 17 gefasst, zwei bei ihrer Verhaftung erschossen (darunter Willy Peter Stoll), eine Person gilt als verschollen.
5. September 1977
An die Bundesregierung Sie werden dafür sorgen, daß alle öffentlichen Fahndungsmaßnahmen unterbleiben - oder wir erschießen Schleyer sofort, ohne daß es zu Verhandlungen über seine Freilassung kommt.
6. September 1977
Am Montag, den 5.9.77 hat das Kommando Siegfried Hausner den Präsidenten der Arbeitgeberverbands und des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hanns-Martin Schleyer, gefangengenommen. Zu den Bedingungen seiner Freilassung wiederholen wir nochmal unsere erste Mitteilung an die Bundesregierung, die seit gestern von den Sicherheitsstäben, wie wir das inzwischen kennen, unterschlagen wird. Das ist die sofortige Einstellung aller Fahndungsmaßnahmen - oder Schleyer wird sofort erschossen. Sobald die Fahndung gestoppt ist, läuft Schleyers Freilassung unter folgenden Bedingungen:
Die Gefangenen aus der RAF: Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe, Verena Becker, Werner Hoppe, Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Bernd Rössner, Ingrid Schubert, Irmgard Möller werden im Austausch gegen Schleyer freigelassen und reisen in eine Land ihrer Wahl. Günter Sonnenberg, der seit seiner Festnahme wegen einer Schußverletzung haftunfähig ist, wird sofort freigelassen. Sein Haftbefehl wird aufgehoben. Günter wird zusammen mit den 10 Gefangenen, mit denen er sofort zusammengebracht wird und sprechen kann, ausreisen. Die Gefangenen sind bis Mittwoch, 8 Uhr früh, auf dem Flughafen Frankfurt zusammenzubringen. Sie haben bis zu ihrem Abflug um 12 Uhr mittags jederzeit und uneingeschränkt die Möglichkeit, miteinander zu sprechen. Um 10 Uhr vormittags wird einer der Gefangenen das Kommando in Direktübertragung durch das Deutsche Fernsehen über den korrekten Ablauf ihres Abflugs informieren.
In der Funktion öffentlicher Kontrolle und Garantie für das Leben der Gefangenen während des Transports bis zur Landung und Aufnahme sollen die Gefangenen - wie wir vorschlagen würden - von Payot, dem Generalsekretär der Internationalen Föderation für Menschenrechte bei der UNO, und Pfarrer Niemöller begleitet werden. Wir bitten sie, sich in dieser Funktion dafür einzusetzen, daß die Gefangenen dort, wo sie hinwollen, lebend ankommen. Natürlich sind wir auch mit einem Alternativvorschlag der Gefangenen einverstanden.
Jedem der Gefangenen werden 100 000 DM mitgegeben. Die Erklärung, die durch Schleyers Foto und seinen Brief als authentisch identifizierbar ist, wird heute abend um 20.00 Uhr in der Tagesschau veröffent-licht, und zwar ungekürzt und unverfälscht. Den konkreten Ablauf von Schleyers Freilassung legen wir fest, sowie wir die Bestätigung der freigelassenen Gefangenen haben, daß sie nicht ausgeliefert werden, und die Erklärung der Bundesregierung vorliegt, daß sie keine Auslieferung betreiben wird. Wir gehen davon aus, daß Schmidt, nachdem er in Stockholm demonstriert hat, wie schnell er seine Entscheidungen fällt, sich bemühen wird, sein Verhälmis zu diesem fetten Maguaten der nationalen Wirtschaftscreme ebenso schnell zu klären.
RAF - Kommando Siegfried Hausner
7. September 1977
Wir verstehen die Nichtveröffentlichung unserer Forderungen und des Ultimatums, die gestern, 20 Uhr, in der Tagesschau bekanntgegeben werden sollten, korrespondierend zu der geheimgehaltenen Entscheidung des Krisenstabs, nur als den Versuch der Bundesregierung, die militärische Lösung durchzuziehen. Dieselbe Funktion hat das Manöver des BKA, mit der Forderung nach einem Lebenszeichen Schleyers Zeit rauszuholen, nachdem sie gestern nachmittag Schleyers handgeschriebenen Brief sowie ein gestern von ihm aufgenommenes Foto in der Hand haben. Wir werden uns nur auf die Beantwortung der Fragen, die das BKA heute bekanntgeben will, einlassen, wenn sichtbar wird, daß sich die Bundesregierung ihrerseits an die Bedingungen hält - und wir haben nicht mehr lange Lust, uns zu wiederholen:
Die Fahndung wird sofort gestoppt. Die Gefangenen werden sofort zusammengebracht. Die Bestätigung dafür wird von einem der Gefangenen heute über das Deutsche Fernsehen abgegeben. Als sichtbares Zeichen verlangen wir, daß die Videoaufnahme, in der Schleyer seinen beiliegenden Brief verliest, heute ab 18.00 Uhr in allen Nachrichtensendungen des Fernsehens abgespielt wird.
Kommando Siegfried Hausner
8. September 1977
Es wird von uns keine weiteren Erklärungen geben, bevor die Gefangenen nicht abgeflogen sind. Um sicher zu gehen, daß Schleyer lebt, hat die Bundesregierung genug Beweise: seine Briefe, das Videoband sowie das Tonband mit seinen Antworten auf die beiden Fragen. Kontaktpersonen sind überflüssig wie jeder weitere Verzögerungsversuch, die Verständigung über Schleyers Freilassung läuft über die Tatsache des Abflugs der Gefangenen oder gar nicht. Wir fordern zum letzten Mal:
Bis heute abend, 20.00 Uhr, ist die politische Entscheidung der Bundesregierung öffentlich bekanntzugeben. Bis Freitag, 10 Uhr morgens, läuft die Bestätigung durch einen Abflug der Gefangenen, daß sie abrufbereit sind. Bis 12.00 Uhr mittags ist der Abflug der Gefangenen in einem vollgetankten Langstreckenflugzeug der Lufthansa gelaufen, der über TV direktübertragen wird. Die übrigen Forderungen sind ihnen aus den vorhergegangenen Erklärungen bekannt.
Kommando Siegfried Hausner
12. September 1977
Wir erwarten bis 24.00 Uhr die Entscheidung der Bundesregierung, ob sie den Austausch will oder nicht, und zwar in der Form, daß sie erkennbar Vorbereitungen für die Zusammenlegung der Gefangenen trifft. Der Ablauf dieser Prozedur ist bereits festgelegt. Einer der Gefangenen bestätigt die laufenden Vorbereitungen. Die möglichen Zielländer können der Bundesregierung nur von den Gefangenen selbst genannt werden. Auf weitere BKA-Meldungen an Payot werden wir ohne konkrete Schritte der Bundesregierung nicht mehr reagieren. Falls die Bundesregierung auch dieses Ultimatum schweigend übergehen will, hat sie die Konsequenzen zu tragen.
Kommando Siegfried Hausner
13. September 1977
Wir haben unserer Erklärung vom 12.9.77 nichts hinzuzufügen. Wir bitten Monsieur Payot, die Rolle, die die Bundesregierung ihm zugedacht hat und deren Funktion einzig und allein zeitliche Verzögerung und Hinausschieben einer Entscheidung ist, um Handlungsspielraum für die militärische Lösung zu gewinnen, abzulehnen. Die Taktiererei der sogenannten Geheimverhandlungen ist absurd bei dem Ziel der Aktion: der Freilassung der Gefangenen. Wir haben das infame Kalkül der Bundesregierung - in der Klemme, daß ein Eingehen auf die Forderungen im Widerspruch zu der von ihr inzwischen institutionalisierten Bürgerkriegshetze gegen die RAF und zu der amerikanischen Daumenschraube steht - seit 9 Tagen mit mehrmaliger Verlängerung unserer Ultimaten beantwortet. Es hat von Seiten der Bundesregierung in diesen 9 Tagen keinen einzigen konkreten Schritt gegeben, der die Bereitschaft signalisiert hätte, Schleyer tatsächlich auszutauschen. Die Ankündigung des BKA, die Fahndung werde gestoppt, war ein Witz. In jeder Zeitung sind Fotos von Autobahnkontrollen und Meldungen über gestürmte Wohnungen. Wir geben der Bundesregierung eine letzte Frist bis heute abend, 24 Uhr unsere Forderungen zu erfüllen.
Kommando Siegfried Hausner
26. September 1977
Wenn der Bundesregierung noch am Erhalt des Lebens von Schleyer liegt, muß sie sofort für den Stop der Fahndung in der BRD als auch für den Stop der von ihr initiierten Fahndung in Frankreich, Holland und der Schweiz sorgen. Unsere Forderung nach Einstellung aller Fahndungsmaßnahmen gilt nach wie vor. Wir warnen die Bundesregierung davor, die Telefongespräche mit Payot weiterhin über Fangschaltung oder dergleichen als Fahndungsmittel einzusetzen. Wir werden weitere Verhandlungen mit der Bundesregierung nur noch über Rechtsanwalt Payot führen, wenn diese ihre Taktik aufgibt, mit sinnlosen Telefongesprächen Zeit zu gewinnen und für uns sichtbar ist, daß sie tatsächlich die Freilassung der 11 geforderten Gefangenen vorbereitet. Weitere Lebenszeichen von Schleyer wird es nur noch im Zusammenhang mit konkreten Hinweisen auf den Austausch geben. Auch wenn uns die Bundesregierung die Verhandlungsergebnisse von Wischnewski vorenthalten will, gibt es von uns nur zu sagen, daß wir sicher sind, daß es Länder gibt, die zur Aufnahme der 11 Gefangenen bereit sind.
Kommando Siegfried Hausner
13. Oktober 1977
Wir haben Helmut Schmidt jetzt genug Zeit gelassen, um sich in seiner Entscheidung zu winden. Zwischen der amerikanischen Strategie der Vernichtung von Befreiungsbewegungen in Westeuropa/3 .Welt und dem Interesse der Bundesregierung, den zur Zeit für sie wichtigsten Wirtschaftsmagnaten eben für diese imperialistische Strategie nicht zu opfern. Das Ultimatum der Operation Kofre Kaddum des Kommandos »Martyr Halimeh« und das Ultimatum des Kommandos »Siegfried Hausner« der RAF sind identisch.
Das Ultimatum läuft am Sonntag, den 16. Okt. 1977 um 8.00 Uhr g.m.t. ab. Wenn bis zu diesem Zeitpunkt die elf geforderten Gefangenen ihr Ziel nicht erreicht haben, wird Hanns-Martin Schleyer erschossen. Nach 40 Tagen der Gefangenenschaft von Schleyer wird es eine Verlängerung des Ultimatums nicht mehr geben, ebenso keine weitere Kontaktaufnahme. Jegliche Verzögerung bedeutet den Tod Schleyers.
Um zeitliche Komplikationen zu vermeiden, ist es nicht notwendig, daß Pastor Niemöller und Rechtsanwalt Payot die Gefangenen begleiten. Die Bestätigung der Ankunft der Gefangenen erhalten wir auch ohne die Bestätigung durch die Begleitperson. Nachdem wir die Bestätigung erhalten haben, wird Hanns-Martin Schleyer innerhalb von 48 Stunden freigelassen. Freiheit durch bewaffreten antiimperialistischen Kampf!
Kommando Siegfried Hausner
19. Oktober 1977
Wir haben nach 43 Tagen Hanns-Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet. Herr Schmidt, der in seinem Machtkalkül von Anfang an mit Schleyers Tod spekülierte, kann ihn in der Rue Charles Peguy in Mulhouse in einem grünen Audi 100 mit Bad Homburger Kennzeichen abholen.
Für unseren Schmerz und unsere Wut über die Massaker von Mogadischu und Stammheim ist sein Tod bedeutungslos. Andreas, Gudrun, Jan, Irmgard und uns überrascht die faschistische Dramaturgie der Imperialisten zur Vernichtung der Befreiungsbewegungen nicht. Wir werden Schmidt und der daran beteiligten Allianz diese Blutbäder nie vergessen. Der Kampf hat erst begonnen! Freiheit durch bewaffneten antiimperialistischen Kampf!
Kommando Siegfried Hausner
Gudrun Ensslin schrieb über ihren Kampf mit dem deutschen Staat folgendes:
„Entweder Schwein oder Mensch,
Endweder überleben um jeden Preis
Oder Kampf bis zum Tod
Entweder Problem oder Lösung
Dazwischen gibt es nichts !“
Ebenso wurden neue politische Gleichungen aufgestellt: „MORD gleich SELBSTMORD gleich MORD“. Diese Parole wurde bereits 1971 vom „Sozialistischen Patientenkollektiv“ an Hauswände gesprüht. Ein weiteres Mal wurde diese Parole nach dem Freitod Ulrike Meinhofs benutzt, danach noch nach dem Freitod von Ensslin, Raspe und Baader.
Bis heute gibt es ja – vor allem bei Andreas Baader – immer noch Zweifel an der Selbstmordvariante, die darin liegt, dass nicht alle Untersuchungsergebnisse freigegeben wurden bzw. sich die Ergebnisse oftmals widersprechen. So soll der Schuss einerseits aufgesetzt abgegeben worden sein, andererseits ergab die kriminaltechnische Untersuchung, dass anhand der Schmauchspuren der Schuss aus 30 – 40 cm Entfernung abgegeben sein musste. Ebenso muss Baader die Pistole mit dem Griff nach oben gehalten haben, während der Gerichtsmediziner und die Kriminaltechnik ermittelten, dass die Pistole gerade andersrum – Griff nach unten – gehalten wurde. Auch das ausgetretene Projektil gibt bis heute Anlass zu Vermutungen. Erstens einmal ist es verschollen (Spur Nummer 6), andererseits wurde im ersten Bericht des Gerichtsmediziners festgehalten, dass das Geschoss durch den Kopf an die Wand und von dort abprallend auf den Boden aufgeschlagen sei. Kriminaltechnische Untersuchungen ergaben, dass das Projektil nach Austreten aus Baaders Kopf nur mehr wenig Energie hatte und auf den Boden geplumpst sei. Auch die „Gewebeproben samt Blut von der Wand“ wurden verschlampt. Auch Irmgard Möller hat der kollektiven Selbstmordtheorie immer widersprochen, sie habe sich jedenfalls nicht umbringen wollen sondern sei, nachdem sie sich zur Ruhe begeben hatte, erst auf der Krankenbahre blutverschmiert zu sich gekommen. Ihre Kleidung, die Aufschluss darüber gegeben hätte wurde zwar untersucht, war danach aber unbrauchbar.
Nachdem weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft es bis heute für nötig befinden, über die Ungereimtheiten – die man wahrscheinlich ausräumen könnte – Auskunft zu geben hält sich in linken Kreisen (vor allem bei den RAF-Sympathisanten) bis heute das Gerücht der „Tötung durch den faschistischen Staat !“. Oder wie es der federführende Staatsanwalt 1980 gesagt hatte: „Wir haben uns entschlossen, über Detailfragen keine Angaben mehr zu machen !“ – Oder wegen der Ermittlungspannen.
Legenden leben bekanntlich ewig.
28 Menschen forderte bis 1977 der RAF-Terror, 17 Mitglieder der RAF bzw. der Stadtguerilla (wozu auch die „Bewegung 2. Juni“ und andere gehören) wurden ebenfalls getötet, dazu noch zwei vollkommen Unbeteiligte, die im Zuge der Fahnung versehentlich von der Polizei erschossen wurden. Sieben Jahre „Untergrundkampf in der BRD“ forderte also 47 Menschenleben. Und brachte den Überwachungsstaat, worin die Deutschen ja sehr gut waren und noch immer sind. Sei es während des Dritten Reiches oder eben in beiden deutschen Staaten. Oder jetzt in der wiedervereinten Bundesrepublik.