Folgende Rede wurde am 22. Mai 2014 bei der Kundgebung zu Polizeirepression und Kriminalisierung antifaschistischen Protests in Wien gehalten.
Krawalle, Rowdys, Gewalt, Straßenschlachten: so titelten alle Mainstreammedien über jede WKR-Demo und auch über #blockit letztes Wochenende. Alle internationalen Medien – BBC und dergleichen – schrieben über unverhältnismäßige Polizeigewalt und Eskalation Seiten der Exekutive. Was in Österreich Straßenschlacht genannt wird, heißt in anderen Ländern Dienstag. Als Kriegskind kann ich nur sagen: Österreich, halt’s Maul, du hast keine Ahnung, was eine Straßenschlacht ist.
Die Doppelmoral schlägt Salti, wenn ich daran denke, wie hysterisch über 230€ Sachschaden, umgeworfene Mistkübel und eingeschlagene Scheiben geweint wird. Es ist unbestreitbar, dass bei jedem Stadtfest, jedem Feuerwehrfest, jedem Donauinselfest, jedem Musikfestival und beispielsweise bei der in Österreich ausgetragenen Fußball-EM tausendfach mehr Schaden entstanden ist. Und um ein Vielfaches mehr an Gewalt.
Vermeintlich unpolitisch kann man in Österreich so viele Mistkübel umwerfen wie man will, so viele Straßenschlägereien anzetteln wie nötig. Gewalt, die Konsumverhalten unterstützt, wird geduldet – nein, begrüßt. Sie zeugt von ausgelassener Stimmung und einem gelungenen Fest.
Gewalt und Sachschaden werden in Österreich in einem beispiellos unkritischen Diskurs vermischt. „Gewaltbereit“ – was auch immer das bitte heißen soll – ist prinzipiell einmal jede*, die sich auch nur auf der Straße befindet. Schuld an Verletzungen durch die Polizei ist frau* dann naturgemäß selbst.
Manchmal denke ich mir, dass diese Rechten, gegen die ihr demonstriert, gar nicht das primäre Problem sind. Hinter diesen Rechten steht die Polizei, die ihnen die Wege freiräumt, sie durch eine Pfefferspraywolke geleitet, sie nach Hause fährt, wenn sie nicht mehr so richtig zur U-Bahn finden.
Die Polizei hat seit 1945 weitaus mehr Menschen getötet und misshandelt als Rechtsextremisten. Omofuma, Bakary, der erschossene minderjährige Merkureinbrecher oder ein verwesender Mensch in der Anstalt Stein: Das ist ein Faktum. Und hinter dieser Polizei stehen Medien, die ihre Arbeit nicht machen. Medien stilisieren sich ja gerne als die vierte Gewalt. Dazu müssten sie als Kontrollinstrument fungieren, was sie hier und heute nun wirklich nicht sind. Die vierte Gewalt, GEWALT, ein Wort, dass sie ja so gerne kritisieren – sie ist zum Handlanger der Polizei und der Rechten geworden, sofern diese beiden Dinge nicht eh schon dasselbe sind. Sie halten durch bewusst schwammige Formulierungen wie „gewaltbereit“ der Polizei den Rücken frei für Beliebigkeit und Eskalationsstrategien. Repression – auch nur das Wort – kennen nur die, die sie erfahren, und genau dafür sorgen die Medien.
Ihr werdet, einfach weil ihr euch engagiert, als Lügner*innen abgestempelt. Unter dem Mantel der Objektivität verschleiert man eure Gegenposition. Eure Ansichten, eure Blickwinkel taugen nichts, ihr wart ja da, ihr wart bei der Demonstration, also automatisch parteiisch, automatisch untauglich. Ihr werdet zu Lügner*innen, eure Erfahrungen verwaschen, kritisiert, belächelt. Anstatt mit euch macht man lieber hundert Interviews mit Politikern: die sagen ja immer die Wahrheit, wie wir wissen.
Und so üben sich die Medien statt in Recherche und, wie sie immer vorgeben, Beleuchten beider Seiten der Medaille im Distanzierungswettlauf. Natascha Strobl wird im ORF ausdrücklich und mehrmals dazu aufgerufen, sich von #nowkr zu distanzieren. Dabei ist gerade so ein Distanzierungsfetisch, wenn man etwas genauer darüber nachdenkt, ein Kennzeichen fehlender Objektivität: Wenn ich das Gegenüber mit einer rhetorischen Falle ins Eck dränge, ist das genau das Gegenteil von Journalismus. Das ist tendenziös, das ist Manipulation.
Aber es geht noch weiter: Distanzierung reicht in Österreich ja nur aus, wenn man sich vollkommen in der Gegenposition auflöst. Der Nachgeschmack eines antifaschistischen Engagements säuert im österreichischen Medienmaul lange nach. Wer mal in Österreich nicht eindeutig rechts war, wird das immer und immer wieder vorgeworfen bekommen.
Ich warte noch auf den Tag, an dem sich Politiker*innen von einer Polizei distanzieren, die erwiesenermaßen misshandelt, tötet und Menschen sich selbst überlässt, bis sie am lebendigen Leibe verwesen. Einer der sofort wegen diesem Vorfall in Stein entlassenen Beamten, Roman Söllner, war in leitender Position bei den Freiheitlichen Arbeitnehmer*innen. Söllner kandidiert am Sonntag für die FPÖ. Wo bleiben jetzt die Distanzierungsaufrufe von Falter und ORF an die FPÖ? Wo?
Die Medien sind also nicht auf eurer Seite, und ich sage euch warum. Journalist*in ist ein prestigeträchtiger Beruf, die Redaktionen ersaufen in Bürgerlichkeit, Arbeiter*innenkinder sucht man vergeblich. Die niedrige soziale Mobilität in Österreich zeigt sich eben bei Prestigeberufen am deutlichsten. Und Bürgerliche halten nichts von so vulgären Dingen wie Demonstrationen oder Engagement. Der Trend geht weg vom Aufdeckungs- und Gonzojournalismus und hin zu Pseudoobjektivität und Big Data.
Ich erinnere mich nur an zwei Male, an denen die Medien – und sogar der Falter – auf eurer Seite waren. Ich spreche von der Causa „zaumg’rennt“ und vor dem Vorfall, als ein junges Pärchen nach dem Fortgehen beim Badeschiff festgenommen und misshandelt wurde. Dieser Beitrag schaffte es sogar in die Prime-Time im Öffentlich-Rechtlichen. Warum? Weil es so unleugenbare Beweise für das Fehlverhalten der Polizei gab, dass sogar das an acht Augen blinde Medienmonster sie nicht übersehen konnte.
Das ging also nur, weil ihr einen Teil der Arbeit – die Dokumentation – für die Medien übernommen habt. Sie machen ihre Arbeit nicht oder nicht mehr. Die Journalisten, die über eure Demos schreiben – oder besser – abschreiben, gehen nicht zu euren Demos. Wäre ja viel zu gefährlich, nicht wahr? Und unobjektiv obendrein. Die reine Anwesenheit an einer Demonstration, auch ihre Beobachtung, grenzt ja schon an Aktivismus. Und Journalismus und Aktivismus, so lernt man das ganz ganz früh in der unsäglichen Journalismus-Fachhochschule, die gehen nunmal wirklich nicht zusammen. Daher halten sich Journalist*innen von Aktivist*innen fern, alles andere könnte ihre ach so große Glaubwürdigkeit gefährden.
Meiner Meinung nach gibt es nur eine Möglichkeit, gegen diese Ungerechtigkeit vorzugehen: Ihr müsst mehr dokumentieren. Macht Videos, wenn Polizisten mit Pfefferspray und Schlagstöcken auf Menschen losgehen. Nehmt auf, wie sie mit euch reden, wenn sie euch festhalten, ruhig stellen oder in Gewahrsam nehmen. Dokumentiert alles. Crowdsourcing ist ja so modern: Nutzt es, um zu identifizieren, um mehrere Blickwinkel auf eine brenzlige Situation zu bekommen. Gründet Daten- und Mediennetzwerke. Öffnet Blogs, Tumblrs, über die Journalist*innen stolpern müssen. Wendet euch mit Stories an junge Journalist*innen, die noch keinen Ruf zu verlieren haben und noch ein fettes Ding für ihren Karriere-Durchbruch landen müssen. Vielleicht kommen sie so auf die Idee, unabsichtlich etwas richtig zu machen. Geht mit euren Daten an Medien im Ausland. Ihr müsst das wirklich alles selbst machen. Weil die Österreichischen, Bürgerlichen werden es nicht für euch tun.
In Österreich gibt es nichts Verpönteres, als unmissverständlich, radikal und öffentlich für etwas einzutreten – oder noch schlimmer, gegen etwas. Antifaschismus braucht in Österreich Öffentlichkeitsarbeit. Leider. Antifaschismus braucht PR, braucht Medienstrategien. Antifaschismus hat nämlich, im Gegensatz zu seinen Gegnern, keine Lobby.