Donnerstag, 7. November 2013

Jassir Arafat - Führer der Fatah

Israel nennt neues Arafat-Gutachten eine "Seifenoper"

 
7. November 2013, 07:57
Ein Graffiti des verstorbenen Palästinenserpräsidenten im Gazastreifen.
 

Schweizer Ärzteteam fand erhöhte Konzentration von Polonium in Proben des Leichnams - Witwe: "Verbrechen des Jahrhunderts"

Ramallah/Bern – Ein Schweizer Ärzteteam hat laut dem arabischen Fernsehsender Al-Jazeera Hinweise auf eine Vergiftung des verstorbenen Palästinenserpräsidenten Yassir Arafat mit Polonium gefunden. Das Gutachten der Experten stütze die Hypothese einer Vergiftung mit dem radioaktiven Element, meldete am Mittwoch der Sender, der den umfangreichen forensischen Bericht auf seiner Webseite veröffentlichte. Der langjährige Vorsitzende der Palästinenserorganisation PLO war im November 2004 in einem Militärkrankenhaus bei Paris im Alter von 75 Jahren verstorben. Israel kritisiert die neuen Ergebnisse als unseriös und spricht von einer "Seifenoper".
Die Proben, die bei einer Exhumierung von Arafats Leiche vor knapp einem Jahr entnommen worden waren, würden 18-mal mehr Polonium enthalten als normal, berichtete Al-Jazeera. Arafats Witwe Suha sprach von einem "Verbrechen des Jahrhunderts". "Wir haben einen politischen Mord aufgedeckt", sagte sie. Im Bericht heißt es jedoch, die Ergebnisse würden die These "mäßig stützen"  wonach Arafats Tod die Folge einer Vergiftung mit Polonium-210 gewesen sei.
Im vergangenen November waren in Ramallah im Westjordanland die sterblichen Überreste des Palästinenserpräsidenten exhumiert worden. Arafats Witwe Suha hatte im Sommer 2012 nach einem Fernsehbericht über Spuren des hochgiftigen Stoffs Polonium, die an persönlichen Gegenständen Arafats gefunden worden waren, in Frankreich Anzeige erstattet. Daraufhin wurden Mordermittlungen eingeleitet. Die Palästinenser verdächtigen Israel seit Jahren, ihren früheren Präsidenten vergiftet zu haben, was das Land zurückweist.

Kritik aus Israel

Die Untersuchungsergebnisse der Schweizer Experten werden von Israel als unseriös abgetan. Bei den Spuren der radioaktiven Substanz Polonium 210 in Gewebeproben Arafats handle es sich "eher um eine Seifenoper als um Wissenschaft", zitierte die Zeitung Jerusalem Post am Mittwoch den Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem, Jigal Palmor. "Alles ist sehr, sehr unklar", sagte Palmor. "Klar ist nur, dass die Theorie (vom Giftmord) große Löcher aufweist, mehr Löcher als ein Schweizer Käse", fügte er hinzu.
Auch Vertraute des früheren Ministerpräsidenten Ariel Sharon haben eine Verantwortung Israels für einen möglichen Giftmord an Arafat zurückgewiesen. "Nach meinem besten Wissen gab es während meiner Zeit im Büro des Regierungschefs keinerlei Absicht, Arafat zu vergiften oder ihm Schaden zuzufügen", sagte Sharons ehemaliger Kanzleichef Dov Weissglass in der Nacht zum Donnerstag der Nachrichtenseite "ynet".
Sharons früherer Berater Raanan Gissin sagte: "Es ist immer am leichtesten, Israel zu beschuldigen." Er sprach von einem möglichen innerpalästinensischen Machtkampf als Hintergrund für Arafats Tod.

Russisches Ergebnis noch ausständig

Bei der Exhumierung hatten Experten aus der Schweiz, Frankreich und Russland Proben entnommen. Die Schweizer Experten hatten ihr Ergebnis der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah am Dienstag vorgelegt. Russische Experten hatten davor eine Vergiftung Arafats mit Polonium angeblich ausgeschlossen, einschlägige Berichte aber ohne Korrektur zurückgewiesen. Das Ergebnis aus Frankreich stand am Mittwoch noch aus.
2006 starb der ehemalige KGB-Agent und spätere Putin-Kritiker Alexander Litwinenko an den Folgen einer durch Polonium-210 verursachten Strahlenkrankheit. Nach aktuellem Ermittlungsstand wurde er in der Bar des Millennium Hotel mit Polonium-haltigem Tee vergiftet. Unter Tatverdacht geriet ein KGB-Mann. (APA, AFP, red, DER STANDARD, 7.11.2013)

http://www.aljazeera.com/investigations/killing-arafat/swiss-forensic-report-arafat-death-201311671255163780.html