Mit
Hitlergruß in die Generali-Arena spaziert
23.
Dezember 2011 14:07
Wien
- Kurz da und gleich wieder weg: Ein am Mittwoch auf Youtube hochgeladenes und
mittlerweile wieder gelöschtes Video zeigt einen am 15. September 2011
stattfindenden Trauermarsch für den verstorbenen Austria-Wien-Fan
"Uwe". Die rund 200 Personen starke Gruppierung zog gemeinsam zum
Europa-League-Spiel gegen Metalist Charkiw in die Generali-Arena.
"Uwe" würde man
gemeinhin als rechtsextremen Hooligan bezeichnen. Für seine Freunde galt er
jedoch als einer, der "für die Szene den Kopf hinhielt", schrieb das
Fußballmagazin Ballesterer in seinem Artikel "Die Gäste, die ich
rief" am 13. Oktober.
Zutrittskontrollen
außer Kraft gesetzt?
Gegenüber dem Ballesterer
dementierte Austria-Vorstand Markus Kraetschmer fehlende Eingangskontrollen in
jenem Spiel gegen Charkiw. Die Austria-ID aller Gäste sei überprüft, den mit
Haus- bzw. Stadionverbot belegten Besuchern der Zutritt zur Osttribüne verwehrt
worden. Das nun dem Standard.at noch immer vorliegende Video lässt große
Zweifel an den angeblich strengen Zutrittskontrollen aufkommen. Eher sieht es
so aus, als hätte die gesamte Gruppierung freien, unkontrollierten Zugang zur
Osttribüne. Ebenso sind mehrere Leute zu sehen, die ihre Hand zum Hitlergruß
erheben (siehe Screenshot vom Video).
Odnerdienst
wird geprüft
derStandard.at erreichte
Kraetschmer am Freitagnachmittag. Man werde das Material genau analysieren und
das System der Ordner auf Schwachstellen prüfen. Man sei generell für jeden
Hinweis dankbar. Sollten Fälle von Wiederbetätigung vorliegen, müsse aber auch
die Polizei aktiv werden. Immer wieder kam es in den letzten Jahren zu
rechtsextremen Kundgebungen auf der Osttribüne der Generali-Arena. So waren
SS-Totenköpfe auf Shirts der Fangruppierung "Unsterblich" ebenso zu
sehen wie ein Banner für die rechte Ikone Josué Estébanez de la Hija oder ein
Reichkriegsadler mit FAK-Logo. (red)
Die Gäste, die ich rief
Die Osttribüne
der Generali Arena bleibt ein Tummelplatz der extremen Rechten. Mitte September
wurde ein aufwendig inszeniertes Requiem für einen Althooligan der Wiener
Austria zum Tag der offenen Tür. Der Verein hält sich bedeckt.
Cino Wolkensteiner |
13.10.2011
Es geschah plötzlich, doch in
bestem Einvernehmen. »Unsterblich« (UST) und »Viola Fanatics«, die maßgeblichen
Fangruppen der Wiener Austria, kündigten einen Tag vor dem
Europa-League-Gruppenspiel gegen Metalist Charkiw einen viertelstündigen
Supportverzicht an. Selbst die Jubiläums-Choreografie der 2001 gegründeten
»Fanatics« wurde verschoben. Anlass war der Tod des langjährigen UST-Mitglieds
Uwe B. Der Verzicht sei ein »Zeichen des Respekts« und mit anderen Fanklubs
abgesprochen, hieß es in einem im Internet veröffentlichten Flyer. Doch der
Aufforderung, dem »Kameraden die letzte Ruhe« zu erweisen, kamen nicht nur
Austrianer nach. Auch Rapid-Fans mischten sich unter die Gäste – um »Eisern
Wien« wieder auferstehen zu lassen, den vereinsübergreifenden Zusammenschluss
Wiener Hooligans. Wenig überraschend kursierten bald auch einschlägige Videos
des Verstorbenen. So war Uwe B. beim Gastspiel des VfB Stuttgart in Bratislava 2010
an vorderster Front zu finden, als Slovan-Fans unterstützt von Wienern den
Sektor der Deutschen stürmten. Für seine Freunde war er jemand, der für die
Szene den Kopf hinhielt.
Wiederholungstäter
Besondere Brisanz erhielt die groteske Inszenierung durch ihre politische Schlagseite. »Scheiß Juden«-Rufe waren an diesem 15. September ebenso vorhanden wie der Hitlergruß. Ein Rufzeichen der Rechten – mit Folgewirkung. So erschien zu Uwes öffentlich bekannt gewordenem Begräbnistermin auch der wegen NS-Wiederbetätigung rechtskräftig verurteilte Holocaust-Leugner Gerhard Honsik, der wenige Tage zuvor auf Bewährung aus der Justizanstalt Josefstadt entlassen worden war. Nach dem E-Mail-Kontakt zwischen dem im UST-Umfeld agierenden Rechtsextremen Mihaly »Salo« K. zum norwegischen Attentäter Anders Breivik gewinnt die Austria für Nazi-Kader damit zunehmend an Attraktivität. Szenen zwischen Geschmacklosigkeit und Wiederbetätigung prägen auch das Bild der Osttribüne. Neben dem im »Blood & Honour«-Design gehaltenen violetten UST-Banner, das zudem in den reichsdeutschen Originalfarben immer noch auf T-Shirts prangt, gelangen Besucher zuweilen auch mit Slogans wie »88 – Original Racist« auf dem Rücken ins Stadion. Die Austria-Führung selbst sieht sich machtlos und verwies wiederholt auf die behördliche Verantwortung, Wiederbetätigung gesetzlich zu ahnden. »Unsere Leitlinie werden immer die Gesetze sein, sonst ist der Willkür Tür und Tor geöffnet«, sagt AG-Vorstand Markus Kraetschmer. »Wir gehen den erhobenen Vorwürfen aber genau nach.«
Leichenschmaus
Willkür am Eingangstor wurde gegen Charkiw zum Problem. Arrangements mit den »Generali-Fan-Ordnern« ermöglichten Trauergästen aus Wien und der Slowakei freien Zutritt zur Osttribüne und dem sonst während der Spiele geschlossenen Viola Pub. Der Verdacht, dass mit dem Öffnen des Pubs ein Abfließen radikaler Gruppen von den Rängen erreicht werden sollte, drängt sich auf – was sich für die Austria so darstellt: »Wenn man so will, dann war der ›Leichenschmaus‹ im Viola Pub organisiert, aber es war ein Fehler eines Ordners, die Personen direkt von der Tribüne ins Pub zu führen«, sagt Kraetschmer. Dieser sei bereits »abgemahnt« worden. Fehlende Kontrollen dementiert Kraetschmer. Die Austria-ID aller Gäste sei überprüft, den mit Haus- bzw. Stadionverbot belegten Besuchern der Zutritt zur Osttribüne verwehrt worden. Für die ID sind Ausweis und Foto nötig – ein Aufwand, den wohl nicht jeder Rapidler auf sich nehmen würde. Nicht wenigen Austrianern geht es genauso: Zunehmend wandern frustrierte Fans auf Nord- und Südtribüne ab. »Das Besucherverhalten hat sich geändert«, sagt Kraetschmer. »Die Osttribüne wird aufgrund der strengeren Kontrollen und einer anderen Preispolitik nicht mehr so frequentiert.« Doch UST und Co. wissen die Lücken zu füllen.