26. 6. 2014 - 13:07 Uhr
The daily Blumenau.
Thursday Edition, 26-06-14.
Man wird's ja wohl noch sagen dürfen: es ist ein
Volksverdummungs-Rock'n'Holler.
Ich krieg ja nicht viel
sonst mit, außer den Nachrichten-Schlagzeilen und Zufälligkeiten via Facebook
und Twitter; Schirrmacher ist gestorben und Warhols Ultra Violet. Aber mehr...
Und dann, heute Nacht,
in der Fußball-Pause, steht plötzlich das lieblichen Semidialekt flötende
Testimonial der heimischen Trachten-Marketing-IG im ZiB24-Studio und diskutiert
mit der ehemaligen VP-Frauenministerin, die beim Tod der Johanna Dohnal Sachen
gesagt hat, die ich rührend fand, über die notorische Söhne/Töchter-Zeile der
Bundeshymne.
Ich brauche euch die
Zusammenhänge (Gesetz, Spielberg, Gesang, Debatte...) nicht zu erklären, ich
war somit wohl eh der letzte, der den Vorfall in seiner Tragweite mitbekommen
hat. Und ich würde ihn keiner Zeile würdigen wollen, wäre da nicht die
Argumentationslinie des Kurzbehosten gewesen, der da nicht auf die - der Optik
und der textlichen Armseligkeit geschuldeten - Schüler-Ausrede (ich hab's
vergessen, Herr Fessa!) zurückgreift, sondern die kindische Missetat zu einem
politischen Akt der Wehrhaftigkeit (in der Tradition des Hofer oder anderer
alpiner Rebellen) hochschwatzen will. Und auf die Rückendeckung von 90% der
heimischen Trolle sichtlich stolz ist.
Das von tatsächlicher
Volksmusik so weit wie der Mond entfernte Schlager-Idol hatte erkannt, dass
sein schnell nachgeschobenes "ich hab's in der Schule so g'lernt!"-Motiv
brüchig wurde. 50% von dem was ich und sicher noch 30% von dem was der
Liadsing-Sänger in der Schule gelernt haben, ist heute Makulatur, zumeist ist
das Gegenteil davon wahr. Und ein gerüttelt' Maß der noch vor 10 Jahren in der
Schule gelernten Texte halten sinnhaften modernen Maßstäben nicht stand.
Sprache ist lebendig,
und die bewusste Verwendung von Verunglimpfungen, die einst in Lehr- oder
Kinderbüchern stand, einfach nicht mehr legitim. Denn auch die Verwendung von
Mölzers zweitliebstem Wort nach Konglomerat ließe sich mit dem Satz des
Interpreten von wahrlich volksdümmlicher Musik begründen. Wie überhaupt eh
alles, was in einer überheblichen eurozentrischen, monarchischen Vergangenheit
fußt und heute soviel Relevanz hat wie die Habsburger.
Aber eben nur
scheinbar.
Weil der Mensch hinter
dem Sepplhosenträger aber kein Idiot ist, schwenkt er um. Und weil er auch
nicht wirklich ein Frauen-Hasser, -Nichtversteher, -Verächter oder gar ein
Gegner der Gleichbehandlung und -wertigkeit ist (denn die gute Freundin der
Frau ist die gute Freundin seiner Freundin, und die wäre der lebende Beweis
dafür, sagt die gute Freundin der Frau), sondern einfach einer, der dafür Sorge
tragen muss innerhalb der kurzen Karriere-Zeit, die ihm bleibt, so viel
Aufmerksamkeit, Werbeverträge und andere Finanzierungsquellen mehr
herbeizuschaffen wie geht, erklärt der Kommerzpopmusikant sein Handeln als
privaten Akt des Widerstands gegen musikalisch nicht so flutschende Texte und
gegen die Veränderung von Traditionsgütern an sich.
Damit sammelt man,
zumal in Österreich, schnell digitale Mehrheiten um sich. Die sind fließend,
jubeln den einen Tag der bärtigen Frau zu, die mit poetischen, aber strikten
Worten die Gleichbehandlung aller Individuen einfordert und am anderen Tag dem
Hymnen-Sänger, der die wesentlichste Symbolhandlung die das Land bisher zur
Gleichsetzung von Frauen mit Männern gesetzt hat, schlankerlmäßig unterläuft.
Dass die Mehrheit, dass
der Mainstream, auch der der Medien, darin keinen Widerspruch erkennen
mag/mögen, ist ein anderes österreichisches Phänomen, für das die Einzelausgabe
des Trachtenpärchens nichts kann.
Seine Schuldhaftigkeit
liegt woanders: im gezielten Runterspielen von Errungenschaften, für deren
Erfassen das pechschwarze Herz einer dumpfen, immer noch von Nationalismus,
Despotismus und Klerikalismus vergifteten Volksseele noch Jahrzehnte an
Bewusstseinsbildung braucht; Jahrzehnte etwa, die die genannte VP-Ministerin
benötigt hatte um dem was ihre Vorvorvorvorgängerin Dohnal schon in den 70ern
(und noch treffender) formuliert und gefordert hatte. eine Praxis light folgen
zu lassen. Jahrzehnte, die Österreich gesellschaftspolitisch so weit
zurückwerfen und warfen, dass die Schere etwa im Lohnbereich immer noch weiter
klafft als das allgemeine Niveau dieser Debatte jetzt den Allerwertesten offen
hat.
Sie liegt im
schunkeligen, heinzconradigen Niederwalzen von gesellschaftlich dringend
nötigen Adaptionen unter Berufung auf einen von den Populisten aller Sorten
gern angerufenen Götzen namens Hausverstand. Mit der sympathieheischenden Maske
des naiven Biedermanns.
Dass sich die
zeitgeistige Moik-Taschenausgabe dabei nur eines inhaltlich bleichen und
redundanten Argumentations-Gestammels bedient, gereicht ihm beim angestrebten
Zielpublikum zum Vorteil: viele, allzu viele bestehen (in schlechter alter österreichischer
seit Metternich gepflogener Tradition) darauf, dass jene, die sie mit einem
Spontan-Mandat zu ihren Tribunen erklären, gefälligst auch so daherzustammeln
hätten wie sie selber - das gibt ein gutes Gefühl der Kontrolle; und arbeitet
aber auch den realen Machtverhältnissen und ihren Profiteuren (die ja am
liebsten mit einer möglichst rückständigen und so leicht zu manipulierenden
Gemeinschaft zu tun haben) zu.
Mit all dem spielt das
Testimonial einer eben nur scheinbar neuen, aber erzalten, ultrakonservativen
Brauchtums-Industrie ab einem gewissen Punkt aber nicht - es spielt umgekehrt
mit ihm. Die diversen politisch motivierten Schollen-Bewahrer, die
Blut-und-Boden-Nationalisten, die Freunde regionaler Oligarchen-Herrschaften
des Alpenlands haben in ihm einen gefunden, den komplex zu instrumentalisieren
gar nicht mehr notwendig ist, so sehr bietet der reaktionäre Unterton seiner
Aktion selbige auf dem Silbertablett der politischen Verwertbarkeit an. Und so
findet sich, was sich finden sollte: die unfreiwillige Parodie einer Volksmusik
mit der bewusst inszenierten Parodie einer Volksvertretung.
So wie das, was der
Bierzelt-Sänger macht, nichts mit Musik im eigentlichen Sinn zu tun hat, hat
das, was die Bierzelt-Redner daraus machen, nichts mit Politik im eigenen Sinn
zu tun. Hier finden sich also die Rechten wie natürlich zusammen.
Man wird's ja wohl noch
sagen dürfen, was so die Volksmehrheit in sich trägt, stammtischmäßig, also eh
gar nicht heimlich: dass die Todesstrafe schon auch durchaus angebracht ist,
wenn es der Boulevard so einfordert; dass der Schilling schon fescher war; dass
die Rückkehr in eine eisige, isolierte Bergfestung ganz ohne das Europa da
einiges für sich hat; dass ein Österreich ohne störende, also sichtbar
anwesende Ausländer dem Idealbild des alten Heimatfilms doch deutlich
näherkommt als die moderne Realität, die die noch clangeprägten Gemüter, die
geistig noch in engen Schluchten festsitzenden, vor Innovation angstschlotternd
zurückschreckenden Bewahrer so große Mühe haben zu begreifen.
Man wird das ja wohl
noch sagen dürfen - und kriegt sicher auch eine Lautstärken-Mehrheit dafür; und
für anderen Schwachsinn, der Österreich (für die meisten; die Eliten hätten da
kein Problem - deswegen ist auch die sogenannte Zivilgesellschaft immer schön
stumm) lebensunfähig, zukunftsuntauglich machen würde. Die Bestätigung
dumpfester Ressentiments, biederer Kinder-Küchen-Kirchen-Romantik, die der Hias
in der Vintage-Tracht da als Steilvorlage für Schein-Plebiszite anbietet,
eignet sich gerade in einem Land, das den Klerikal-Faschismus der 30er nie
aufgearbeitet hat und deshalb immer noch zu großen Teilen in der gedanklichen
Geiselhaft einer gesellschaftlichen Idee aus dem 19. Jahrhundert lebt,
hervorragend.
Und auch das wird man
ja wohl noch sagen dürfen: die Tracht ist, um Joesi Prokopetz zu zitieren, eben
textile Ideologie, da kann man sie noch so modisch schneidern. Da hab ich
meinem Text vom letzten Oktober, der erklärenden Basis hinter diesem Satz,
nichts hinzuzufügen.
Wer sich damit
hinstellt und eine soziale Gemeinschaft bewusst und gezielt in eine Struktur
der alten Herrschaftsmechanismen, der Unterwerfung zurückschleudern will,
schwingt sich zum politischen Agitator auf, trotz verschämter Leugnung. Wer ein
Frauenbild der gönnerhaften Sockelhebung der (hierzulande eh erst nur
symbolischen) Gleichstellungs-Praxis vorzieht, ist ein Ideologe, da gibt's kein
Rausgerede. Wer eine scheinbar unpolitische Position in der
Seitenblicke-Gesellschaft benutzt um seine Werte-Ordnung offensiv und
öffentlichkeitswirksam zu vertreten, wer sich so zum Tribunen stilisiert, kann
sich nicht von jenen, die ihn dann deshalb auf den Schild heben, freisprechen.
Er hat sie, seine
geistigen Bundesgenossen, ja ganz bewusst angerufen. Und das schmale Lächeln bei
seiner vagen Distanzierung zeigt auch, wie's in echt gemeint ist.
Ebenso wie es für den
Freund der Haarpomade keine Veranlassung gab die Hymne anders zu singen, gibt
es für jene die das Scheiße finden, aber keine Veranlassung, sich in reiner
Empörung zu verlieren. Die durchdringende Erkenntnis kann und muss diejenige sein,
dass reine Symbolpolitik allein eben doch zuwenig bewirkt. Weil in Köpfe, die
verbaut sind wie a Bergwerk kommt man damit nicht (oder nur ganz langsam) rein
- da helfen nur ganz praktische Maßnahmen der richtigen Gleich- und
Besserstellung.
Reine Symbole wie das
Hymnen-Gesetz lassen sich nämlich von der urösterreichischen Koalition der
Trolle, der Bierzelte und der Lederhosen aushebeln wie nichts.