Samstag, 28. Juni 2014

Gedanken zum 28. Juni 1914

Heute.......
 
 
........vor genau hundert Jahren ereignete sich das Attentat von Sarajewo, bei dem der österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand von Habsburg-Lothringen und seine Gattin Sophie Chottek, Gräfin zu Hohenberg (die Ehe war nicht standesgemäss aber eine der seltenen Liebesheiraten im Hause Habsburg) vom serbisch stämmigen Studenten Gavrilo Princip erschossen wurden. Es war der Höhepunkt einer Welle von Attentaten und Plänen zur Wiedereingliederung Bosnien-Herzegowinas in das aufstrebende Königreich Serbien. 1908 hatte die Habsburgermonarchie dieses vorher unter türkischer Herrschaft stehende Land annektiert, womit sie automatisch mit Serbien in Konflikt gerieten. Fünfzehn Jahre zuvor, 1903 waren die Beziehungen beider Länder noch durchaus freundschaftlich geprägt, mit der Ermordung von König Aleksander Obrenovich und seiner Gattin änderte sich dieses Verhältnis zwischen den beiden Ländern. Der Sohn Milans I. (seines Zeichens der erste König des jungen, 1878 entstandenen Staates Serbien) war der k.u.k. Monarchie freundschaftlich eingestellt, was die serbisch-nationalistischen Kräfte störte. Vor allem die Geheimgesellschaft „Schwarze Hand“ – offiziell hiess die Verbindung „Vereinigung oder Tod“ – stand dem Regenten feindlich gegenüber und ermordete ihn schliesslich 1903. Mit seinem Tod bekamen die panslawistischen Kräfte Russlands ein Übergewicht über die liberale Politik seiner Vorgänger. Damit gerieten sie automatisch in Konflikt mit der Habsburgermonarchie, sie sich seit den Türkenkriegen und der Befreiung des Balkans von der osmanischen Herrschaft als „Hausmacht am Balkan“ sah. Der Zankapfel war Bosnien Herzegowina, welches seit 1878 unter der Verwaltung der Habsburger war. Im sogenannten Berliner Kongress wurde dies zwischen Russland, dem Osmanischen Reich, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Österreich-Ungarn und Deutschland festgelegt. Damit haben sich die späteren Hauptakteure des Ersten Weltkrieg zum letzten Mal über die Aufteilung Europas gütlich geeinigt. Die nächste Aufteilung wurde bereits gewaltsam versucht.
 
Nach der Annexion Bosnien-Herzegowinas 1908 durch Österreich-Ungarn begannen die nationalistischen proserbischen Kräfte Bosniens mit Umsturzplänen. 1910 scheiterte ein Attentatsversuch auf den kaiserlichen Statthalter, der Attentäter verfehlte General Varesanin von Vares und tötete sich selber. Manche Quellen behaupten seither, dieses Attentat habe den jungen Schüleer Gavrilo Princip dazu bewogen, selbst aktiv zu werden. Er wandte sich an die Bewegung Mlada Bosna“ (Junges Bosnien) einer nationalistischen Jugend- und Studentenbewegung, die Verbindungen zum Königreich Serbien unterhielt. Inwieweit diese Verbindungen reichten konnte bis heute nicht vollständig geklärt werden, einige Quellen behaupten, dass der serbische Geheimdienst selber der Finanzier dieser Bewegung gewesen sei. Schlüssig geklärt werden konnte dies aber nie, da die Hauptprotagonisten allesamt während es Krieges starben oder hingerichtet wurden. Danach war das Interesse an einer historischen Aufklärung in Serbien nicht allzu gross, Princip wird dort als Nationalheld gefeiert. Seit gestern, Freitag (den 27. Juni 2014) steht in Ost-Sarajewo ein Denkmal Princips. Faierweise muss man dazusagen, dass ein Grossteil der (muslimischen) Bevölkerung darin eine Provokation sieht, für sie ist Princip bis heute ein Terrorist.
 
Aber auch dies stimmt nicht so ganz zum Bild des jungen Schülers, der – wie so viele junge Menschen überall in Europa – von einer schwärmerischen Heimatliebe erfasst war, die von den herrschenden politischen Kräfte genutzt wurden, indem sie den aufkeimenden Nationalstolz zur Durchsetzung ihrer territorialen Ansprüche einsetzen. Letztendlich war der „Mörder des Friedens“ auch nur ein williges Werkzeug grossmachtbessessener Fürsten. Geschickt wurde der (TBC)kranke Mann indoktriniert und auf das Attentat  hin konditioniert. Mit Erfolg wie das Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger bewies.
 
Und dies trotz der Tatsache, dass Franz-Ferdinand befehlswidrig in Sarajevo war, ursprünglich sollte er nur die Sommermanöver in Bosnien beaufsichtigen, ein Besuch in der Stadt war nicht vorgesehen und auch vom Kaiser nicht genehmigt. Deshalb waren auch die Sicherheitsvorkehrungen, vor allem die Beiziehung von Polizei und Militär nur sehr oberflächlich – eine ideale Möglichkeit für Attentäter. Und diese nutzten sie auch. Zwei Bombenattentate scheiterten (beim ersten kam der Attentäter Muhamed Mehmetbasic nicht nahe genug heran, der zweite Nedelko Cabrinovic verwechselte das Auto) ehe Princip zufällig zur Ausführung gelangte. Aus kurzer Distanz schoss er zweimal und traf das Thronfolgerpaar tödlich. Er wurde gefasst und sagte später aus, dass sein zweite Kugel eigentlich General Potiorek galt, er diesen aber verfehlte.
 
Alle drei Attentäter sowie drei weitere Helfershelfer wurden gefasst, vier zu lebenslanger Haft verurteilt – sie waren noch nicht volljährig – und drei am Würgegalgen hingerichtet. Cabrinovic, Grabez und Princip überlebten den Krieg nicht, sie starben in der Haft in Theresienstadt. Mehmetbasic überlebte den Krieg und kehrte nach Bosnien zurück.
 
Was waren die unmittelbaren Reaktionen auf das Attentat ? – In Wien war man über das Ableben des Thronfolgers zunächst nicht sonderlich schockiert, waren doch er und seine „Belvedere Bagage“ am Hof ungern gesehen. Seine Idee eines trialistischen Systems unter besonderer Berücksichtigung der Kroaten stiess auf heftigen Widerstand am Hof.
 
In Serbien waren die Reaktionen verhalten: Ministerpräsident Pasic war durch einen Informanten innerhalb der „Schwarzen Hand“ wohl über Attentatspläne unterrichtet, konnte sie jedoch nicht öffentlich machen ohne sich selbst zu gefährden – manche Quellen behaupten auch, er wollte dies nicht und werteten es als Zustimmung und Unterstützung des Attentats. Nachgewiesen konnte dies jedoch nicht werden.
 
Die Stimmung in Österreich-Ungarn schlug jedoch bald um und der Kaiser suchte Rückendeckung bei den Deutschen, die berühmte „Hojos Mission“ brechte als Ergebnis den Blankoschecks Deutschland zur Klärung der Balkanfrage zugunsten Österreich-Ungarns. Durch widersprüchliche Informationen gelangte man am Kaiserhof auch zu der Überzeugung, dass die serbische Regierung der Urheber des Attentats gewesen sei, die im Königreich Serbien aktive und anerkannte „Narodna Odbrana“ (Volksverteidigung) als Milizeinheit ein Relikt der Balkankriege hätte die Hilfestellung zur Durchführung geleistet. Auch die offenherzige und kritische Presse Serbiens wurde als provokant empfunden, da sie immer wieder darauf hinwies, dass die Attentäter die österreichisch-ungarische Staatsbürgerschaft hatten und aus der österreichisch-ungarischen Provinz Bosnien kämen. Diese sachliche Richtigkeit stiess in Wien und Budapest sauer auf.
 
Inzwischen suchte die serbische Regierung ihrerseits nach Rückendeckung und fand sie im Russischen Reich. Zar Nikolaus unterstützte die Bestrebungen des kleinen Nachbarn auf territorialer Vereinigung mit allen südslawischen Völkern – damit geriet er natürlich auch in die Gegnerschaft Österreich-Ungarns und Deutschlands – damit begannen aber auch automatisch die Bündnismechanismen in Europa zu wirken. Einzig Italien hielt sich aus seiner Verpflichtung innerhalb des Dreibundes und blieb in der Sache neutral.
 
Angestachelt von der Bündnisverpflichtungserklärung Deutschlands fuhr Österreich-Ungarn immer schwerer Geschütze auf die im Ultimatum vom 23. Juli 1914 gipfelte und unannehmbare Forderungen stellte. Sollte Serbien diese erfüllen gäbe es die eigenstaatliche Integrität auf. Erwartungsgemäss tat es das nicht: Vom Semliner Ufer aus (heute Zemun) eröffnete österreichisch-ungarische Artillerie, unterstützt durch drei Donaumonitore das Feuer auf die Festung Kalimegdan. Der Erste Weltkrieg hatte begonnen.