Auf der Wannseekonferenz vom 20.
Januar 1942 kamen 15 hochrangige Vertreter von nationalsozialistischen Reichsbehörden und
Parteidienststellen zusammen, um unter Vorsitz von SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich
den begonnenen Holocaust an den Juden
im Detail zu organisieren und die Zusammenarbeit aller Instanzen dabei
sicherzustellen. Hauptzweck der Konferenz war entgegen verbreiteter Meinung
nicht, den Holocaust zu beschließen – diese Entscheidung war mit den seit
Monaten stattfindenden Massenmorden in vom Deutschen Reich besetzten Gebieten
faktisch schon gefallen –, sondern die Deportation
der gesamten jüdischen Bevölkerung Europas zur Vernichtung in den Osten in den
Grundzügen zu organisieren und zu koordinieren. Die Teilnehmer legten den
zeitlichen Ablauf für die weiteren Massentötungen fest, grenzten die dafür
vorgesehenen Opfergruppen genauer ein und einigten sich auf eine Zusammenarbeit
unter der Leitung des Reichssicherheitshauptamts, das Heydrich
führte. Dies war das Hauptanliegen Heydrichs, den Hermann Göring
am 31. Juli 1941 mit der Gesamtorganisation der „Endlösung der Judenfrage“ beauftragt hatte.
Daraufhin hatte Heydrich im Dezember 1941 zu der streng geheimen Konferenz
eingeladen. Daran nahmen acht Staatssekretäre verschiedener Ministerien, sechs
leitende Beamte der Polizei, der Gestapo und SS
sowie ein Ministerialdirektor teil; unter ihnen waren neun promovierte
Juristen. Protokollant war der SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann,
Heydrichs Referent für „Judenangelegenheiten“.
Teilnehmer
Folgende
Beamte und Funktionäre nationalsozialistischer Organisationen und Ministerien
nahmen an der Konferenz teil:
- Reinhard Heydrich (Hauptredner und Vorsitz)
- Adolf Eichmann (Protokollführer)
- Josef Bühler (Staatssekretär im Amt des Generalgouverneurs in Krakau)
- Roland Freisler (Staatssekretär im Reichsjustizministerium)
- Gerhard Klopfer (SS-Oberführer, Ministerialdirektor in der Parteikanzlei der NSDAP, Leiter der Staatsrechtlichen Abteilung III)
- Friedrich Wilhelm Kritzinger (Ministerialdirektor in der Reichskanzlei)
- Rudolf Lange (SS-Sturmbannführer, Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD für Lettland in Vertretung seines Befehlshabers)
- Georg Leibbrandt (Reichsamtsleiter, Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete)
- Martin Luther (Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt)
- Alfred Meyer (Staatssekretär im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete)
- Heinrich Müller (SS-Gruppenführer, Chef des Amtes IV (Gestapo) des Reichssicherheitshauptamtes)
- Erich Neumann (Staatssekretär im Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan)
- Karl Eberhard Schöngarth (SS-Oberführer, Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Generalgouvernement)
- Wilhelm Stuckart (Staatssekretär im Reichsministerium des Innern)
Zudem
waren noch weitere Vertreter von Reichsministerien und sogenannten Obersten
Reichsbehörden eingeladen. Einige davon hatten jedoch ihre Teilnahme abgesagt,
z. B. Leopold Gutterer,
Staatssekretär im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda.
Er nannte terminliche Gründe für seine Absage, bat aber darum, über alle
Folgetermine unterrichtet zu werden.
Reinhard Tristan
Eugen Heydrich (* 7. März 1904 in Halle (Saale); † 4. Juni 1942
in Prag) war ein deutscher SS-Obergruppenführer und General der Polizei, der während der Diktatur des
Nationalsozialismus als Leiter des Reichssicherheitshauptamts
(RSHA) und Stellvertretender
Reichsprotektor in Böhmen und Mähren[1]
für zahlreiche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
verantwortlich war. 1941 wurde er von Hermann Göring mit der sogenannten „Endlösung der Judenfrage“
beauftragt und war ab diesem Zeitpunkt der eigentliche Organisator des Holocausts. So leitete er am 20. Januar 1942 in Berlin die Wannsee-Konferenz. Heydrich wurde am 27. Mai 1942 bei einem
Attentat in Prag verletzt und starb acht Tage später an Gasbrand. Daraufhin folgten Racheakte der Nationalsozialisten
wie die Zerstörung von Lidice und Ležáky.
Adolf Otto
Eichmann (* 19. März 1906 in Solingen; † 31. Mai 1962
in Ramla bei Tel Aviv, Israel),
SS-Obersturmbannführer,
war als Leiter des für die Organisation der Vertreibung und Deportation der Juden zuständigen Eichmannreferats des Reichssicherheitshauptamtes
(RSHA) zentral mitverantwortlich für die Ermordung von schätzungsweise sechs Millionen Menschen im
weitgehend besetzten Europa. Im Mai 1960 wurde er von israelischen Agenten in
Argentinien entführt und anschließend nach Israel gebracht, wo ihm der Prozess
gemacht wurde (siehe Eichmann-Prozess). Zwei
Jahre später wurde er zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Roland Freisler (* 30. Oktober 1893
in Celle; † 3. Februar 1945
in Berlin) war Jurist während der Zeit der Weimarer Republik und der Diktatur des
Nationalsozialismus. Unter dem NS-Regime fand seine
Karriere ihren Höhepunkt: Von August 1942 bis zu seinem Tod drei Monate vor dem
Ende des Zweiten Weltkrieges in
Europa war er Präsident des Volksgerichtshofs, des höchsten Gerichts des NS-Staates für politische Strafsachen.
Josef Bühler (* 16. Februar 1904
in Waldsee, Württemberg; † 21. August 1948 in Krakau)
war ein deutscher Jurist. Bei der Regierung des Generalgouvernements in Krakau
war Bühler während der Zeit des
Nationalsozialismus als Staatssekretär tätig. Seit Juni 1940 war er
ständiger Stellvertreter des Generalgouverneurs Hans Frank und an allen Verbrechen an der polnischen
Bevölkerung sowie am Holocaust in Polen mitverantwortlich. Nach
seiner Zeugeneinvernahme nach Kriegsende wurde er gemäß der Moskauer Deklaration, nach
der nationalsozialistische Verbrecher an den Ort ihrer Verbrechen zu
überstellen waren, im Mai 1946 an die Volksrepublik Polen
überstellt.[ Dort wurde Josef Bühler am 10. Juli 1948 zum Tode
verurteilt und am 21. August in Krakau hingerichtet.[
Otto Hofmann (* 16. März 1896
in Innsbruck; † 31. Dezember 1982 in Bad Mergentheim) war Chef des SS-Rasse- und
Siedlungshauptamts während der Zeit des
Nationalsozialismus sowie SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS und Polizei. Im Prozess
gegen das Rasse- und Siedlungshauptamt im März 1948 wegen Verbrechen gegen die
Menschlichkeit und Kriegsverbrechen wurde Hofmann zu 25 Jahren Haft verurteilt.
Am 7. April 1954 wurde er begnadigt und aus dem Zuchthaus Landsberg
entlassen. Danach war er kaufmännischer Angestellter in Württemberg.
Gerhard Klopfer (* 18. Februar 1905
in Schreibersdorf (Schlesien); † 29. Januar 1987 in Ulm)
war Ministerialdirektor in der
Parteikanzlei der NSDAP im
Deutschen Reich
sowie Staatssekretär in der Reichskanzlei. Im April
1945 floh Klopfer aus Berlin und tauchte unter. Am 1. März 1946 wurde er in
München mit falschen Papieren festgenommen und interniert. Klopfer wurde
mehrfach von Robert Kempner verhört und
im Wilhelmstraßen-Prozess als
Zeuge befragt. Klopfer behauptete, sich an den genauen Inhalt der Besprechung
bei der Wannseekonferenz nicht erinnern zu können. Er sei immer davon
ausgegangen, dass die Juden nur „umgesiedelt“ werden sollten. Er sei 1935 gegen
seinen Willen zur Parteikanzlei abkommandiert worden. Nach der Entlassung aus dem
Internierungslager wurde Klopfer 1949 durch eine Nürnberger Hauptspruchkammer für
„minderbelastet“ erklärt. Er erhielt eine Geldstrafe und eine dreijährige Bewährungsfrist,
während der er keine verantwortungsvolle berufliche Tätigkeit aufnehmen durfte.
Ab 1952 war er dann Helfer in Steuersachen, und ab 1956 als Rechtsanwalt in Ulm
tätig. Ein Ermittlungsverfahren wegen Teilnahme an der Wannseekonferenz durch
die Staatsanwaltschaft Ulm wurde 1962 eingestellt. Er lebte bis zu seinem Tod
unauffällig in Ulm. Nachdem er 1987 als letzter Teilnehmer der Wannseekonferenz
gestorben war, erregte seine Todesanzeige mit dem Text „nach einem erfüllten
Leben zum Wohle aller, die in seinem Einflußbereich waren“ öffentliche
Empörung.
Friedrich Wilhelm
Kritzinger (* 14. April 1890 in Grünfier bei Filehne; † 25. April 1947
in Nürnberg) war deutscher Ministerialdirektor und Staatssekretär
in der Reichskanzlei während der Zeit des
Nationalsozialismus. Im April 1945 floh Kritzinger vor dem Kriegsgeschehen aus
Berlin. Im Mai 1945 wurde er noch Staatssekretär in der Regierung Dönitz in Flensburg. Er wurde am 23. Mai in Flensburg von den Alliierten
verhaftet und nach einem Aufenthalt im Kriegsgefangenenlager Nr.
32 (Camp Ashcan) im luxemburgischen Bad Mondorf nach Bruchsal überstellt. Im April 1946 wurde Kritzinger entlassen,
jedoch im Dezember erneut inhaftiert. Kritzinger erhielt bald krankheitshalber
Haftverschonung. Während der Vernehmungen nach 1945 räumte Kritzinger seine
Teilnahme an der Wannseekonferenz ein, deren verbrecherischen Charakter er
zugab.
Rudolf Lange (* 18. April 1910
in Weißwasser, Kreis Rothenburg
(Preußen); † 23. Februar 1945
in Posen) war ein deutscher SS-Standartenführer,
Kommandeur, später Befehlshaber der Sicherheitspolizei SD (KdS bzw. BdS) während
der Zeit des Nationalsozialismus.
Ab Januar 1945 war Lange Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Warthegau. Beim Kampf um Posen wurde Lange verwundet und
beging Suizid, um einer Gefangennahme zu entgehen. Für vorgebrachte
Zweifel an seinem Tode gibt es keine stichhaltigen Argumente.
Georg Leibbrandt (* 5. September 1899
in Hoffnungsthal bei Odessa; † 16. Juni 1982 in Bonn)
war ein russisch-deutscher Dolmetscher, Bürokrat und Diplomat, der in der Zeit des
Nationalsozialismus als Russlandexperte galt. Zunächst Mitglied der Sturmabteilung, besetzte er später führende außenpolitische Positionen im Außenpolitischen Amt der
NSDAP (APA) und im Reichsministerium
für die besetzten Ostgebiete (RMfdbO). Beide Behörden standen unter
der Leitung des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg. Leibbrandt war Teilnehmer der Wannsee-Konferenz und in einem hohen Maße an der
systematischen Judenvernichtung beteiligt. In der
Nachkriegszeit wurde ein strafrechtliches Verfahren (Beihilfe zum Mord) gegen
Leibbrandt eingestellt.
Martin Franz
Julius Luther (* 16. Dezember 1895 in Berlin;
† 13. Mai 1945 ebenda) war Unterstaatssekretär im Auswärtigen Amt (AA) des Deutschen Reichs in der Zeit des
Nationalsozialismus. Luther war von 1940 bis 1943 als Leiter der
Abteilung D (Deutschland) im AA verantwortlich für die Zusammenarbeit mit Himmler und dem Reichssicherheitshauptamt
sowie für das Ressort D III („Judenfrage, Rassenpolitik, Information der
Auslandsvertretungen über wichtige innenpolitische Vorgänge“). Durch seine
intensive Zusammenarbeit mit dem Eichmannreferat machte Luther die Abteilung D zu einer der
beteiligten Behörden der „Endlösung der Judenfrage“.
Praktisch bestand der Beitrag des Auswärtigen Amtes zum Holocaust vor allem darin, die Deportationen aus besetzten und befreundeten Ländern
diplomatisch vorzubereiten und abzusichern. Auf der Wannsee-Konferenz empfahl Luther, nordische Länder in
Anbetracht geringer „Judenzahlen“ und zu erwartender Schwierigkeiten vorerst
zurückzustellen und sich auf den Südosten und Westen Europas zu konzentrieren.
Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs soll er „an den Folgen einer
Herzattacke“ in Berlin gestorben sein.
Gustav Alfred
Julius Meyer (* 5. Oktober 1891 in Göttingen; † 11. April 1945
in Hessisch Oldendorf) war
ein bedeutender nationalsozialistischer
Funktionär. Er trat schon 1928 der NSDAP
bei und war von 1930 bis 1945 Gauleiter des Gaus Westfalen-Nord und
von 1933 bis 1945 Reichsstatthalter in Lippe und Schaumburg-Lippe. Nach dem Beginn des Krieges gegen die
Sowjetunion wurde er Staatssekretär im Reichsministerium
für die besetzten Ostgebiete. Am 11. April 1945 beging Meyer am Fuße
des Hohenstein bei dem zu
Hessisch Oldendorf gehörenden Ortsteil Zersen im Süntel Suizid.
Heinrich Müller („Gestapo-Müller”; * 28. April 1900 in München; † 1. Mai 1945
für tot erklärt) war ab Oktober 1939 Chef der Geheimen Staatspolizei (Gestapo,
Amt IV im Reichssicherheitshauptamt)
während der Zeit des
Nationalsozialismus. Müller gilt seit Mai 1945 als verschollen. Nach
den Angaben von sechs Zeugen, die 1961 von der westdeutschen Polizei vernommen
wurden, wurde Müller zuletzt am 1. und 2. Mai 1945 – nach Hitlers Suizid – in
der Reichskanzlei gesehen. Als
wahrscheinlich gilt ein Tod Müllers beim Fall Berlins Anfang Mai
1945.
Erich Neumann (* 31. Mai 1892
in Forst (Lausitz); † 23. März 1951 in Garmisch-Partenkirchen[1]) war deutscher Staatssekretär im Amt des Beauftragten für den Vierjahresplan in der Zeit des
Nationalsozialismus. Ab August 1942 wurde er Generaldirektor des Deutschen Kalisyndikats.
Seine Position als Leiter der Geschäftsgruppe Devisen übernahm
Ministerialdirigent Friedrich Gramsch. 1945
erfolgte seine Internierung, aus der er Anfang 1948 wegen Krankheit entlassen
wurde.
Karl Georg
Eberhard Schöngarth (* 22. April 1903 in Leipzig; † 16. Mai 1946
in Hameln[1]) war ein deutscher Jurist, SS-Brigadeführer,
Generalmajor der Polizei, Chef der Gestapo Dortmund, Befehlshaber
der Sicherheitspolizei und des SD (BdS) im Generalgouvernement,
Führer der Einsatzgruppe z.B.V. in Galizien und BdS in den Niederlanden. Schöngarth wurde von einem britischen Militärgericht wegen Kriegsverbrechen zum Tode verurteilt und am 16. Mai 1946 im Gefängnis Hameln hingerichtet.
Wilhelm Stuckart (* 16. November 1902
in Wiesbaden; † 15. November 1953 bei Hannover) war ein promovierter Jurist und nationalsozialistischer
deutscher Politiker. Er wurde im Wilhelmstraßen-Prozess als
Kriegsverbrecher verurteilt.
Das nationalsozialistische Vorgehen gegen die
Juden radikalisierte sich seit 1933 über Ausgrenzung, Entrechtung, erzwungene
Auswanderung, physische Verfolgung und Enteignung. Seit Kriegsbeginn kamen
Ghettoisierung, Deportationen und Massenmorde in militärisch besetzten Gebieten
Ost- und Südosteuropas hinzu. Diese Schritte erfolgten jedoch nicht überall
chronologisch und geplant nacheinander, sondern teilweise in ständigem Wechsel
und manchmal chaotisch nebeneinander. Mit dem Polenfeldzug 1939 begannen
Massenmorde an Zivilisten hinter der Ostfront.
Eine „zur besonderen Verfügung“ gebildete Einsatzgruppe unter Udo von Woyrsch erschoss bis Jahresende etwa
7000 Juden, erfuhr dafür aber starke Kritik einiger Armeebefehlshaber, wie
z. B. des Oberbefehlshabers im Generalgouvernement
Johannes Blaskowitz.
Der Historiker Hans Mommsen deutet
diese Morde als noch planlose Einzelinitiativen. Seit dem 22. Juni 1941
erschossen vier im Mai aufgestellte Einsatzgruppen systematisch und in großem
Umfang Staatsfunktionäre, Partisanen und – bevorzugt
jüdische – „Geiseln“ hinter der gesamten Ostfront der
deutschen Wehrmacht. Teils mit ihnen, teils ohne sie
ermordeten im selben Gebiet Truppen der Ordnungspolizei
und Einheiten der Waffen-SS unter Hans-Adolf Prützmann,
Erich von dem
Bach-Zelewski und Friedrich Jeckeln Juden in großer Zahl.[12]
Ende September/Anfang Oktober 1941 fand zum Beispiel ein Massaker deutscher
Sonderkommandos an der jüdischen Bevölkerung von Kiew
statt, bekannt geworden als das Massaker von Babyn Jar. Diese Massenmorde liefen immer
stärker auf eine flächendeckende Ermordung aller Juden zu. In den von den
Nationalsozialisten eingerichteten, überfüllten Ghettos starben täglich Juden
an Unterernährung, Infektionskrankheiten und willkürlicher Gewalt ihrer Bewacher.
Auch die „Vernichtung durch
Zwangsarbeit“, die das Konferenzprotokoll als Methode der
„Endlösung“ nannte, fand schon statt: etwa beim Bau einer wichtigen „Durchgangsstraße IV“
von Lemberg in die Ukraine.
Im September begannen Massendeportationen
deutscher Juden aus dem Reichsgebiet. Auf Befehl Himmlers vom 18.
September, unterzeichnet von Kurt Daluege, wurden
bis zum 4. November 20.000 Juden und 5.000 Zigeuner nach Łódź deportiert. Am 23. Oktober 1941 verbot
Himmler allen Juden im deutschen Einflussbereich die Auswanderung. „Auf Wunsch
des Führers“ sollte bei Riga ein weiteres großes Konzentrationslager
errichtet werden. Am 8. November 1941 erfuhr Hinrich Lohse, Reichskommissar für das besetzte Baltikum, dass je 25.000 „Reichs- und
Protektoratsjuden“ nach Minsk und Riga deportiert
werden sollten. Um letztere unterzubringen, ließ Jeckeln auf persönlichen
Befehl Himmlers vom 29. November bis 1. Dezember sowie am 8. und 9. Dezember
1941 insgesamt 27.800 Bewohner des Rigaer Ghettos erschießen. Unter den Opfern
waren auch der erste Transport von 1.053 Berliner Juden,
die am 30. November sofort nach ihrer Ankunft erschossen wurden. Himmlers Veto
dagegen vom selben Tag kam zu spät. Der Historiker Raul Hilberg vermutet, dass es ohnehin nur zu
erwartende Proteste Lohses beschwichtigen sollte. Nach Deutung von Dieter Pohl fürchtete Himmler, ausbleibende
Nachrichten der Deportierten würden in Deutschland rasch zu Gerüchten über ihre
Liquidierung führen.[18] Am 25. und 29. November wurden bei
Kaunas 5.000 eigentlich für Riga bestimmte Juden aus dem Reich und dem
Protektorat erschossen. Das Vernichtungslager
Belzec war seit November 1941 im Bau; dessen erste Gaskammern
von geringer Kapazität waren zur Ermordung arbeitsunfähiger Juden vorgesehen.
Auch für das Vernichtungslager
Sobibor und das KZ Majdanek im
Distrikt Lublin begannen die Bauvorbereitungen. Seit
Anfang Dezember 1941 wurden in Kulmhof (Chelmno)
Gaswagen zur Tötung von Juden eingesetzt. Darüber verfügten mittlerweile alle
vier Einsatzgruppen. Bis die Wannseekonferenz einberufen wurde, hatten die
Mörder mit Hitlers Zustimmung rund 900.000 Juden aus Deutschland, Polen
und Russland in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten umgebracht. Nun sollte
als letzte Eskalationsstufe die systematische Ermordung aller Juden im
deutschen Einflussbereich organisiert werden.
Als Holocaust (vom griechischen
‚vollständig verbrannt‘) oder Schoah (auch Shoah; hebräisch הַשּׁוֹאָה
ha'Schoah ‚das Unheil‘ oder ‚die Katastrophe‘) wird die Ermordung von
mindestens 5,6bis 6,3 Millionen Menschen bezeichnet, die das nationalsozialistische
Regime als Juden definierte. Dieser Völkermord zielte auf die vollständige
Vernichtung der europäischen Juden. Er gründete auf dem staatlich propagierten Antisemitismus
und wurde im Zweiten Weltkrieg
seit 1941 systematisch, ab 1942 auch mit industriellen Methoden durchgeführt.
Die Nationalsozialisten
erklärten auch die Roma zur „minderwertigen Fremdrasse“ und
ermordeten Hunderttausende von ihnen. Deren Verfolgung und Ermordung wird daher
in den Holocaustbegriff
eingeschlossenoder als Roma-Holocaust oder Porajmos bezeichnet. Weitere Massenmorde der Nationalsozialisten,
vor allem an Millionen Einwohnern Polens und der Sowjetunion, an mehr als 100.000 Behinderten,
getarnt als „Aktion T4“, an etwa 20.000 deutschen Kommunisten und Sozialdemokraten,
7.000 Homosexuellen und 1.200 Zeugen
Jehovas werden meist nicht als Teil des Holocaust beschrieben und
bezeichnet.
Das aus dem Tieropferkult stammende griechische Wort holokautoma
gelangte über verschiedene Bibelübersetzungen
als Holocaust in die englische Sprache. Dort bezeichnete es seit etwa
1600 vor allem Brandkatastrophen mit vielen Todesopfern, seit 1913 auch
Massenmorde mit genozidalem Ausmaß. Im Dezember 1942 verwendete die britische
Tageszeitung News Chronicle – noch ohne Kenntnis der
NS-Vernichtungsmethoden – den Begriff erstmals für Adolf Hitlers Vernichtungsplan an den Juden. Bis
1972 wurde Holocaust in der englischsprachigen Geschichtswissenschaft
zur Hauptbezeichnung dieses Verbrechens.