Gefängnisstrafen für grün - weiße "Prügel-Chefs"
Mit Schuldsprüchen für alle 29 Angeklagten
ist am Freitag im Wiener Straflandesgericht die erste Prozess- Tranche gegen
Rapid- Fans zu Ende gegangen. Die Schlachtenbummler waren nach Ansicht des
Schöffensenats am 21. Mai 2009 zum Westbahnhof gezogen, um sich dort mit von
einem Auswärtsspiel heimkehrenden Anhängern der Austria bzw. der Polizei
gewalttätige Auseinandersetzungen zu liefern. Für die grün- weißen Rädelsführer
setzte es teilweise unbedingte Freiheitsstrafen.
Einer der Chefs der "Ultras
Rapid" fasste 14 Monate unbedingt aus. Der 29- jährige Vorsänger wies
bereits zwei einschlägige Vorstrafen aus, darunter eine zwölfmonatige
Bewährungsstrafe wegen Landfriedensbruchs im Zusammenhang mit Ausschreitungen
nach einem Rapid- Auswärtsspiel in Kapfenberg. Ein weiterer, ebenfalls zweifach
vorbestrafter Mann, der sich in führender Rolle am Westbahnhof hervorgetan
haben soll, bekam zehn Monate unbedingt.
Die übrigen Fans wurden zu
Bewährungsstrafen zwischen elf Wochen und acht Monaten verurteilt, wobei vier
von ihnen aufgrund von Vormerkungen im Strafregister zusätzlich unbedingte
Geldstrafen zwischen 3.420 und 4.500 Euro aufgebrummt bekamen. Die Urteile sind
nicht rechtskräftig.
Während einige der Angeklagten
Mistkübel und Bierflaschen gegen Polizisten geworfen hatten, die ein
Aufeinandertreffen der Rapidler und Austrianer verhindern hatten wollen, und
damit zusätzlich zum Landfriedensbruch
wegen Körperverletzung und Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt
wurden, wurde einem jungen Mann sein Gürtel zum Verhängnis. Er habe sich diesen
vom Bund gezogen und mit der Gürtelschnalle in Richtung Polizei
"gepeitscht", was das Gericht ebenfalls als versuchte
Körperverletzung wertete.
Unmutsäußerungen der Angeklagten bei
Urteilsverkündung
Fast eineinhalb Stunden dauerte
die Urteilsbegründung, die einige der Rapid- Fans mit halblauten
Unmutsäußerungen gegen das Gericht, anwesende Journalisten und Fotografen untermalten
- unter anderem waren Sätze wie "Schleicht's eich aussi!" oder
"Bist wo ang'rennt?" zu hören. Für das Gericht stand fest, dass
mehrere Dutzend Rapidler zum Westbahnhof gezogen waren, um eine
"Racheaktion" vorzunehmen, nachdem Gerüchte bekannt geworden waren,
dass einige Wochen zuvor ein Rapid- Fan angeblich von einem Austrianer
verprügelt wurde.
Der laut Richterin Martina Frank
"gewalttätigen Masse" sei es darauf angekommen, Gewalttätigkeiten zu
begehen. Sie schloss aus, dass sich unter den Angeklagten Personen befanden,
"die als bloße Schaulustige am Westbahnhof waren". Es sei keinem
einzigen nur darum gegangen, "sich aufzustellen und Fan- Gesänge
anzustimmen".
Dass es zu Gewalttätigkeiten
gekommen war, sei erwiesen, hatte bereits am Dienstag beim Abschluss des
Beweisverfahrens Staatsanwältin Dagmar Pulker in ihrem Schlussplädoyer gesagt.
Die Angeklagten hätten sich zum Westbahnhof begeben, "um zu raufen".
"Und wenn keine Austria- Fans dort sind, rauft man halt mit der Polizei."
Es sei den Männern gerade darauf angekommen, "die Konfrontation zu
suchen". "Das war alles andere als ein Lausbubenstreich."
Verteidiger: "Nicht ernst zu
nehmen"
Bei den Angeklagten erntete die
Staatsanwältin mit ihren Ausführungen teilweise abschätziges Gelächter, worauf
Richterin Frank mehrmals Ruhe einmahnte und mit dem Räumen des Großen
Schwurgerichtssaals drohte, sollte diese nicht einkehren.
Verteidiger Werner Tomanek gab zu
bedenken, dass es auch ihm nach wochenlanger Verhandlung, "in der es im
Wesentlichen um einen vermeintlich ramponierten Mülleimer und einen
vermeintlich gezerrten Nacken eines Polizisten gegangen ist", schwer
falle, den gebotenen Ernst zu bewahren. Sein Kollege Franz Pechmann zeigte sich
überzeugt, dass es der Anklagebehörde nicht gelungen sei, den Nachweis einer
organisierten Verabredung zur Gewalt zu erbringen. Daher sei der inkriminierte
Landfriedensbruch freizusprechen.
Verteidiger Marcus Januschke, der mit dem Chef der
Hütteldorfer "Ultras" den angeblichen Rädelsführer der Angeklagten
vertrat, kritisierte, die Strafverfolgungsbehörde wolle "gegen eine gut
organisierte Fangruppe ein Exempel statuieren". Die Vorwürfe gegen seinen
Mandanten wären "in keinster Weise nachvollziehbar." Der 29- Jährige
soll laut Anklageschrift in führender Funktion "wissentlich an einer
Zusammenrottung einer Menschenmenge" teilgenommen haben, "die darauf
abzielte, dass unter ihrem Einfluss Körperverletzungen oder schwere
Sachbeschädigungen begangen werden".
Austria- Fans am Westbahnhof "empfangen
Insgesamt 165 Rapid- Anhänger waren am 21. Mai 2009 nach einem Heimspiel gegen Mattersburg zum Westbahnhof marschiert, um von einer Auswärtspartie in Linz heimkehrende Austria- Fans in "Empfang" zu nehmen. "Naturgemäß entsprang dieses Vorhaben keineswegs freundschaftlicher Gesinnung gegenüber den Anhängern des FK Austria, sondern war vielmehr die jahrelange Feindschaft und die den Angeklagten gemeinsame Bereitschaft zu gewalttätigem Verhalten wahrer Hintergrund", heißt es in der Anklageschrift. Ihr zufolge konnten gröbere Attacken auf die Austrianer nur deshalb verhindert werden, weil die Polizei von dem Vorhaben Wind bekommen hatte und die gegnerischen Fans am Bahnhof abgeschirmt wurden.
Insgesamt 165 Rapid- Anhänger waren am 21. Mai 2009 nach einem Heimspiel gegen Mattersburg zum Westbahnhof marschiert, um von einer Auswärtspartie in Linz heimkehrende Austria- Fans in "Empfang" zu nehmen. "Naturgemäß entsprang dieses Vorhaben keineswegs freundschaftlicher Gesinnung gegenüber den Anhängern des FK Austria, sondern war vielmehr die jahrelange Feindschaft und die den Angeklagten gemeinsame Bereitschaft zu gewalttätigem Verhalten wahrer Hintergrund", heißt es in der Anklageschrift. Ihr zufolge konnten gröbere Attacken auf die Austrianer nur deshalb verhindert werden, weil die Polizei von dem Vorhaben Wind bekommen hatte und die gegnerischen Fans am Bahnhof abgeschirmt wurden.
Rund die Hälfte der Tatverdächtigen konnte die Polizei
später nicht ausforschen, weil sie sich teilweise vermummt hatten. Am Ende
wurden 85 Rapid- Anhänger zur Anklage gebracht, gegen die seit Oktober in drei
separaten Tranchen verhandelt wird. Die Urteilssprüche gegen den Rest der 86
Angeklagten sollen ebenfalls noch im Jänner folgen.
Causa Westbahnhof
Haftstrafen für Anführer der
Rapid-"Ultras"
Michael Simoner, 13. Jänner 2012 17:15
Fans wollten am Bahnhof ihr eigenes Wiener
Derby austragen. Heraus kamen Widerstand gegen Staatsgewalt und
Landfriedensbruch. 29 Anhänger wurden verurteilt, mehr als 50 stehen noch vor
Gericht
Wien - Auf der Homepage des SK Rapid
ist die Welt noch in Ordnung: Kapitän Steffen Hofmann, der im Hanappi-Stadion
als "Fußballgott" verehrt wird, ist gerade wieder Vater geworden,
sein Team geht als Tabellenführer in die Frühjahrssaison. Doch in der
orthodoxen grün-weißen Religionsgemeinschaft gibt es seit Freitag nur mehr ein
Thema: die Verurteilung von 29 Fans wegen Ausschreitungen am Wiener
Westbahnhof. Die Urteile sind nicht rechtskräftig - wenn sie das werden, müssen
zwei Rapid-Fans, darunter auch einer der Ober-Ultras, ins Gefängnis. Der Rest kam
mit Bewährungsstrafen davon.
Allein die Urteilsverkündung in
dem Massenprozess - eine zweite Tranche mit mehr als 50 Angeklagten steht noch
aus - dauerte am Freitag eine halbe Stunde. Für die Urteilsbegründung und
Erläuterungen zu den Strafausmaßen von sieben Wochen bis 14 Monaten und
Geldstrafen bis 4500 Euro nahm sich die Senatsvorsitzende Martina Frank im
Wiener Landesgericht weitere eineinhalb Stunden Zeit. Dies auch deswegen, weil
das in der heimischen Strafrechtspflege eher selten auftauchende Delikt
"Landfriedensbruch" eine Hauptrolle spielte. Wie der Standard
berichtete, wollten die Rapid-Fans im Mai 2009 am Wiener Westbahnhof ihr
eigenes Wiener Derby veranstalten. Weil angeblich ein Mitglied der Ultras von
Erzfeindefans der Wiener Austria verprügelt worden war, planten die Grün-Weißen,
die von einem Auswärtsspiel heimkommenden Violetten nicht herzlich willkommen
zu heißen. Die Polizei bekam allerdings Wind von der Racheaktion und entsandte
Spezialeinheiten der Wega.
Videoüberwachung
Der aufgezogene Sperrring hatte
zwei Konsequenzen: Die Austria-Fans konnten schnellen Fußes den Ort der aus
ihrer Sicht ungewollten Begegnung verlassen, die Rapid-Anhänger fühlten sich um
eine große Chance betrogen und von den Wega-Beamten in Kampfausrüstung
provoziert. Was die Fans offenbar nicht bedachten, waren die
Überwachungskameras am Westbahnhof und in der angrenzenden U-Bahn-Station, die
das Geschehen aufzeichneten: fliegende Bierflaschen und Metallmistkübel,
Fußtritte, Faustschläge, Gürtel als Peitschenersatz und eindeutige Anweisungen
von den Rädelsführern. Mit der Argumentation, man habe die Austria-Fans
ursprünglich nur mit Schlachtchören "niedersingen" wollen, kamen die
Rapidler nicht durch. Staatsanwältin Dagmar Pulker warf ihnen vor, von Anfang
an auf eine Schlägerei aus gewesen zu sein. In der E-Mail eines Verdächtigen
war schon Tage zuvor von "Schädel zertrümmern" die Rede gewesen. Auch
die zweite Verteidigungsstrategie, dass die Wega die Ausschreitungen
angezettelt habe, scheiterte am Videomitschnitt. Die Sichtung des Videomaterials
führte jedenfalls zu Anklagen (und jetzt Verurteilungen in erster Instanz)
wegen Körperverletzung, Widerstandes gegen die Staatsgewalt, Sachbeschädigung
und eben Landfriedensbruch. Zu Letzterem heißt es im Strafgesetz: "Wer
wissentlich an einer Zusammenrottung einer Menschenmenge teilnimmt, die darauf
abzielt, dass unter ihrem Einfluss Mord, Totschlag, Körperverletzung oder eine
schwere Sachbeschädigung begangen werde, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei
Jahren zu bestrafen." Für Anführer gibt es noch ein Jahr dazu. Zum noch
während der Verhandlung eingelegten Einspruch der Verteidiger, dass dieser
Paragraf im vorliegenden Fall völlig überzogen sei, meinte Richterin Frank nun:
"Mit vorgehaltenem Taschenmesser zwei Zigaretten zu erbeuten ist genauso
schwerer Raub wie mit einer Maschinenpistole eine Bank zu überfallen."
Unterschiede gebe es eben in der Strafbemessung. Als strafmildernd wurde in
zwei Fällen gewertet, dass die Angeklagten der ÖBB zerstörte Mistkübel bereits
ersetzt haben. (DER
STANDARD, Printausgabe 14.1. 2012)