Wir schreiben das Jahr 1922. Knapp vier Jahre zuvor ging der 1. Weltkrieg zu Ende, kurz danach erhielten die Frauen in Österreich das Wahlrecht. In der österreichischen Fußball-Meisterschaft 1921/22 sicherte sich der Wiener Sport-Club den Meistertitel. Und bei den Frauen? Da entstand 1936 erstmals eine Meisterschaft, die allerdings nicht lange Bestand hatte. Einige Jahre zuvor war man hierzulande in dieser Hinsicht noch deutlich kritischer.
"Erste Voraussetzung (um erfolgreich Fußball zu spielen, Anm.) ist und bleibt ein hart trainierter, starker Körper. Darüber verfügt das zarte Geschlecht naturgemäß nur in den seltensten Fällen und kann somit die erste Voraussetzung nicht erfüllen." (Quelle: ANNO/ÖNB, Wiener Montags-Journal, 20. Februar 1922, Seite 6)
Neben medizinischen Gesichtspunkten, die ebenfalls gegen Frauenfußball sprechen würden, müssten sich die Spielerinnen zudem bewusst sein, "daß sie es nur zum Vergnügen betreiben und dies auch im Spielcharakter zum Ausdruck kommt".
Foto: © ANNO / Österreichische Nationalbibliothek
"Wenn wir also die Schlussfolgerung ziehen, so sehen wir, daß eigentlich herzlich wenig für die Einführung von Frauenfußball spricht. Der Frauen wesentlichste Eigenschaft ist Grazie und gerade diese Eigenschaft wird im Fußball unterdrückt" (Quelle: ANNO/ÖNB, Wiener Montags-Journal, 20. Februar 1922, Seite 7)
Im Wiener Sport-Tagblatt, wir befinden uns immer noch im Jahr 1922, wird dabei nicht nur der Frauenfußballsport selbst, sondern auch die Anwesenheit von Frauen bei Fußballspielen kritisch beäugt:
"So lange keine oder nur sehr wenige Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts Fußballwettkämpfen beiwohnten, ging es immer bei aller Lebhaftigkeit der Zuschauer sehr anständig zu. Pfui-Rufe und wüste Schimpfereinen gehörten zu den Seltenheiten, Raufereien und Insultierungen von Schiedsrichtern und Spielern kamen überhaupt nicht vor. Seitdem aber die holde Weiblichkeit ein ansehnliches Kontingent der Besucher von Fußballmatches bildet, gerät der männliche Teil der Zuseher nur zu häufig außer Rand und Band." (Quelle: ANNO/ÖNB, Wiener Sporttagblatt, 4. Februar 1922, Seite 5).
Zu dieser Zeit war der Frauenfußball in Großbritannien und Frankreich bereits eine große Publikumsattraktion. Jede größere Ortschaft hatte bereits ein eigenes Team. Wie das Sport-Tagblatt berichtete, waren darüber die "führenden Sportkreise" alles andere als glücklich, standen sie dem Frauenfußball doch "sehr ablehnend" gegenüber. In Österreich war der Frauenfußball längst nicht so weit.
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"Bei uns ist es einstweilen schwer, sich darüber ein abschließendes Urteil zu bilden, solange der Frauenfußball nur vom Hörensagen bekannt ist. Daß in England so sehr dagegen Stellung genommen wird, erscheint vielleicht dadurch erklärlich, daß doch dort Fußball ein Geschäft ist und nunmehr durch die Frauen eine starke Konkurrenz befürchtet wird" (Quelle: ANNO/ÖNB, Wiener Sporttagblatt, 4. Februar 1922, Seiite 5)
Der Autor schließt mit den Worten: "ein weiblicher Fußballsport, der als eine Art "Fußballreigen" aufgefaßt werden würde, kann ruhig unterbleiben."
Wenige Monate später wird auch im Neuen Wiener-Journal zum Frauenfußball, genauer gesagt der Sportbegeisterung der Frauen, Stellung genommen. Hier wird der erst vor wenigen Jahren zu Ende gegangene Weltkrieg dafür verantwortlich gemacht, dass "die Frau sich unabhängiger zu fühlen begann, daß zahlreiche Angehörige des weiblichen Geschlechts lose Manieren annahmen und die Sitten (...) der Männer nachzuahmen für gut fanden".
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"Das weibliche Geschlecht soll sich aber bloß jenen Sportzweigen widmen, die ihm zuträglich sind, Tennis, Schwimmen, Radfahren, aber nicht einem Sport, den allein Männer, und von diesen auch nur die kräftigeren, ausüben können, ohne Schaden zu leiden, wie Fußball, Kricket, Boxen, Hochsprung, Weitsprung ec." (Quelle: ANNO/ÖNB, Neues Wiener Journal, 19. August 1922, Seite 6)
Was im August 1922 noch völlig unmöglich schien, war dann aber nur zwei Jahre später Gewissheit: 1924 wurde der erste Wiener Damenfußballkklub "Diana" gegründet. In den 30ern erreichte der heimische Frauenfußball dann den ersten Höhepunkt, was mit dem Beginn des zweiten Weltkrieg und der Annexion durch das Deutsche Reich jedoch wieder passe war. Erst Ende der 1960er-Jahre wurde der Frauenfußball wiederbelebt. Und nun, im Jahr 2017, schreibt das heimische Frauen-Nationalteam österreichische Sportgeschichte und steht vor dem Sprung in das EM-Viertelfinale.
https://www.90minuten.at/de/red/magazin/reportage/2017/juli/es-war-einmal--der-frauenfussball-im-jahre-1922/