Samstag, 3. Juni 2017

"Bomben"Stimmung ei Rock am Ring

Hintergrund weiter unklar

Das deutsche Musikfestival Rock am Ring wird nach der Unterbrechung wegen eines Terroralarms fortgesetzt. Die Polizei Koblenz teilte am Samstag auf Twitter mit: „Wir freuen uns mit euch. Es geht weiter!“ Der Konzertveranstalter Marek Lieberberg schrieb auf der Festival-Website: „Das ist die Nachricht, auf die alle Rock-am-Ring-Fans warten. Nach intensiven Durchsuchungen des gesamten Festivalgeländes haben sich die Verdachtsmomente für eine akute Gefährdungslage nicht erhärtet.“
Die Polizei habe „grünes Licht für eine Wiederaufnahme der Aufbauarbeiten auf den Bühnen“ gegeben, schrieb der Veranstalter weiter. Lieberberg dankte den Sicherheitsbehörden sowie den Besuchern für „unglaublich diszipliniertes Verhalten und die vorbildliche Kooperation“.
 

Hinweise verdichteten sich am Freitag

Die Polizei hatte bei ihren Durchsuchungen am Samstag auf dem Festivalgelände in der Eifel keine verdächtigen Gegenstände gefunden. Es seien unter anderem die Bühnenbereiche und andere Eventflächen abgesucht worden, sagte ein Polizeisprecher am Samstag.
 
Laut Polizei hatten sich im Laufe des Freitags Hinweise auf einen möglichen Anschlag auf die Großveranstaltung verdichtet, teilte sie am Samstag auf einer Pressekonferenz mit. Im Fokus standen Angaben zufolge drei Verdächtige aus Hessen, von denen mindestens einer Verbindungen in den Bereich des „islamistischen Terrorismus“ haben soll. Der Verdacht war nach Angaben der Polizei entstanden, weil Zugangskarten für das Personal nicht mit registrierten Namen übereinstimmten.

Verdächtige wieder auf freiem Fuß

Die Verdächtigen hätten über Helferausweise Zugang zu sicherheitsrelevanten Bereichen des Festivalgeländes gehabt, so die Polizei weiter. Die Staatsanwaltschaft Koblenz habe am Freitagabend Ermittlungsverfahren wegen Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags eingeleitet, die drei Männer seien vorläufig festgenommen und ihre Wohnungen durchsucht worden.
 
Inzwischen habe sich die Verdachtslage deutlich relativiert, teilte die Polizei mit. Der Verdacht erhärtete sich nicht, gegen 7.00 Uhr am Samstag wurden die Männer den Angaben zufolge wieder entlassen. Die Ermittlungen dauern aber an, wie Christoph Semmelrogge, leitender Direktor der Polizei Koblenz, sagte.

Entscheidung verteidigt

Der Innenminister des deutschen Bundeslands Rheinland-Pfalz, Roger Lewentz (SPD), verteidigte die Entscheidung, Rock am Ring am Freitagabend zu unterbrechen und das Gelände zu räumen. Eine „dringende Gefahr“ für die Besucher habe nicht ausgeschlossen werden können. „Das ist dann ein für uns nicht mehr vertretbares Risiko. Dann muss entsprechend gehandelt werden.“
 
Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) hatte sich in der Nacht hinter Lewentz’ Entscheidung gestellt, das Musikfestival wegen Terrorgefahr zu unterbrechen. Der Mainzer Minister habe ihn vorab informiert, erklärte de Maiziere in Berlin. „Für diese schwierige wie verantwortungsvolle Entscheidung hat er meine volle Unterstützung. So bitter es ist, die Sicherheit der Festivalbesucher muss an erster Stelle stehen.“

Rammstein holen Auftritt nicht nach

Enttäuschung für Rammstein-Fans: Der am Freitagabend wegen des Terroralarms abgesagte Auftritt der deutschen Band wird aus organisatorischen Gründen nicht nachgeholt. „Wir wissen, dass sich viele Fans auf das Konzert gefreut haben, die nun enttäuscht sind! Auch wir hätten gern gespielt“, schrieben die Musiker am Samstag auf dem offiziellen Facebook-Account der Band. Auch auf dem Kurznachrichtenkanal Twitter hieß es: „Leider ist es entgegen anderslautender Gerüchte aufgrund der Festival-Abläufe nicht möglich, die Show bei Rock am Ring heute nachzuholen.“
 

Zehntausende verließen Gelände

Das dreitägige Festival hatte am Freitagnachmittag begonnen. Alle knapp 90.000 Tickets waren verkauft. Nach der Unterbrechung wegen eines Terroralarms am Freitagabend hatte die Polizei am frühen Samstagmorgen die Durchsuchungen des Geländes fortgesetzt.
Das legendäre Musikfestival war am Freitagabend unterbrochen worden, weil die Polizei Hinweise auf eine mögliche terroristische Gefährdung hatte. Zehntausende Besucher verließen am Freitagabend daraufhin innerhalb kurzer Zeit geordnet und ruhig das Festivalgelände, wie Veranstalter Lieberberg berichtete.

„Bild“: Zwei Männer verhört

Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung von Freitagabend verhörte die Polizei zwei Mitarbeiter eines Subunternehmens. Es habe die Befürchtung bestanden, dass die beiden Männer etwas auf dem Gelände hinterlegt haben. Die Polizei am Nürburgring wollte sich zu dem Bericht nicht äußern.
 
Lieberberg war Freitagabend sichtlich aufgebracht. Er sprach von Vermutungen, dass Leute, die mit dem Aufstellen von Zäunen beschäftigt waren, verdächtig seien. Und dass diese Information in die Medien durchgesickert sei. „Ist das das Ergebnis unserer wehrhaften Demokratie? Was wird als Nächstes abgesagt?“

Veranstalter: Müssen hier büßen

Auch dass das Gelände geräumt werden musste, sah Lieberberg am Freitagabend kritisch. „Ich glaube, dass wir hier für das büßen müssen, was im Fall Amri oder anderen zu wenig getan wurde.“ Durch Versäumnisse der Ermittlungsbehörden sei eine andere Gemütslage eingetreten, sodass womöglich „schneller gravierende Entscheidungen getroffen werden als vorher“. Der Islamist Anis Amri hatte im Dezember 2016 bei einem Lastwagenanschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz zwölf Menschen getötet.

Durchsagen per Lautsprecher

Auf dem Festivalgelände des Nürburgrings waren am Freitagabend folgende Lautsprecherdurchsagen zu hören: „Wegen einer terroristischen Bedrohungslage wird das Festival für heute abgebrochen. Wir hoffen, dass es morgen weitergeht. Bitte begebt euch zu den Ausgängen.“ Alle Besucher wurden gebeten, das Festivalgelände kontrolliert und ruhig in Richtung Ausgänge und Campingplätze zu verlassen.
 
Die Besucher hatten nach der Aufforderung das Gelände nach Augenzeugenberichten ruhig und geordnet verlassen. Dafür gab es auch Lob von der Polizei. Auf Twitter kursierten Videos, die singende Rockfans zeigen, die ganz offensichtlich auf dem Weg in ihre Zelte und Unterkünfte sind. Laute Gesänge sind zu hören: „Eins kann mir keiner nehmen, und das ist die pure Lust am Leben“, tönten die Zeilen der Band Geier Sturzflug.
 

Blitzschläge im Vorjahr

Es ist nicht das erste Mal, dass Rock am Ring unterbrochen werden musste, zuletzt wurde das Festival 2016 wegen Blitzschlägen und zahlreicher Verletzten nach dem zweiten Tag abgebrochen, nie jedoch wegen Terrorverdachts.

1.200 Beamte im Einsatz

Nach dem Anschlag auf ein Konzert in Manchester vor knapp zwei Wochen waren die Sicherheitsvorkehrungen beim Festival nochmals verstärkt worden. Gründliche Einlasskontrollen waren angekündigt, die Polizei mobilisierte mehr als 1.200 Beamte, die für die Sicherheit der Festivalbesucher sorgen sollen.
 
Trotz der Terrorwarnung beim Zwillingsfestival Rock am Ring gehen die Konzerte bei Rock im Park im bayrischen Nürnberg weiter. Die Zwillingsfestivals gehen mit denselben Bands, aber in anderer Reihenfolge über die Bühne.