Es schlug wie eine Bombe ein: am 25. Juni 1991 erklärten
sich Slowenien und Kroatien vom gesamtjugoslawischen Staat los – der
Balkankrieg begann. Die jugoslawische (von Serben dominierte) Bundesarmee
marschierte daraufhin in beiden Ländern ein. Slowenien profitierte dabei davon,
dass die Soldaten erst durch kroatisches Gebiet mussten und konnte sich nach
zehntätigem Kampf die Freiheit von Jugoslawien erkämpfen. Damals schickte auch
das österreichische Bundesheer Soldaten an die österreichisch-slowenische
Grenze, ein jugoslawisches Kampfflugzeug wurde in Klagenfurt zur Landung
gezwungen.
Heute erinnert sich kaum wer an
dieses auch für Österreich maßgebliche Ereignis, will man sich offenbar gar
nicht mehr erinnern. Jugoslawien – das waren die Gastarbeiter, billiger Urlaub
am Meer und Cevapi. Bauhackler, Installateure und Maler, die uns halfen, die
Republik reicher zu machen. Und die Gastarbeiterstrecke, wo sich sommers
riesige Blechlawinen über die nur teilweise vorhandene Südautobahn wälzten, um
heim zur Familie zu fahren. Für uns waren das alles die Jugos, weniger höflich
auch Tschuschen genannt, die nach Hause fuhren.
Für uns bedeuteten die folgenden
Jahre der Zuzug/die Flucht von hunderttausenden Jugoslawen und „Nachbar in
Not“. Für die Menschen in dem Vielvölkerstaat bedeutete es aber viel, viel
mehr. Flucht vor ethnischen Säuberungen, Freiheitsbestrebungen gegenüber einem
erdrückenden Regime, wo die Serben dominierten. Sie hatte die meisten hohen
Ämter im Staat und der Armee inne, während die anderen Ethnien für die
Produktivität des Landes zuständig waren.
Seit dem Tode von Josip Broz, auch Tito genannt, waren die Spannungen unter den Landesteilen gestiegen. Josip Broz selber hatte in seinem Leben viel mitgemacht: als Oberwachtmeister der k.u.k. Armee im Ersten Weltkrieg erlebte er die Besetzung Serbiens im Jahre 1915 und deren Begleiterscheinungen mit, geriet in russische Kriegsgefangenschaft und wurde dort von der Idee des Kommunismus angesteckt. Im Königreich Jugoslawien gab es für ihn keine politische Heimat und nach dem Angriff Hitlerdeutschlands im April 1941 formierte er eine Partisanenarmee, die den deutschen Besatzern einen jahrelangen, gnadenlosen Krieg lieferte, der wiederum durch ethnische Säuberungen, Vergeltungsmaßnahmen und Vertreibungen gekennzeichnet war. Nach dem Krieg wurde er Vorsitzender der jugoslawischen kommunistischen Partei und herrschte bis 1980 über das Land. Sein Nachfolger, Slobodan Milosevic schlug einen anderen, nationaleren Kurs ein. Seine Devise: „Die Serben kämpfen für euch, ihr arbeitet für sie !“ führte vermehrt zu Spannungen.
Sie entluden sich an diesem 25.
Juni 1991.
Die Folgen sind bekannt. Der
jugoslawische Bundesstaat zerbrach in den Kriegen mit Kroatien (1991-95),
Bosnien (1992-95) und dem Kosovokrieg (1999), bei dem sogar die NATO aktiv
eingriff. Der Einsatz von Blauhelmen konnte den Bürgerkrieg nicht verhindern,
im Gegensatz, in ihrem Beisein geschah das Massaker von Srebrenica. Dafür und
für viele andere Gräueltaten und ethnische Säuberungen mussten sich die
verantwortlichen Politiker und Generäle später in Den Haag verantworten. Einige
von ihnen werden bis heute gesucht.
Slowenien und Kroatien sind heute
unabhänige Staaten in der EU Gemeinschaft, Bosnien ein in sich zerrissenes
Land, in dem Bosnier, Kroaten und Serben in ihren eigenen Gemeinschaften leben,
der Kosovo de facto von der UNO besetzes Land, welches von den Serben aufgrund
der historischen Bedeutung noch immer beansprucht wird und Serbien selber
langsam auf den Weg in die Normalität. Der Preis dieses Krieges waren etwa
150.000 Tote wobei die Zahlen umstritten sind. Die Zahl der Vertriebenen ist
nicht genau beziffert.
Einen anderen Weg ist Mazedonien
gegangen, welches sich am 19. November 1991 für unabhängig erklärt hatte und
von Serbien nicht angegriffen wurden. Dort versuchte die albanische Minderheit
2001 einen Aufstand, der allerdings unter vielen Opfern niedergeschlagen wurde.
Der letzte Verbündete der Serben,
Montenegro erklärte sich am 2. Juni 2006 für unabhängig, damit verloren die
Serben den letzten Zugang zur Adria. Bei Ausbruch des Jugoslawienkrieges
1991/92 votierten in einem Referendum noch 96% der montenegrinischen Wähler für
einen Verbleib bei Jugoslawien aus. Die Regierung Dukanovic versuchte in den
späten 1990er Jahren erstmals eine Loslösung, da sie mit dem Verhalten Serbiens
im Balkankrieg nicht einverstanden war und hätte dies 2002 fast erreicht, wobei
die EU damals heftigen Druck gegen eine Abspaltung Montenegros erzeugte, dem
die montenegrinische Regierung nicht standhielt. 2006 war es dann soweit.
Im restlichen Europa haben diese
Kriege zwischen ehemals zusammenlebenden Völkern eher wenig Resonanz ausgelöst,
auch in Österreich weiss der Durchschnittsbürger eher weniger darüber. Und
wenn, dann denkt er nur in „Gut“ und „Böse“ Kategorien. Doch so einfach ist die
Sache am Balkan (das Wort selber ist türkischen Ursprungs) nicht und wird es
auch in den nächsten Jahrzehnten nicht sein. Egal ob Serbien jetzt zur EU kommt
oder nicht.