Donnerstag, 25. Dezember 2014

Szalasi und seine Pfeilkreuzler

Die Pfeilkreuzler, auch Hungaristen genannt, waren die Anhänger einer unter verschiedenen Bezeichnungen von 1937 bis 1945 bestehenden, faschistischen und antisemitischen Partei in Ungarn. Ihr Parteiführer war Ferenc Szálasi. Mit Unterstützung des Dritten Reiches errichteten die Pfeilkreuzler vom 16. Oktober 1944 bis zum 28. März 1945 in den noch nicht von der Roten Armee besetzten Teilen Ungarns eine faschistische Regierung, unter der mehrere zehntausend Menschen ermordet wurden.
Die verschiedenen aufeinanderfolgenden Regierungen unter dem konservativen Reichsverweser Miklós Horthy verfolgten keine einheitliche Linie gegenüber rechtsextremen Tendenzen im Land. Die von Ferenc Szálasi gegründeten Parteien wurden zwar wiederholt verboten, eine Neugründung unter anderem Namen wurde jedoch nicht verhindert. Szálasi hatte als Gründungsmitglied in folgenden Parteien eine tonangebende Funktion:
  • 1935–1937: Partei des Nationalen Willens (ungarisch: Nemzeti Akarat Pártja, kurz NAP); gilt als Vorgängerpartei der Pfeilkreuzler, wurde von der Regierung unter Kálmán Darányi am 16. April 1937 per Staatsdekret verboten
  • 1937–1938: Ungarische Nationalsozialistische Partei (ungarisch: Magyar Nemzeti Szocialista Párt, kurz MNSZP); wurde vom Innenminister József Széll am 21. Februar 1938 mit der Begründung aufgelöst, sie sei identisch mit der bereits verbotenen NAP
  • 1938–1939: Nationalsozialistische Ungarische Partei – Hungaristische Bewegung (ungarisch: Nemzeti Szocialista Magyar Párt – Hungarista Mozgalom, kurz NSZMP – HM); wurde am 23. Februar 1939 verboten, und am 15. März 1939 unter dem Namen
  • Pfeilkreuzlerpartei – Hungaristische Bewegung (ungarisch: Nyilaskeresztes Párt – Hungarista Mozgalom, kurz NYKP) neu gegründet. Diese Partei nahm an den Wahlen im Mai 1939 teil.
Nachdem der ungarische Innenminister Ferenc Keresztes-Fischer der Gömbös-Regierung die Verwendung des Hakenkreuzes im September 1933 verboten hatte, verbreiteten sich neue Symbole in der florierenden rechtsnationalen Parteienlandschaft Ungarns. Die zahlreichen Gruppierungen, Splittergruppen und Kleinstparteien wurden unter häufig wechselnden Namen von "Parteiführern" meist in Form von Ein-Mann-Unternehmen betrieben.
Das grüne Sensenkreuz (kaszáskereszt) wurde zum Symbol der "Nationalsozialistischen Ungarischen Arbeiterpartei" (Nemzeti Szocialista Magyar Munkáspárt) von Zoltán Böszörmény, das ebenfalls grüne Pfeilkreuz (nyilaskereszt) zum Symbol der "Ungarischen Nationalsozialistischen Bauern- und Arbeiterpartei" (Magyar Nemzeti Szocialista Földmüves és Munkás Párt) von Zoltán Meskó. Die Anhänger der jeweiligen Gruppierungen wurden in der Umgangssprache als Sensenkreuzler (kaszások) bzw. Pfeilkreuzler (nyilasok) bezeichnet. Die Pfeilkreuzler glaubten, in ihrer Symbolik auf ein Banner von König Ladislaus I. zurückzugreifen. Szálasi verwendete erst nach dem Zusammenschluss verschiedener Splittergruppen und Parteien ab 1937 das Pfeilkreuz-Symbol in analoger Weise zum Hakenkreuz-Symbol der NSDAP.
Laut Stanley Payne stand Ungarn von allen europäischen Staaten der Zwischenkriegszeit, was die Zahl faschistischer, halbfaschistischer oder rechtsradikaler Bewegungen anging, gemessen an seiner Bevölkerung an der Spitze. Payne erklärt dies dadurch, dass Ungarn erstens wegen seiner territorialen und demographischen Verluste nach dem Ersten Weltkrieg der national am stärksten benachteiligte Staat Europas war. Zweitens war Ungarn das zweite Land gewesen, das kurze Zeit von einer revolutionären kommunistischen Diktatur, dem Regime von Béla Kun vom Jahr 1919, regiert wurde. Drittens hatte das Land, gemessen an der eingeschränkten Entwicklung seiner Sozialstruktur, eine große unbeschäftigte Mittelklasse, in der sich viele Verfechter einer solchen Politik fanden.
Während der Wirtschaftskrise wucherten in Ungarn neue politische Organisationen faschistischen Typs, die oft den Namen „nationalsozialistisch“ trugen. Eine winzige Nationalsozialistische Partei war schon in den zwanziger Jahren entstanden. 1931 gründete Zoltán Böszörmény eine Nationalsozialistische Ungarische Arbeiterpartei, deren Mitglieder nach ihrem Emblem als Sensenkreuzler bezeichnet wurden. Sie versuchte, das ursprüngliche soziale Programm der Nazis in Ungarn einzuführen, und wandte sich besonders an landlose Landarbeiter. 1933 gründete man drei neue nationalsozialistische Parteien. Die einzige die in landesweitem Rahmen besondere Aktivitäten entfaltete, waren Böszörménys Sensenkreuzler, die mit ihrer früheren Landarbeiterorientierung den 1. Mai 1936 als Datum eines Umsturzversuchs wählten. Dieses Unternehmen scheiterte, ihr Führer floh ins Ausland und 87 seiner Anhänger wurden vor Gericht gestellt und zu Haftstrafen verurteilt.
Die einzig nennenswerte faschistische Bewegung Ungarns war die von Ferenc Szálasi gegründete Organisation der Pfeilkreuzler oder Hungaristen. Szálasi hatte bereits 1935 eine Partei des Nationalen Willens, die aber bei den Parlamentswahlen nur einen Kandidaten durchbrachte. Seine Partei war die erste, die sich vorwiegend auf städtische Gebiete konzentrierte. Im Sommer 1937 schlossen sich mehrere nationalsozialistische Parteien Szálasi an, und bildeten im Oktober eine allgemeine Ungarische Nationalsozialistische Partei. Die ungarische Regierung, die den Nationalsozialismus nun als wirkliche Gefahr betrachtete, ließ Szálasi und 77 andere Aktivisten im Februar 1938 verhaften. Am 1. August 1938 schloss sich eine weitere kleine Partei Szálasis allgemeiner Ungarischen Nationalsozialistichen Partei – Hungaristische Bewegung an, die man jetzt allgemein als Pfeilkreuzler bezeichnete. Der Parteigruß lautete „Kitartás!“ (deutsch: „Durchhalten!“).
Ein ehemals jüdisches Bürgerpalais (das heutige Museum „Haus des Terrors" in Budapest) auf der dicht begrünten Prachtallee – der Andrássy út – diente von 1939 bis 1944 unter dem Namen „Haus der Loyalität“ den Pfeilkreuzlern als Parteizentrale, inklusive Folterkellern in den Untergeschossen. Bei der ungarischen Parlamentswahl im Jahre 1939 erreichte die Pfeilkreuzlerpartei ihren größten Erfolg. Sie erhielt 900.000 Stimmen (rund 25 Prozent) und zählte 250.000 Parteimitglieder, war aber dennoch bis zum 15. Oktober 1944 nie an einer Regierung beteiligt, obwohl Ungarn im März 1944 von Deutschland besetzt worden war. In der Folge hatte das Eichmann-Kommando im Zusammenwirken mit den ungarischen Behörden und der Gendarmerie 470.000 Juden in dem vergrößerten ungarischen Staatsgebiet ghettoisiert und nach Auschwitz deportiert, die ideologische Unterstützung durch die Pfeilkreuzler war dabei nicht entscheidend.
Erst nachdem der Versuch der Regierung unter Reichsverweser Miklós Horthy, einen Separatfrieden mit den Alliierten zu schließen, gescheitert war, übernahmen die Pfeilkreuzler im Oktober 1944 nach einem von der deutschen Besatzung unterstützten Putsch die Führung einer Regierungskoalition. Es handelte sich dabei um das letzte Satellitenregime, das Hitler gründete, und erst das dritte, das direkt einer nationalen faschistischen Führung unterstellt wurde.
Mit ihrer Hilfe sollte nun die zweite von den Deutschen geplante Deportationswelle des Holocaust im November 1944 durchgeführt werden, in deren Folge noch 76.000 Juden deportiert wurden. Da jedoch die Transportmittel kriegsbedingt ausfielen, wurden die Juden zu Fuß auf Todesmärsche in Richtung österreichische Grenze geschickt. Zwei Drittel von ihnen kamen während der Todesmärsche, in Konzentrationslagern oder bei Schanzarbeiten ums Leben. Ende November wurden die Fußmärsche von Szálasi gestoppt, da er Transportmittel verlangte, mit denen die Juden deportiert werden könnten. Das endgültige Ende der Deportationen bedeutete allerdings keineswegs eine Entspannung der Lage für die ungarischen Juden. In Ghettos zusammengepfercht, wurden sie Opfer grausamster Gewalttaten marodierender Pfeilkreuzler.
Bereits gleich nach der Machtübernahme der Pfeilkreuzler im Oktober 1944 wurden tausende ungarische Juden am Ufer der Donau erschossen. Der ungarische Historiker Krisztián Ungváry spricht von 2.600 bis 3.600 Juden, die auf diese Art ermordet wurden. In ganz Budapest fanden Massaker statt, so z. B. am 12. Januar 1945 im jüdischen Krankenhaus in der Maros-Straße, als etwa 90 Ärzte von einem Pfeilkreuzlertrupp erschossen wurden. Ebenso wie in Kroatien taten sich einige Priester bei den Tötungen besonders hervor. So gab ein Pater Kun zu, er habe etwa 500 Juden ermordet. Gewöhnlich befahl er: „Im Namen Christi – Feuer!“ Auch Frauen beteiligten sich aktiv an den Massenmorden.
Bis zum Ende der Schlacht um Budapest und dem Kampf um Ungarn, nach welcher Ungarn vollständig von der Roten Armee besetzt wurde, sollen in Budapest insgesamt 50.000 Juden von der Nazi-Partei ermordet worden sein. Durch die Unterstützung der deutschen Behörden bei Erfassung, Sammlung und Deportation der ungarischen Juden in deutsche Konzentrationslager tragen die Ungarn und unter ihnen ideologisch federführend die Pfeilkreuzler die Mitverantwortung für den Tod von rund 500.000 ungarischen Bürgern jüdischer Abstammung.
Südlich des ungarischen Parlaments in Budapest, am unteren Donaukai, wurde ein Holocaust-Mahnmal des Künstlers Gyula Pauer in Zusammenarbeit mit dem Filmregisseur Can Togay errichtet: Schuhe am Donauufer. Auf einer Länge von 40 Metern wurden zum Andenken an die Erschießungen von 1944/45 sechzig Paar Schuhe aus Metall gereiht.





Ferenc Szálasi ['fɛrɛnʦ 'sa:lɒʃi] (* 6. Januar 1897 in Kaschau, Österreich-Ungarn, heute Slowakei; † 12. März 1946 in Budapest, Ungarn, hingerichtet) war ein ungarischer Offizier, faschistischer Politiker und Diktator Ungarns in der Endphase des Zweiten Weltkrieges.
Von 1937 bis 1945 war Szálasi der Parteiführer der Pfeilkreuzler. Vom 16. Oktober 1944 bis 28. März 1945 war er unter der Bezeichnung „Führer der Nation“ (ungarisch: „Nemzetvezető“) diktatorischer Regierungschef und zugleich Staatsoberhaupt in den noch nicht von der Roten Armee besetzten Teilen Ungarns und kollaborierte mit der deutschen Besatzungsmacht.
Unter der Regierung Szálasi wurde die zweite Deportationswelle des Holocaust in Ungarn durchgeführt und Todesmärsche organisiert. Außerdem wurden zehntausende Juden direkt in Budapest ermordet. Weiters begann nun auch die eigentliche Verfolgung der ungarischen Sinti und Roma, der ebenfalls tausende Menschen zum Opfer fielen. Auch hatte die Machtübernahme Szálasis zur Folge, dass der größte Teil der ungarischen Armee bis Kriegsende an der Seite des Dritten Reiches kämpfte, vor allem während der Schlacht um Budapest und der Plattenseeoffensive.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Szálasi 1946 in Ungarn als Kriegsverbrecher hingerichtet.

Szálasi stammte aus einer Familie mit armenischen, deutschen, ungarischen, slowakischen und russinischen Vorfahren. Er wurde an der Honvéd-Militärakademie ausgebildet und kämpfte im Ersten Weltkrieg. 1925 wurde er Generalstabsoffizier. Kurz darauf wurde aber Anklage wegen revolutionärer Betätigung gegen ihn erhoben, wodurch er aus der Armee entlassen wurde.
Szálasi war 1935 der Begründer der Partei des nationalen Willens, aus der 1937 die Pfeilkreuzler hervorgingen, eine nationalsozialistische Partei Ungarns, geführt von József Gera und dessen Sekretär Lajos Polgár. Als er wegen dieser politischen Tätigkeit 1937 für wenige Tage in Haft saß, wurde er zu einer populären Märtyrerfigur der nationalsozialistischen Bewegung Ungarns. Von 1938 bis 1940 verbüßte er eine weitere Haftstrafe.
Nach dem Sturz des Reichsverwesers Miklós Horthy wurde Szálasi im noch nicht von sowjetischen Truppen besetzten Landesteil von der deutschen Besatzungsmacht am 15. Oktober 1944 zum Ministerpräsidenten erklärt.
In diesen Landesteilen wurde noch im November 1944 die jüdische Bevölkerung auf Todesmärsche gezwungen. Auf Befehl von Adolf Eichmann verlangten der deutsche Botschafter in Ungarn, Edmund Veesenmayer, und der SS-Vertreter Otto Winkelmann, am 17. Oktober 1944 vom neuen ungarischen Innenminister Gábor Vajna die Überstellung von „Leihjuden“ an das Deutsche Reich. Am 18. Oktober erklärte sich die neue Regierung unter Ferenc Szálasi bereit, dem Deutschen Reich bis Kriegsende weitere 50.000 jüdische Männer und Frauen als Arbeitssklaven für die Rüstungsindustrie zur Verfügung zu stellen. Insgesamt betrug die Zahl der bis zum 1. Dezember 1944 ausgelieferten „Leihjuden“ schließlich 76.209. Der größte Teil kam entweder auf dem Todesmarsch, in Konzentrationslagern oder bei den Schanzarbeiten am Südostwall ums Leben.
Weitere 50.000 Juden kamen in Budapest direkt durch die Mordkommandos des Szálasi-Regimes ums Leben.
Aus der von der Roten Armee belagerten Hauptstadt Budapest floh Szalasi mitsamt seiner Regierung nach Güns nahe Steinamanger an der Grenze zum Deutschen Reich. Als die Sowjets dann ganz Ungarn besetzt hatten, musste er weiter nach Westen, zuerst nach Wien, weiter durch Österreich, erreichte schließlich Tann (Niederbayern), wo er sich zusammen mit seiner Militärführung am 1. Mai 1945 der heranrückenden United States Army stellte. Szálasi und seine Mitstreiter wurden von den Amerikanern verhaftet und im selben Jahr an die ungarischen Behörden ausgeliefert.
Ferenc Szálasi wurde wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Zweiten Weltkriegs zum Tode verurteilt und zusammen mit Gábor Vajna, Károly Beregfy und József Gera am 12. März 1946 in Budapest öffentlich gehängt.