Gericht: Grazer Polizei
handelte "rechtswidrig"
WALTER MÜLLER
1. August 2014, 05:30
Löschen von Filmen auf
Kamera eines Demonstranten ist laut Gericht "gröblicher Eingriff"
Graz - So schnell
ändern sich Perspektiven: Letzte Woche wurde in Wien der deutsche
Anti-Akademikerball-Demonstrant Josef S. verurteilt, weil der Richter den
Aussagen eines Polizisten, der als Belastungszeuge auftrat, vertraut hatte.
Konträr verlief jetzt ein Prozess im Grazer Landesverwaltungsgericht, wo es
ebenso um die Folgen einer Demonstration - gegen den dortigen Grazer
Akademikerball im Februar - ging. Hier glaubte der Richter der Polizei kein
Wort und gab dem Demonstranten Max K., der sich wegen Polizeiwillkür beim
Verwaltungsgericht beschwert hatte, recht. Max K. hatte behauptet, ihm sei
während der Grazer Demo von einem Polizisten die Videokamera abgenommen und die
Filme gelöscht worden. Stimmt nicht, hatte die Polizei vor Gericht entgegnet,
die Kamera sei unter Transparenten gefunden worden, der Demonstrant müsse sie
wohl verloren haben. Es sei daran nicht manipuliert worden. Max K. hatte
allerdings den Datenforensiker Uwe Sailer engagiert und der IT-Experte, der in
Oberösterreich bei der Polizei tätig ist, hatte noch Reste der Daten sichern
können, die den Grazer Richter Erich Kundegraber offenbar überzeugten.
"Von der Polizei
gelöscht"
Sailer konnte anhand
von Film- und Tonsequenzen darstellen, dass die Kamera nicht auf den Boden
gefallen sein kann - wie von der Polizei behauptet -, sondern in einer Tasche
transportiert worden sei, zumal sehr nahe auch Funkverkehr zu hören war. Es sei
"ohne Zweifel erwiesen", dass die Kamera "von einem
Polizeibeamten abgenommen wurde und daraufhin sämtliche auf der Kamera
befindlichen Daten von der Polizei gelöscht wurden", und dies sei
eindeutig "rechtswidrig", befand Richter Kundegraber in seinem
schriftlichen Urteil, das jetzt dem STANDARD vorliegt.
"Verletzt
Grundrecht"
Die Abnahme der Kamera
und die Datenlöschung, die auch private Filme betroffen habe, seien ein
"absichtlicher, gröblicher Eingriff in das Privatleben" gewesen, ohne
triftigen Grund. Die gewählte Vorgangsweise sei zudem "von einem
präventiven Obrigkeitsdenken" geprägt und verletze "das Grundrecht
auf Privatleben", rügt der Richter und stellt allgemein fest: "In
einer demokratischen Gesellschaft muss es möglich sein, dass Amtshandlungen,
insbesondere im Rahmen der Sicherheitsverwaltung (in concreto bei
Versammlungen), filmisch festgehalten werden, dies auch unter Bedachtnahme
einer möglichen Überprüfung des Vorgehens der Teilnehmer und
Polizeibeamten". Das Innenministerium hat nun die Verfahrenskosten in der
Höhe von 1673,90 Euro zu bezahlen. In der Landespolizeidirektion Steiermark
hieß es auf STANDARD-Anfrage, es werde ein Einspruch überlegt, der Fall werde
aber in jedem Fall disziplinär intern geprüft. (Walter Müller, DER STANDARD,
1.8.2014)