Der Grundstein für die Leverkusener Ultra-Szene wurde im August 1989 mit der
Gründung des Bayer 04 Fanclubs "SOCCER BOYZ" gelegt, dem damals etwa 20
Mitglieder angehörten. Man gehörte seinerzeit zu den ersten dreißig Bayer 04
Fanclubs (heute sind es über dreihundert) und sollte dennoch nicht nur einer von
vielen sein. Vielmehr wurde eine völlig neuer Weg einschlagen. Es war der Beginn
der Ultra-Kultur in Leverkusen und ein Grundstein für die Entwicklung einer bis
dahin in Deutschland völlig neuen Art des Fandaseins.
Ein Jahr nach der Entstehung entwickelten sich jedoch bereits unterschiedliche
Interessen, was bedingt durch diese völlig neue Art des Fanlebens schon fast in
der Natur der Sache lag. Ein Teil der Mitglieder spaltete sich mit Gründung des
Fanclubs "MADNESS" ab, der sich 1990 schon sehr am Ultra-Geschehen in den
südlichen Ländern Europas orientierte. Man produzierte eigene Fanartikel, ging
zivil gekleidet ins Stadion und sorgte mit neuem Liedgut und Transparenten für
Aufsehen. Damals war diese Art des Auftretens im Stadion natürlich noch völlig
unbekannt und sorgte für reichlich Aufmerksamkeit in jeglicher Hinsicht. Man
stand im Fokus von Kutten, Hools, Polizei, Ordnerdienst, Presse und Verein und
musste natürlich tausendfach erklären, wer man eigentlich ist und was man damit
bezwecken will. Da die Gangart früher beim Fußball ohnehin wesentlich härter war
als heute, musste man sich seine Position ungleich schwerer erkämpfen, als das
für neue Ultragruppierungen in der Gegenwart oder in der jüngsten Vergangenheit
der Fall ist.Heute muss man sich nur als Gruppe durchsetzen, früher war es die gesamte
Stilrichtung, die Akzeptanz finden musste. Im Laufe der Zeit wurde aber klar,
dass man gemeinsam mehr erreichen kann und so bündelte man die Kräfte und wuchs
wieder mehr und mehr zusammen.
Im Jahre 1994 wurde dann schließlich die offizielle Wiedervereinigung gefeiert.
Aus "MADNESS" und "SOCCER BOYS" wurden die "MAD BOYZ". Man zog aus dem
traditionellen C-Block aus und ließ sich im benachbarten Sitzplatzbereich
nieder, von wo aus nun versucht wurde die „Kurve“ zu animieren. Durch zahlreiche
Pyroshows und selbst hergestellte Großschwenkfahnen zog man die Blicke auf sich.
Die Reunion der "MAD BOYZ" konnten nicht zuletzt deshalb, gerade in den ersten
Monaten, einen regen Zulauf verbuchen.
Natürlich wollte man keine neue Fankultur erfinden, sondern zugegebenermaßen dem
nacheifern, was man damals so schön als südländische Begeisterung betitelte und
aus Ländern wie Italien, Frankreich oder Yugoslawien (das es damals noch gab)
aus dem TV oder Zeitschriften wie „Supertifo“, „Tribine“ usw. kannte. Diese
waren dann auch immer ein begehrtes Mitbringsel von Hoppingtouren aus diesen Ländern und
selbstgeschossene Fotos von Pyroshows oder Choreografien sorgten für steigendes
Interesse und Begeisterung an dieser Art des Fandaseins. Da das Internet noch
nicht in heute bekannter Form zur Verfügung stand und auf diesem Wege dieses
Interesse noch in keinster Weise befriedigt werden konnte, tauschte man mit
Ultras aus anderen Ländern Fotos und Collagen auf dem Postweg oder versuchte so
auch an deren Artikel wie Schals oder Aufkleber zu gelangen. Manchmal konnte man
sogar eine VHS-Videokassette ergattern, die diese in Deutschland noch unbekannte
Atmosphäre in bewegten Bildern ins heimische Wohnzimmer brachte.
Zu dieser Zeit stand die Ultra-Bewegung in Deutschland noch in den Kinderschuhen
oder hatte noch gar nicht richtig begonnen. Die erste große Choreographie gab es
dann 1994 beim UEFA-Cup Spiel gegen den italienischen Vertreter AC Parma, als
mit Hilfe eines Sponsors tausende kleine Schwenkfahnen verteilt wurden.
Angezogen von dieser völlig neuen Art der Fankultur bildeten sich 1996 zwei
weitere Ultra-Gruppen: Die "SUPPORTERS" und die "VIKING", die aus dem 1994
gegründeten Bayer-Fanclub "WIKINGER" entstanden. Zu keinem Zeitpunkt gab es
Konflikte zwischen den einzelnen Gruppen, sondern versuchte fortan gemeinsam die
Ultrakultur voranzutreiben. So gab es im gleichen Jahr auch die erste
Choreographie, die von uns ganz unabhängig von Verein oder Sponsoren inszeniert
wurde. Beim Spiel gegen den FC Bayern München wurden auf der ganzen Nordtribüne
(in der Zwischenzeit zum Fanblock geworden) rote
und schwarze Folien hochgezogen, was sogar dem damaligen SAT1-Reporter staunend
lobende Worte abgewinnen konnte („Das Ulrich-Haberland-Stadion – was war es
früher für eine „graue Maus“ – Heute ist davon nichts mehr zu spüren und man
fühlt sich fast nach Italien versetzt“ oder so ähnlich…), da es so etwas bis
dato in Deutschland noch nicht gegeben hatte.
Mit der Zeit konnte man auch andere Bayer-Fans und selbst die Fanbetreuung von
dieser neuen Art des Fandaseins überzeugen und so wurde auf Initiative der "MAD
BOYZ" der "Arbeitskreis Stimmung" ins Leben gerufen. Nach den bisherigen
Pyroaktionen, die vielen Leuten Stadionverbote einbrachten, sollte dadurch nun
die Organisation von großen Choreographien erleichtert werden. Der „AK“ bestand,
und besteht heute noch, zum größten Teil aus Personen, die der Ultrá-Szene
zuzuschreiben sind und wurde ergänzt durch weitere Interessierte und aktive
Bayer-Fans. Die erste Aktion, die vom „AK Stimmung“ geplant und durchgeführt
wurde, gab es dann 1996 im Derby gegen den 1. FC Köln. Die rund 5.000 roten und
schwarzen Papptafeln, die beim Einlaufen der Mannschaften hochgehalten wurden,
ergaben ein beeindruckendes Bild. Da solche Aktionen nicht auf Dauer aus der
eigenen Tasche bezahlt werden konnten, suchte man sich andere Wege um die
Finanzierung zu sichern, jedoch ohne dabei von Verein oder Sponsoren abhängig zu
werden. Aus
diesem Grund wurde auf einem Meeting aller Fanclubvorsitzenden der Vorschlag
unterbreitet, dass sich alle Fanclubjahreskarteninhaber an den Aktionen
beteiligen und einen Jahresbeitrag von fünf Mark in diese „Stimmungskasse“
einzahlen sollten. Dieser Vorschlag wurde mit großer Mehrheit von den Fans
angenommen.
1998 kam dann eine weitere Gruppe dazu, die sich
der Ultramanie verschrieben hatte: Die "YOUNG BOYS". Anfangs wegen ihres
Durchschnittsalters noch nicht ganz so ernst genommen, zogen sie fest
entschlossen ihre Sache durch und wurden schnell ein fester Bestandteil der
Leverkusener Ultra-Szene und zählen heute zu den führenden Gruppen.
Leverkusen ist eine kleine Stadt und wir haben im
Vergleich zu anderen Vereinen auch eine relativ überschaubare Fanszene. Was sich
im ersten Moment nicht unbedingt positiv anhört, kann aber auch alles andere als
ein Nachteil sein, da man sich so untereinander besser kennt und somit auch der
Zusammenhalt automatisch größer wird, was gerade in den 90ern der Fall war. Der
Gemeinschaftssinn von Kutte, Hool, Ultra und Normalo wurde durch diese
Underdog-Situation immer wieder gestärkt. Dazu kam, dass man sich nicht nur am
Wochenende im Stadion sah, sondern so gut wie jeden Tag seine Zeit mit
Gleichgesinnten verbrachte, was natürlich auch zusammenschweißt. Weiterhin sehr
wichtig für die Entwicklung unserer Ultra-Szene war meiner Meinung nach, dass
wir immer für Nachwuchs offen waren, diesen jedoch sehr beäugt und wenn es sein
musste auch bei diversen Ausschweifungen direkt zurück in die Spur geholt haben.
Da die Mitglieder der verschiedenen Fanclubs auch den größten Teil ihrer
Freizeit neben dem Fußball gemeinsam verbrachten, verschwand immer mehr die
Aufteilung der einzelnen Gruppen und es kam das Gefühl auf, dass wir alle
zusammen die "ULTRAS LEVERKUSEN" sind.
Dieser Gedanke verfestigte sich so, dass in der Saison 1999/2000 ein gemeinsamer
„Ultra-Block“ im ehemaligen Fanblock C gebildet wurde. Der
Support innerhalb dieses Blocks konnte sich dann auch sehen lassen, doch leider
verflachte gleichzeitig auch die Stimmung im restlichen Fanbereich. Zu Beginn
der Saison 2000/2001 wurde deshalb der Weg zurück in die Nordkurve gewählt.
Durch eine Beschränkung der Jahreskartenanzahl innerhalb der Fanclubs, konnten
allerdings zu dieser Zeit keine neuen Mitglieder in den ursprünglichen
Ultra-Fanclubs aufgenommen werden, was die Gefahr einer Stagnation der
Leverkusener Ultrakultur aufflackern ließ. Da sich in Leverkusen aber inzwischen
viel mehr Leute dem Ultra-Gedanken verschrieben hatten, wurden zum
Rückrundenstart die "ULTRAS LEVERKUSEN" offiziell als fanclubübergreifende
Organisation aktiver Bayer-Fans gegründet. Die "UL" stellte nun einen Sammeltopf
für alle Ultras in Leverkusen, egal aus welchem Fanclub, dar. Oberstes Ziel war
es, auch die neueren Leute (oder selbst ganze Fanclubs) mehr in die Szene zu
integrieren.
Durch die überaus erfolgreiche Saison 2001/2002,
die u. a. im Erreichen des Championsleague-Finales gipfelte, erlebte die
Leverkusener Fanszene im allgemeinen, aber auch die Ultraszene im Speziellen
einen regelrechten Boom, der aber durch die zu geringe Stadionkapazität und vor
allem die fehlende Fluktuation im Fanbereich durch total ausgeschöpftes
Jahreskartenkontingent gebremst wurde, was später noch zum Problem für die
Weiterentwicklung der Fanszene werden sollte. So wurde seit dieser Zeit seitens
der Fanbetreuung versucht, wenigstens einige wenige Aktive aus anderen Bereichen
des Stadions in die Nordkurve zu integrieren. Im Zuge dessen entstanden
beispielsweise 2002 die „FANATICS“ und 2003 das „NORDKAOS“ als weitere
ultraorientierte Gruppen.
Mit den „WESTSIDEBOYZ“ 2005 und dem „FARBENSTADTINFERNO“ 2006 kamen zwei weitere
Gruppen hinzu, die wohl am ehesten die aktuelle Ultrakultur in LEV verkörpern
und mit zu den Aktivposten innerhalb der Szene gehören.
Doch auch außerhalb des Fußballalltags stand man als Gruppe immer wieder für
Verein und Stadt ein. Ganz besonders hervorzuheben ist hier sicherlich die
Initiative zur Rettung des Wahrzeichens der Stadt im Jahre 2008. Unter dem Motto
„Das Kreuz muss bleiben“ konnte man sich letztendlich erfolgreich gegen den
geplanten Abriss des Bayerkreuzes als größte Leuchtreklame der Welt zur Wehr
setzen. Weit über 20.000 Unterschriften und unzählige Aktionen in der Stadt und
im Umland konnten die Verantwortlichen schlussendlich zur Erhaltung dieser
Landmarke überzeugen.
Das Jahr 2009 war sicherlich absolut prägend in der Geschichte der Ultras
Leverkusen. Der Umzug nach Düsseldorf, der Aufgrund des Umbaus des heimischen
Haberland-Stadions notwendig geworden war und welcher uns sportlich tolle
Pokalabende und grausame Bundesligaspiele bescherte, schien für uns die größte
Herausforderung zu werden in diesem Jahr. Rückblendend betrachtet war dies eine
höchst wichtige Zeit für unsere Gruppe, aber auch für die aktive Szene in
Leverkusen, da hier aufgrund der vergrößerten Stadionkapazität unser
Zuschauerpotential optimal ausgeschöpft werden konnte. Zudem entwickelte sich
gerade unter den jüngeren Leuten durch gemeinsame Anreise zu den „Heimspielen“
mehr und mehr Zusammenhalt.
Im gleichen Jahr gab es jedoch auch einen ganz
tiefen Einschnitt in diese aufstrebende Entwicklung, nachdem es nach dem
Hinrundenderby massenweise Stadionverbote gegen unsere Fanszene hagelte. Hiervon
war eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern der UL betroffen, so dass die Zahl
unserer Mitglieder vor den Toren die Zahl derer, die noch ins Stadion durften
sogar überstieg. Wir sahen uns daher temporär nicht mehr in der Lage den „Motor“
der Nordkurve zu bilden und entschlossen uns zu dem Schritt über fast eine
gesamte Saison nicht mehr offiziell als Gruppe „Ultras Leverkusen“ im Stadion
aufzutreten, wobei natürlich jeder Einzelne dennoch im Rahmen seiner ihm
gegebenen Möglichkeiten Alles für unseren SVB und die Fanszene beisteuerte.
So bleibt an dieser Stelle noch einmal besonders
das Engagement gerade der Stadionverbotler an den Choreographien dieser
Spielzeit hervorzuheben, ohne dass diese ihr Werk persönlich im Stadion
miterleben durften.
Strukturell gab es vor einigen Jahren eine
wesentliche Änderung im Mitgliederkonzept, das nun vorsieht nicht mehr jeden in
die Gruppe aufzunehmen, sondern die Leute vorher auf Mentalität und
Einsatzbereitschaft zu prüfen und zu selektieren. Zudem ist eine Mitgliedschaft
erst nach der Vollendung des 16. Lebensjahres und nach positiver Beurteilung
eines Probejahrs möglich. Die Gruppe wird von sechs Vorstandsmitgliedern
geführt, des Weiteren werden einige weitere Mitglieder bei wichtigen
Entscheidungen hinzugezogen. Die Altersspanne beläuft sich von 16 bis 50 Jahren,
wobei der Altersdurchschnitt bei etwa 25 Jahren liegt. Der Großteil der
Mitglieder kommt aus dem Leverkusener Stadtgebiet oder den Nachbarstädten,
während sich nur ein kleiner Anteil auf das gesamte Bundesgebiet verteilt. Echte
Ballungszentren außerhalb des Rheinlandes gibt es allerdings nicht, so dass die
Gründung von offiziellen Sektionen hier wenig Sinn machen würde.