Freitag, 4. Juli 2014

Leni Riefenstahls eifriger Schüler ?



„Volks-Rock-'n'-Roller“ Andreas Gabalier
Hits mit Blut und Boden
Der Österreicher Andreas Gabalier singt über Heimattümelei und sexuelle Anzüglichkeiten – und tourt damit durch Deutschland.
 Er nennt sich „Volks-Rock-’n’-Roller“, trägt Elvis-Tolle zur Krachledernen und mischt Versatzstücke aus alpenländischer Volksmusik und Fünfziger-Jahre-Schlager mit Elementen aus Rock- und Popmusik.
Andreas Gabalier, geboren im österreichischen Graz, ist längst auch im deutschen Mainstream eine große Nummer. Nachdem er gemeinsam mit Xavier Naidoo, Sarah Connor, Roger Cicero und anderen Stars zum Cast der TV-Show „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ gehörte, ist der 29-Jährige zurzeit auf Tour und spielt in ausverkauften Open-Air-Arenen. Heimattümelei, Sehnsucht nach der guten alten Zeit, nach althergebrachten Werten, sexuelle Anzüglichkeiten – in dieser Reihenfolge gestaltet er seine Songs.

Wer beim „Volks-Rock-’n’-Roller“ genauer hinhört, bemerkt, dass es jenseits der harmlosen Nostalgie und Liebe zum Dorf auch um Blut-und-Boden-getränkte Ideologie und rigide Identitäten geht, völkische wie sexuelle. Aber Gabalier bereitet sie so massenkompatibel auf, dass seine Musik im Service-Radio gespielt wird.

Leni-Riefenstahl-Bildsprache

2011 veröffentlichte der Österreicher beim Majorlabel Universal Music sein Album „Volks-Rock-’n’-Roller“. Das Coverfoto benutzt Leni-Riefenstahl-Bildsprache und zeigt den Sänger in einer Körperpose, die an das Hakenkreuz erinnert. Gewollte Provokation? Oder vielleicht gar ernst gemeintes Statement?
Weder deutschen noch österreichischen Medien – „Volks-Rock-’n’-Roller“ platzierte sich in Deutschland auf Platz fünf der Album-Charts, in Österreich ging es auf eins – war Gabalier eine Erwähnung wert. Einzig die Wiener Tageszeitung Standard titelte „Der Junge und das Kreuz“ und setzte sich in einem Text kritisch mit zwei Textstellen aus Gabalier-Songs auseinander: „Mein Bergkamerad“, in dem die Kameradschaft beim Bergsteigen besungen wird, „die ein Männerleben prägt wie ein eisernes Kreuz“. Und ein Verweis auf die Achsenmächte des Zweiten Weltkriegs in dem Stück „Biker“: „Herz haben wir ein gesundes / Italiener, Deutsche und Japaner grüßen tun wir uns“.

Erst vor Kurzem sorgte Gabalier zum ersten Mal für einen Skandal. Beim Formel-1-Grand-Prix im steirischen Spielberg weigerte sich der Sänger, die österreichische Nationalhymne in ihrer gebräuchlichen Textfassung zu singen: „Heimat großer Töchter und Söhne“ sang Gabalier also in seiner Urform – „Heimat bist du großer Söhne“ – und erntete damit nicht nur Kritik der österreichischen Grünen, sondern auch höchstes Lob vom Rechtsaußen FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache.
Auch die Frauensprecherin der FPÖ, Carmen Gartelgruber, gab dem Star Rückendeckung: Gabalier habe „einem Großteil der Frauen aus dem Herzen gesprochen, die mit den Minderheitenideen der linken Emanzen wenig anfangen können“.

„Minderheiten“ und „linke Emanzen“ sind gewiss nicht die Zielgruppe des volksverbundenen Schmierenrockers, der von Frauen in seinen Songs konsequent als „Damen“, „Dirndln“, „Madln“ spricht.

Musik für die „Normalen“

Gabalier schielt mit seiner Musik auf die breite Masse, die Mitte, die „Normalen“. Für die fühlt er sich zuständig, ihr „gesundes Volksempfinden“ liegt Gabalier am Herzen. Die österreichische Nationalhymne, per Gesetzesbeschluss im Nationalrat geändert, werde er auch künftig in ihrer alten Form singen, das Parlament sei nicht „das Volk“, und die Mehrheit lehne die neue Fassung ab, ließ er mitteilen. Dazu passt, dass Gabalier zeitlich nach dem ESC-Sieg von Conchita Wurst mit der Nationalhymne und ausgerechnet mit der Auslassung der neuen Textstelle, die holprig, aber eben doch, die „Töchter“ des Landes würdigen will, auf einmal Wind macht.


Für Aufsehen haben seine Blut-und-Boden-Texte („Meine Heimat“, „Heimatsöhne“, „Vergiss die Heimat nie“) und das Hakenkreuz-Cover schon seit Längerem gesorgt, aber erst in Kontrast zur erfolgreichen Weltoffenheit und zur libertären Sexualität als Zeichen für ein anderes Österreich kann er sich nun als Gegenspieler zu Wurst behaupten.


Im Unterschied zur spielerischen Irritation des Transvestiten ist bei Gabalier die Welt in Ordnung. Besser, in der Weltordnung der dreißiger Jahre, nach der ein Mann ein Mann, eine Frau ein „Madl“ und das Geschlechterverhältnis bodenständig, natürlich und vor allem natürlich dominiert ist: „Weil sie wissen, was wir für Männer sind.“, „Für an gstandnen liabm Buam tät sie anfoch olles gebm“, „Fesche Madl brauchn flotte Buam, hollero / zum Zuwadruckn, Liabm und zum Gspiarn / Wei ma euch bussln wenns es brauchts“.


Gabalier geht raffinierter zu Werke als der reaktionäre volkstümliche Musiker-Bodensatz. Er ist nicht nur ein Provokateur, der mit faschistoider Ästhetik mehr Aufmerksamkeit bekommt. Versteckt in der vermeintlichen Harmlosigkeit gemütlicher Schunkelei, betreibt Andreas Gabalier auch punktgenau die Anrufung einer Rückkehr in den Schoß der Heimat.

Berg-Alm-Wiesen-Buabn-Dirndl-Seligkeit

Mit seiner Mischung aus pseudonatürlichen Geschlechterrollen und übertriebener Heimatliebe stellt er die alte nationalsozialistische Gleichung von Geschlecht und Volk aufs Neue her; im Unterschied zum aggressiven Nazirock kommt Gabalier dabei allerdings ohne Feindbilder aus. In seiner Musik konzentriert er sich auf das vermeintlich Positive und hat damit großen Erfolg. Weil es nichts gibt, gegen das angegangen würde, keine offensichtliche Hetze, sondern „nur“ pseudonaives Bejubeln von Berg-Alm-Wiesen-Buabn-Dirndl-Seligkeit, wurde Gabaliers ernst gemeinte Blut-und-Boden-Terminologie bisher geflissentlich übersehen.



Die kommerziell erfolgreiche nationalsexuelle Bewegtheit von Gabaliers Ständchen ist gerade in ihrer Detailtreue für eine sich selbst ja nie als extrem, sondern immer als harmlos und natürlich verstehende Mitte akzeptabel. Gabalier ist ihr Resonanzkörper, ihr Volksempfänger.