........vor
genau hundert Jahren ereignete sich das Attentat von Sarajewo, bei dem der
österreichisch-ungarische Thronfolger Franz Ferdinand von Habsburg-Lothringen
und seine Gattin Sophie Chottek, Gräfin zu Hohenberg (die Ehe war nicht standesgemäss
aber eine der seltenen Liebesheiraten im Hause Habsburg) vom serbischstämmigen
Studenten Gavrilo Princip erschossen wurden. Es war der Höhepunkt einer Welle
von Attentaten und Plänen zur Wiedereingliederung Bosnien-Herzegowinas in das
aufstrebende Königreich Serbien. 1908 hatte die Habsburgermonarchie dieses
vorher unter türkischer Herrschaft stehende Land annektiert, womit sie
automatisch mit Serbien in Konflikt gerieten. Fünfzehn Jahre zuvor, 1903 waren
die Beziehungen beider Länder durchaus freundschaftlich geprägt, mit der
Ermordung von König Aleksander Obrenovich und seiner Gattin änderte sich
dieses. Der Sohn Milans I. (seines Zeichens der erste König des jungen, 1878
entstandenen Staates Serbiens) war der k.u.k. Monarchie freundschaftlich eingestellt,
was die serbisch-nationalistischen Kräfte störte. Vor allem die
Geheimgesellschaft „Schwarze Hand“
– offiziell hiess die Verbindung „Vereinigung oder Tod“ – stand dem Regenten
feindlich gegenüber und ermordete ihn schliesslich 1903. Mit seinem Tod bekamen
die panslawistischen Kräfte Russlands ein Übergewicht über die liberale Politik
seiner Vorgänger. Damit gerieten sie automatisch in Konflikt mit der
Habsburgermonarchie, sie sich seit den Türkenkriegen und der Befreiung des
Balkans von der osmanischen Herrschaft als „Hausmacht am Balkan“ sah. Der
Zankapfel war Bosnien Herzegowina, welches seit 1878 unter der Verwaltung der
Habsburger war. Im sogenannten Berliner Kongress wurde dies zwischen Russland,
dem Osmanischen Reich, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Österreich-Ungarn
und Deutschland festgelegt. Damit haben sich die späteren Hauptakteure des
Ersten Weltkrieg zum letzten Mal über die Aufteilung Europas gütlich geeinigt.
Die nächste Aufteilung wurde bereits gewaltsam versucht.
Nach der Annexion
Bosnien-Herzegowinas 1908 durch Österreich-Ungarn begannen die
nationalistischen proserbischen Kräfte Bosniens mit Umsturzplänen. 1910
scheiterte ein Attentatsversuch auf den kaiserlichen Statthalter, der
Attentäter verfehlte General Varesanin von Vares und tötete sich selber. Manche
Quellen behaupten seither, dieses Attentat habe den jungen Schüleer Gavrilo
Princip dazu bewogen, selbst aktiv zu werden. Er wandte sich an die Bewegung „Mlada Bosna“ (Junges Bosnien) einer
nationalistischen Jugend- und Studentenbewegung, die Verbindungen zum
Königreich Serbien unterhielt. Inwieweit diese Verbindungen reichten konnte bis
heute nicht vollständig geklärt werden, einige Quellen behaupten, dass der
serbische Geheimdienst selbst der Finanzier dieser Bewegung gewesen sei.
Schlüssig geklärt werden konnte dies aber nie, da die Hauptprotagonisten
allesamt während es Krieges starben oder hingerichtet wurden. Danach war das
Interesse an einer historischen Aufklärung in Serbien nicht allzu gross,
Princip wird dort als Nationalheld gefeiert. Seit gestern, Freitag (den 27.
Juni 2014) steht in Ost-Sarajewo ein Denkmal Princips. Faierweise muss man
dazusagen, dass ein Grossteil der (muslimischen) Bevölkerung darin eine
Provokation sieht, für sie ist Princip bis heute ein Terrorist.
Aber auch dies stimmt nicht so
ganz zum Bild des jungen Schülers, der – wie so viele junge Menschen überall in
Europa – von einer schwärmerischen Heimatliebe erfasst war, die die
herrschenden politischen Kräfte nutzten, indem sie Nationalstolz zur
Durchsetzung ihrer territorialen Ansprüche einsetzen. Letztendlich war der „Mörder des Friedens“ auch nur ein williges
Werkzeug grossmachtbessessener Fürsten. Geschickt wurde der (TBC)kranke Mann
indoktriniert und auf das Attentat hin
konditioniert. Mit Erfolg wie das Attentat auf den österreichisch-ungarischen
Thronfolger bewies.
Und dies trotz der Tatsache, dass
Franz-Ferdinand befehlswidrig in Sarajevo war, ursprünglich sollte er nur die
Sommermanöver in Bosnien beaufsichtigen, ein Besuch in der Stadt war nicht
vorgesehen und auch vom Kaiser nicht genehmigt. Deshalb waren auch die
Sicherheitsvorkehrungen, vor allem die Beiziehung von Polizei und Militär nur
sehr oberflächlich – eine ideale Möglichkeit für Attentäter. Und diese nutzten
sie auch. Zwei Bombenattentate scheiterten (beim ersten kam der Attentäter
Muhamed Mehmetbasic nicht nahe genug heran, der zweite Nedelko Cabrinovic
verwechselte das Auto) ehe Princip zufällig zur Ausführung gelangte. Aus kurzer
Distanz schoss er zweimal und traf das Thronfolgerpaar tödlich. Er wurde
gefasst und sagte später aus, dass sein zweites Ziel eigentlich General
Potiorek galt, er diesen aber verfehlte.
Alle drei Attentäter sowie drei
weitere Helfershelfer wurden gefasst, vier zu lebenslanger Haft verurteilt –
sie waren noch nicht volljährig – und drei am Würgegalgen hingerichtet.
Cabrinovic, Grabez und Princip überlebten den Krieg nicht, sie starben in der
Haft in Theresienstadt. Mehmetbasic überlebte den Krieg und kehrte nach Bosnien
zurück.
Was waren die unmittelbaren
Reaktionen auf das Attentat ? – In Wien war man über das Ableben des
Thronfolgers zunächst nicht sonderlich schockiert, waren doch er und seine „Belvedere Bagage“ am Hof ungern gesehen.
Seine Idee eines trialistischen Systems unter besonderer Berücksichtigung der
Kroaten stiess auf heftigen Widerstand am Hof.
In Serbien waren die Reaktionen verhalten:
Ministerpräsident Pasic war durch einen Informanten innerhalb der „Schwarzen Hand“ wohl über Attentatspläne
unterrichtet, konnte sie jedoch nicht öffentlich machen ohne sich selbst zu
gefährden – manche Quellen behaupten auch, er wollte dies nicht und werteten es
als Zustimmung und Unterstützung des Attentats. Nachgewiesen konnte dies jedoch
nicht werden.
Die Stimmung in Österreich-Ungarn
schlug jedoch bald um und der Kaiser suchte Rückendeckung bei den Deutschen,
die berühmte „Hojos Mission“ brachte
als Ergebnis den Blankoscheck Deutschlands zur Klärung der Balkanfrage
zugunsten Österreich-Ungarns. Durch widersprüchliche Informationen gelangte man
am Kaiserhof auch zu der Überzeugung, dass die serbische Regierung der Urheber
des Attentats gewesen sei, die im Königreich Serbien aktive und anerkannte „Narodna Odbrana“ (Volksverteidigung) als
Milizeinheit ein Relikt der Balkankriege hätte die Hilfestellung zur
Durchführung geleistet. Auch die offenherzige und kritische Presse Serbiens
wurde als provokant empfunden, da sie immer wieder darauf hinwies, dass die
Attentäter die österreichisch-ungarische Staatsbürgerschaft hatten und aus der
österreichisch-ungarischen Provinz Bosnien kämen. Diese sachliche Richtigkeit
stiess in Wien und Budapest sauer auf.
Inzwischen suchte die serbische
Regierung ihrerseits nach Rückendeckung und fand sie im Russischen Reich. Zar
Nikolaus unterstützte die Bestrebungen des kleinen Nachbarn auf territorialer
Vereinigung mit allen südslawischen Völkern – damit geriet er natürlich auch in
die Gegnerschaft Österreich-Ungarns und Deutschlands – damit begannen aber auch
automatisch die Bündnismechanismen in Europa zu wirken. Einzig Italien hielt
sich aus seiner Verpflichtung innerhalb des Dreibundes und blieb in der Sache
neutral.
Angestachelt von der Bündnisverpflichtungserklärung Deutschlands fuhr
Österreich-Ungarn immer schwerer Geschütze auf die im Ultimatum vom 23. Juli 1914
gipfelte und unannehmbare Forderungen stellte. Sollte Serbien diese erfüllen
gäbe es die eigenstaatliche Integrität auf. Erwartungsgemäss tat es das nicht:
Vom Semliner Ufer aus (heute Zemun) eröffnete österreichisch-ungarische
Artillerie, unterstützt durch drei Donaumonitore das Feuer auf die Festung
Kalimegdan. Der Erste Weltkrieg hatte begonnen.