Europa League Michael Litschka, 26.08.2012."Hier sprechen die Heimkehrer aus Saloniki!"
Zwei Berichte von Fans, die in Griechenland Furchtbares erlebten.
In den Rapid-Sektor flogen Aschenbecher und mehr.
Der Wiener Fußballblog hat mit Fans gesprochen, die das Spiel und die Vorkommnisse hautnah miterlebten. Der Erste, Markus, ist ein Individualreisender und langjähriger Rapid Anhänger, der bereits Mittwoch nach Saloniki aufgebrochen ist. „Ein Freund und ich fuhren am Mittwoch früh mit dem Auto nach Budapest und nahmen dort den Flieger nach Saloniki. Dort angekommen sind wir mit dem Taxi direkt in unser Hotel gefahren, um danach gleich einmal die Lage zu checken. Die Hitze forderte ihren Tribut und so entschieden wir uns, zurück ins Hotel zu gehen, entspannen und später zu einem Treffpunkt in einem Lokal zu fahren, um sich mit anderen Grünen zu treffen. Leider konnten wir nicht zum Treffpunkt kommen und erfuhren aus diversen Foren, dass es die ersten Probleme mit PAOK Fans gab. Somit kann ich zu den ersten Vorkommnissen nichts sagen, da wir nicht dabei waren.“
„Am Anfang alles ohne Zwischenfälle“
„Donnerstag begaben wir uns zum Weißen Turm, um die Tagesflieger in Empfang zu nehmen. Im Park rund um den Treffpunkt postierten sich gleich zu Beginn die ersten griechischen Zivilpolizisten. Später wurden es immer mehr und auch die ersten PAOK Späher waren zu sehen. Die Busse der Tagesflieger kamen an und wir machten uns auf den Weg in eine Bar/Cafe Ecke Promenade/Aristoteles Platz. Hier alles ohne Zwischenfälle. Gemütliches Essen, gepflegte Unterhaltungen, einfach herrlich. Wir waren alle sehr relaxed, sozusagen tiefenentspannt. Danach kurzer Zwischenstopp im Hotel, um frisch und munter Richtung allgemeinem Treffpunkt zu gehen, wo wir uns wieder in ein Lokal am Eck beim Weißen Turm platzierten. Dort waren natürlich sehr viele Grüne aber auch Touristen und auch Griechen.“
Messerattacke auf Rapid-Fan
„Innerhalb von 30 Minuten wurde aber alles anders. Wir saßen ca. fünf Meter neben dem Schauplatz, als es losging und wir schreie hörten. Ich sprang auf und drehte mich um und sah, wie Stühle, Tische, Gläser und Flaschen flogen. Griechen standen auf der Straße beziehungsweise dem Gehsteig vis a vis. Keine Ahnung wie viele es waren. Nach ein paar Minuten war alles wieder vorbei, die in Scharen herbeigelaufenen Grünen hatten die Griechen vertrieben/abgewehrt und die nun anwesende Riotpolice versuchte mit Schlagstockeinsatz uns zum Weißen Turm zu treiben (also nur über die Straße). Direkt davor wurde ein Grüner behandelt, welcher zuvor von einem Messer (laut ihm selbst ein Kebapmesser) am Unterarm gestochen wurde. Kleine Wunde, aber geblutet wie Sau. Die Polizei wollte die Helfer und auch das Opfer (liegt auf einer Wiese am Boden) von dort vertreiben, was lautstarke Proteste auslöste und fast eskalierte. Die herbeigerufene Rettung half dann und später traf ich denjenigen wieder im Stadion und wir unterhielten uns ausführlich. Es ging ihm gut.“
Knüppeleinsatz der Polizei
„Die nächste Aufregung dann auf dem Platz vor den Bussen: An einer Stelle war eine zwei Meter hohe Beton Trennwand und ein kleiner Durchgang. Auf Grund der Vielzahl an anwesenden Grünen teilte man sich in der Breite auf und somit mussten einige durch dieses Nadelöhr. Als es den Polizisten nicht schnell genug ging, drängten sie nach und setzten auch ihre Schilder und Knüppel ein, um die Menge durchzuquetschen. Uns gelang es zwischen den Polizisten durchzuschlüpfen und auf der anderen Seite (die breit und offen war) zurück in die Masse zu gelangen. Aufgrund von Geschiebe, Gedränge und wiederkehrenden Schlagstock Drohungen zwängten wir uns zwischen Fans und Hundertschaftwagen noch vorne und plötzlich waren wir in den ersten Reihen. Markus von UR half dabei, sehr ruhig und besonnen, die anwesenden Fans in die Busse zu verteilen, wobei immer nur 50 vorgelassen wurden, da jeder vor dem Einsteigen perlustriert wurde. Die Qualität dabei war sehr unterschiedlich. Ich konnte alles behalten bzw. wurde nicht alles gefunden andere mussten Feuerzeuge, Trinkflaschen usw. abgeben. Ich hatte einen Fensterplatz und konnte dadurch alles im Detail sehen, was vor dem Stadion passiert ist. Die Anfahrt war noch relativ ruhig und auch überraschenderweise zügig bis eben der erste Bus am Stadion ankam.“
„Wir wussten, was passieren wird!“
„Es flogen Steine, Bengalen, Leuchtstifte, Raketen und auch der erste Molotow explodierte, und zwar genau zwischen Bus 1 und Bus 2. Zum Glück habe ich im Bus noch gesagt, dass Molotows und Pyro fliegen und die Leute von den Fenstern weggehen sollen. Dass die Molotows ein Loch in den Asphalt gesprengt haben ist, ehrlich gesagt, Blödsinn. Wir mussten dort aussteigen, wo er explodiert ist und da war weit und breit kein Loch im Asphalt. Allerdings hundert andere Dinge. Der beißende Geruch von Tränengas machte jedem zu schaffen und war für diejenigen, die Tränengas noch nie gespürt/gerochen haben, sicherlich unerträglich. So nun zu den Kontrollen am Stadion: Der Reisepass wurde kontrolliert, und zwar bei allen, wo ich es sehen konnte. Und zwar sehr penibel. Der Rest war dafür lächerlich und, bei mir zumindest, nicht vorhanden. Also kein Wunder, dass Gegenstände in unseren Sektor gelangen konnten. Ich habe schon vor der Reise befürchtet und davor gewarnt, dass wir angegriffen werden, deshalb war ich über diese Zustände nicht verwundert. Aus diesen Gründen und wegen den Vorkommnissen am Weißen Turm beschloss ich, dass wir uns im Block in der letzten Reihe platzieren werden. Ich wusste, was passieren wird, und hatte den Platzsturm schon Wochen zuvor angekündigt.“
„Wurden von PAOK Fans bespuckt und beschossen“
„Warum? Weil ich seit 30 Jahren auswärts fahre und vorbereitet bin und entweder in den Ländern oder den Klubs schon Spiele gesehen habe oder mich eben anders vorbereite. Die Szenen im Stadion kann man ja auf allen Videos sehen und im Detail möchte ich nicht darauf eingehen, sondern nur kurz skizzieren. Auf dem Weg zu den Sitzplätzen (auch der Weg zu den WC´s) wurde jeder von den „Familien“ im Gate 7 mit Materialien, verbal, oder mittels Speichel bzw. anderen Flüssigkeiten attackiert. In diesem Block befanden sich ca. 150-200 gewaltbereite Althools/ Alt-Ultras von PAOK die an den Zäunen hingen und von Ihrer Tribüne (bzw. waren fünf bis sechs von Ihnen auf dem Podest bei der Anzeigentafel) gemütlich auf uns herab spucken und gestikulieren konnten.“
Die Situation eskaliert
„Ja richtig gehört/gelesen, wir mussten unter ihnen durch bzw. direkt neben ihnen vorbei ohne jeglichen Schutz. Die Mannschaft wurde frenetisch angeschrien und motiviert, als sie den Platz betrat. Jedoch war der erste offiziell angestimmte Schlachtruf einem befreundeten griechischen Klub gewidmet und ich war erschrocken darüber, dass 95% im Block lauthals mitschrien. Ich meine ich bin kein Kind von Traurigkeit aber nach dem zuvor erlebten dann dabei mitmachen zeugt auch nicht gerade von Intelligenz. Nach dieser ersten „Provokation“ (deshalb unter Anführungszeichen, da es jeder wohl anders sieht) wurden schon die ersten PAOKs im Innenraum gesichtet, worauf hin die Situation innerhalb von Sekunden explodierte. Unsere begannen mit Raketen zu schießen und nachdem die Ersten auch gezielt auf die Nebenblöcke abgeschossen wurden, drehten die Griechen komplett durch.“
Beschuss mit Aschenbechern, Nägel, Eisenstangen und mehr
„Sechs Raketen wurden gezielt in die Nebenblöcke gefeuert (auch auf die Haupttribüne). JA, ich habe mitgezählt, weil ich darauf geachtet habe, was gerade durch die Lüfte fliegt, um mich im richtigen Moment zu schützen. In unserem Block landeten Bengalen, Leuchtspur, Bretter mit Nägeln drinnen, Eisenstangen, Zangen, Schrauben, Nieten, Flaschen, Aschenbecher. all diese Dinger habe ich selbst gesehen und einige auch in Bild festgehalten. Die Polizei ist eingeschritten (jedoch zuerst nur in unserem Block) und wir mussten uns im oberen Drittel und zentraler im Block zusammenpferchen. Keine Getränke, unerträgliche Hitze, kaum Sauerstoff, da wir so gedrängt zusammenstanden, und keine Möglichkeit zum WC zu gehen. Zuerst durfte man nicht lt. Polizei, danach wurde man von PAOK Affen, die am Zaun standen/hingen attackiert.“
Auch Frauen wurden attackiert
„Und um Spekulationen zu beenden: JEDER wurde attackiert! Der Hardcorefan genauso, wie die Frauen und Familienväter die ihre Kinder zum WC brachten. Einige weibliche Fans hatten so viel Angst, dass sie sich verzweifelt an die Polizei wandten, um irgendwie aus dem Sektor zu kommen. Einige wurden dann über die Laufbahn zur Haupttribüne gebracht. Mittlerweile waren wir aufgrund der Flucht und des Gedränges und Geschiebes in der letzten Reihe angekommen, und zwar ganz links bei der Haupttribüne. Dort versammelten sich einige Frauen und auch zwei Kinder (1x mit Mutter und 1x mit Vater) welche durch das Tränengas kurz vor einem Kollaps standen. Manche mussten sich übergeben und die Angst war in den Gesichtern zu sehen.“
„Personen kollabierten und lagen am Boden“
„Ich hatte sofort die Bilder von der Heysel Tragödie im Kopf und versuchte die Gemüter zu beruhigen. Ich bat die Frauen und auch Kinder hinter uns Schutz zu suchen. Die ersten Personen kollabierten und lagen am Boden (zwei Personen habe ich selbst gesehen). Keine ärztliche Hilfe, kein Wasser, absolut NICHTS. Erst nach Intervention einiger besonnener Grünen bekamen sie dann Wasserflaschen. Ich möchte aber auch anmerken, dass die Polizisten in unserem Umfeld mehr als OK waren! Sie versuchten die Frauen zu beruhigen, teilten Ihr Wasser und waren wirklich verständnisvoll.“
„Nach dem Spiel kam es zu schweren Ausschreitungen“
„Komisch, dass es um einiges ruhiger wurde, als wir 1:0 in Führung gingen und es danach eigentlich wieder erträglich war. Jedoch nur bis zum Ausgleich. Ab diesem Zeitpunkt wurde es wieder bedrohlich und dies änderte sich bis ca. zwei Stunden nach Abpfiff nicht mehr. Die Althools im Gate7 provozierten durchgehend und zum Schluss schafften es auch fünf von ihnen in unseren Sektor zu gelangen, wurden jedoch von einem Polizisten und einem Ordner aufgefordert, diesen wieder zu verlassen. Auch die rund 50 Personen auf der Haupttribüne provozierten permanent und versuchten immer wieder das Tor zu öffnen (der Zaun war in diesem Bereich mit ca. fünf Meter zu hoch) jedoch ohne Erfolg. Bei Abreise der PAOK Fans kam es erwartungsgemäß zu schweren Ausschreitungen vor dem Stadion und man hörte die Detonationen von Tränengaskanistern bzw. Bomben. Hardcorefans von PAOK kamen immer wieder ins Stadion (Längstribüne) und provozierten bzw. marschierten in unsere Richtung, wurden aber von Ordnern abgehalten und über den Rasen bzw. Innenraum zu anderen Ausgängen gebracht. Zum Schluss wurden die Frauen im oberen Bereich mit Glasaschenbechern beworfen, welche zum Glück und nur sehr knapp ihr Ziel verfehlten.“
„Bus mit Steinen beworfen“
„Nach ca. zwei bis zweieinhalb Stunden konnten/durften wir den Sektor verlassen und wurden zum Flughafen gebracht. Auch da herrschte noch ziemliche Anspannung, da ich wusste, dass PAOK Tottenham Fans am Flughafen angegriffen hatte und Fenerbace Fans auf den Autobahnen attackiert wurden. Und wie sich herausstellte, war diese Befürchtung nicht unbegründet, da der erste Bus mit Steinen beworfen wurde und auf der Autobahn in der Nähe des Flughafens bei einer Brücke sämtliche Beleuchtungen „ausgefallen“ sind und auf der Brücke sehr viel Blaulicht zu sehen war. Wir entschieden uns mit dem Taxi wieder in unser Hotel zu fahren, da uns die Fahrt mit dem Bus nicht sonderlich sicher und intelligent erschien. Am Weg zurück wurde die Anspannung wieder größer, da man ja wieder durch „Feindesgebiet“ musste und unser Fahrer bei jeder Ampel mit den Fahrern der anderen Autos sprach. Wir haben nur Vienna verstanden und dies reichte schon für den ein oder anderen blöden Gedanken. Gut und ohne Zwischenfälle im Hotel angekommen, mussten wir das Erlebte verarbeiten. Der Freitag verlief reibungslos und am frühen Abend machten wir uns auf den Weg zurück nach Wien via Budapest.“
.Ein weiterer Rapid-Fan äußert sich ähnlich – wenn auch etwas kürzer – zum Thema Saloniki. Der junge Mann möchte allerdings anonym bleiben.
„Die Reise verlief eigentlich ohne Probleme ab und auch am Donnerstag war es lange vor dem Spiel ruhig. Erst beim Treffpunkt wurden einige von uns angegriffen, bei dem ein Rapidler sogar eine Schnittwunde erlitten hat. Die Abfahrt zum Stadion verzögerte sich dadurch, auch aufgrund der unfähigen und unorganisierten Polizei. Es wurden immer nur 50 Leute zu den Bussen durchgelassen und dann durchsucht. Wir mussten ungefähr eineinhalb Stunden im Bus ohne Wasser bei gut 40 Grad ausharren, bis es endlich zum Stadion ging.“
„Es waren keine Panathinaikos Fans bei uns“
„Die Fahrt zum Stadion war bis auf den letzten Kilometer gut. Es gab Polizeieskorte, Straßensperren und vieles mehr. Die Zufahrt zum Stadion führte dann nur durch enge Gassen, wo überall PAOK Fans standen und uns mit Beschimpfungen und Gesten empfangen haben. Gut 500 Meter vor dem Stadion wurden wir mit Molotowcocktails und anderen Gegenständen beworfen. Vor dem Stadion gab es noch die Passkontrollen, bevor es in unseren Sektor ging, wo geschlossen rund fünf Mal „Panathinaikos“ skandiert wurde. Auch die ersten Leuchtstifte kamen aus unserem Sektor. Fans von Panathinaikos habe ich in unserem Sektor keine gesehen.“
„Polizeigewalt war enorm“
„Danach ging es rund. Es flogen von den PAOK Fans Sitze, Stangen und Pyrogegenstände in unseren Sektor und auch die Polizeigewalt gegen uns war enorm. Allerdings nehme ich stark an, dass diese auch gegen PAOK enorm war, bei uns jedoch sicherlich etwas mehr. Die Situation war für rund fünf Minuten außer Kontrolle, ehe Tränengas abgefeuert wurde. Dann hat sich alles ein wenig beruhigt. Nach dem Spiel mussten wir sicher eineinhalb Stunden warten, ehe es dann zum Glück ohne Probleme zum Flughafen und zurück nach Wien ging.“