Mittwoch, 8. August 2012

Stammheim

Stammheim und die Todesnacht der RAF

Das Gefängnis (JVA) Stammheim ist eines von 17 im Bundestaat Baden-Württemberg und zwar das zweitgrösste. Am nördlichen Stadtrand von Stuttgart gelegen wurde es zum Verwahrort der Ersten Generation der RAF Terroristen ausgebaut. Im Hochsicherheitstrakt wurden im 7. Stock Zellen für Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Mohnhaupt, Jan-Karl Raspe, Ulrike Meinhof und Irmgard Möller angelegt, dazu noch Besucherzellen, in denen die Häftlinge mit ihren Anwälten (die dabei abgehört wurden) kommunizieren konnten. Trotz oftmals bekundeter strengster Sicherheitseinrichtungen konnten den Gefangenen schlußendlich jene Waffen ausgehändigt werden (bzw. wurden in Wandverstecken deponiert) mit denen sie später Selbstmord begangen haben. Bis heute ist die Rolle der Anstaltsleitung und der Aufseher in dieser Sache nicht geklärt, durften die Gefangenen doch Radios, Plattenspieler, elektronische Bauteile und anderes – heute vollkommen undenkbares – Equipment in den Zellen haben. Obgleich sogar „Experten“ des BKA mehrfach Kontrollen unternahmen, fiel es niemanden auf, dass die Radios so manipuliert waren, dass die Gefangenen von aussen Nachrichten empfangen konnten und mit den elektronischen Bauteilen eine Art „interne Kommunikation“ – Jan-Karl Raspe war ein begnadete Techniker – installiert hatten. Auch der jahrelange „Umschluss“ wäre heute im strengen Vollzug wohl kaum möglich gewesen. Dies wurde auch nach dem Selbstmord Ulrike Meinhofs, die sich am 9. Mai 1976 erhängte nicht geändert. Für die Gefangenen stand jedenfalls ab dem Zeitpunkt fest, Ulrike sei ermordet worden und auch sie selber stünden auf der Todesliste des Staates. Meinhof hatte sich mit einem in Streifen gerissenen Handtuch am Fenster ihrer Zelle erhängt, Fremdverschulden wurde in zwei Autopsien – einer offiziellen und einer von der Familie durchgeführten – ausgeschlossen. Meinhof wurde – ohne Gehirn, welches in Formalin gelegt und bis mindestens 2002 aufbewahrt und selektiert wurde – am 16. Mai 1976 in Berlin beerdigt. Der mit Rudi Dutschke befreundete Theologe Helmut Gollwitzer hielt die Trauerrede. Das Grab liegt im Feld A-12-19 am Friedhof der Dreifaltigkeitskirche III in Berlin-Mariendorf.
Die anderen drei Gründer der RAF starben in der Nacht vom 18. Auf den 19. Oktober 1977, als sie erfuhren dass die Entführung der Lufthansamaschine „Landshut“ nach Mogadischu durch Spezialkräfte der GSG 9 – einer Truppe die nach München 72 von Oberst Wegener auf Initiative von Bundeskanzler Schmidt aufgebaut wurde – blutig beendet wurde. Nachdem die Entführung von Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer im September 1977 offensichtlich nicht zum Erfolg geführt hatte – Schleyer befand sich immer noch in der Gewalt der RAF – hatte ein Kommando der PFLP die Maschine auf ihren Flug von Mallorca nach Frankfurt in ihre Gewalt gebracht und durch halb Afrika dirigiert. In Mogadischu war dann Schluss, die GSG 9 befreite die Geiseln.
Durch die umgebauten Radios wurden die vier Terroristen Baader, Ensslin, Möller und Raspe darüber informiert und beschlossen den Freitod. Gudrun Ensslin erhängte sich, Irmgard Möller versuchte sich mit einem Messer zu erstechen – sie überlebte als einzige die Todesnacht, Baader und Raspe erschossen sich mit eingeschmuggelten Pistolen. Bis heute vertritt der damalige Rechtsbeistand Ensslins, Otto Schily die Theorie, dass es sich um staatlich angeordneten Mord handelt, um weitere Freipressversuche zu unterbinden. Vor allem der Tod Baaders, der mit einem Genickschuss aufgefunden gab den Gerüchten Nahrung, während die Selbstmorde Ensslins und Raspes „logisch“ erschienen. Die überlebende Irmgard Möller – man rettete sie mit einer Notoperation – bestreitet allerdings bis heute die These des kollektiven Selbstmordes und spricht von staatlich angeordneten Mord. Bis heute konnten allerdings keine greifbaren Beweise für diese Mordtheorie gefunden werden.
Als Rache darauf wurde Schleyer am 19. Oktober von seinen Entführern mit drei Kopfschüssen hingerichtet. Der RAF Terror dauerte noch bis in die 90er Jahre und endete nicht wie erhofft mit dem Tod der vier wichtigsten Personen. Der Terror ging weiter.