Im Februar 2007 ereignete sich in Wien-Neubau einer der skurrilsten Banküberfälle: ein Mann mit einer Spielzeugpistole nimmt in einer Bankfiliale sechs Geiseln und verschanzt sich stundenlang - ohne irgendwelche Forderungen zu stellen. Derweil spielten Nachbarn draussen den EAV Hit "Ba-Ba-Banküberfall", mehrere russische Polizisten auf Lehrgang in Wien schauten vorbei und ein Reporter des Gratisblattes "Österreich" machte einen Telefonanruf. Die Geiseln wussten nicht was sie wollten, da der Geiselnehmer sich nur über fehlende Tschik und das versperrte Klo beschwerte. Es ging alles Gut aus. Hier die Berichte darüber:
39-JÄHRIGER WIENER VERSCHANZTE SICH IN BAWAG - MARIAHILFER STRASSE GLICH
FÜNF STUNDEN LANG EINEM HEERLAGE:
Geiselnehmer
hatte Spielzeugpistole
Bankräuber drohte, Geiseln zu töten.
Er stellte keinerlei Forderungen.
Polizei: "War eine Hochrisiko-Situation.
"Wien. Fünf Stunden lang glich die innere
Mariahilfer Straße am Dienstag einem Heerlager - dann war alles mit einem
Schlag vorbei: Jener offensichtlich psychisch labile Bankräuber, der sich ab 11
Uhr Vormittag mit zunächst sieben Geiseln in der Bawag-Filiale auf Nummer 22
verschanzt hatte, ergab sich kurz vor 16 Uhr mit der letzten Geisel. Vorher
hatte er sechs Personen nacheinander frei gelassen. Verletzt wurde niemand, die
Sperre der größten Wiener Geschäftsstraße sorgte jedoch für großes Aufsehen.
vom 27.02.2007,
18:19 Uhr | Update: 28.02.2007, 09:26 Uhr
Warum der 39-jährige Günther B., ein
arbeitsloser Wiener, beim Banküberfall zum Geiselnehmer wurde, ist noch nicht
restlos geklärt: "Da ist zufällig ein Polizeiauto mit Blaulicht vorbeigefahren,
und der hat geglaubt das gilt ihm und ist wieder zurück", berichtet eine
Augenzeugin.
Dies kann die Polizei nicht
bestätigen. "Wir müssen den psychischen Zustand des Mannes noch näher
untersuchen", erklärt Einsatzleiter Gerhard Haimeder. Denn der Täter habe
keinerlei Forderungen gestellt und habe auch sonst einen äußert sprunghaften
Gemütszustand gezeigt: "Da war von ruhig bis nervös alles dabei", so
Haimeder.
Als
Motiv für den Überfall nennen die Ermittler finanzielle Probleme, die dem
mehrfach vorbestraften Täter zu schaffen gemacht haben sollen.
Für
die Einsatzkräfte, die aus einem Großaufgebot von Cobra- und Wega-Männern
bestand, war es jedenfalls eine "Hochrisiko-Situation", wie Haimeder
erklärt: "Wir haben nicht gewusst, was geschieht, wenn wir ihn noch mehr
provoziert hätten. Er hat immer wieder gedroht, dass den Geiseln ,etwas
passieren wird." Letztlich habe man es aber geschafft, dem Täter eine
Geisel nach der anderen "herauszuverhandeln". "Letztlich hat er
durch die gute Arbeit der Polizei einfach aufgegeben."
Pistole täuschend echt
Was die Polizei vorher nicht wissen konnte: Der
Täter war lediglich mit einer Spielzeugpistole "bewaffnet". "Ein
täuschend echt aussehender Nachbau einer Pistole. Aber das merkten wir erst,
als er aufgab und mit erhobenen Händen herauskam", schildert Haimeder im
Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Zuvor
spielten sich auf der Einkaufsmeile, die um die betroffene Bawag-Filiale
großräumig abgesperrt war, tumultartige Szenen ab: "Auf einmal sind von
allen Seiten Einsatzfahrzeuge gekommen und alles war voller Bewaffneter und
Uniformierter", berichtet die Inhaberin eines nahen
Umstandsmoden-Geschäftes.
In
der unmittelbar an die Bank angrenzenden Filiale einer Schnellimbiss-Kette geht
es hoch her: Hier hat die Polizei ihr Hauptquartier aufgeschlagen. Es herrscht
ein hektisches Kommen und Gehen. Eine Reihe von Fahrzeugen, darunter ein
froschgrüner Schützenpanzer, beziehen entlang des Häuserblocks Stellung.
Während Scharfschützen umliegende Häuser besteigen, treffen überraschend
Bawag-General Ewald Nowotny und ÖGB-Chef Rudolf Hundstorfer ein - und
versuchen, beruhigend zu wirken.
Kurzfristig
für Verwirrung sorgen zwei Uniformierte in fremdländischen Militär-Tarnanzügen.
Die Gerüchte gehen hoch: Sind das Dolmetscher? Der Täter Ausländer? Letztlich
stellt sich heraus, dass die beiden Delegierte des russischen Innenministeriums
sind und an einer Cobra-Übung teilnehmen. Übungsannahme: Geiselnahme in einer
Wiener Schule. Nun bekamen sie lebendigen Anschauungsunterricht: Denn der
Täter, mit dem die Verhandler in regem Telefonkontakt standen, machte keine
Anstalten zur Aufgabe. Das Einzige, das er forderte, waren Zigaretten und
Getränke.
Ba-Ba-Banküberfall
Für Aufregung sorgten zwischenzeitlich einige
Scherzbolde, die aus einem gegenüberliegenden Haus mittels starker Stereoanlage
auch noch den "Ba-Ba-Banküberfall" der "Ersten Allgemeinen
Verunsicherung" durchs geöffnete Fenster dröhnen ließen - die Polizei
beendete diese Aktion.
Letztlich
steuerte die Geiselnahme ihrem guten Ende entgegen: Von den vier verbliebenen
Geiseln wurde eine um 14.20 Uhr und eine um 15.10 Uhr freigelassen. Um 15.58
Uhr verließ dann der Täter mit der Filialleiterin das Haus und wurde von den
Einsatzkräften sofort zu Boden gerissen. Erst danach entkam der letzte
Gefangene: Ein Kunde hatte sich im Obergeschoß eingeschlossen und war daher für
den Täter die ganze Zeit nicht greifbar: "Es war wie im Märchen: Der
Bankräuber und die sieben Geislein", scherzte ein Beamter nach dem
letztlich glimpflich beendeten Einsatz.
Kritik
setzte es hingegen für manche Medien: So hatte ein Reporter von
"Österreich" ausgerechnet in der heiklen Verhandlungsphase mit dem
Täter telefoniert - indem er in der Filiale anrief. "Das erschwert uns die
Arbeit, und es kann sein, dass etwas passiert, wenn der Geiselnehmer am
falschen Fuß erwischt wird", kritisierte Cobra-Chef Bernhard Treibenreif.
Telefonat mit einem Bankräuber"Willst
du eine Geisel sprechen?"
So einen Banküberfall
gab es noch nie: Die Geiseln bangten um ihr Leben, aus den Fenstern der
Nachbarn schallte "Ba-Ba-Banküberfall". Noch skurriler: Am Telefon
beschwerte sich der Geiselnehmer bei einem Journalisten über zugesperrte
Toiletten und fehlende Zigaretten.
Von Barbara Hans
02.03.2007, 17.54
Uhr
Hamburg - Günther B. ist in
Rage - er muss aufs Klo: "Jetzt passen Sie mal auf, Sie Märchenprinz. Ich
habe weder Zigaretten bekommen noch sonst irgendwas. Und jetzt muss ich noch
einmal anrufen, damit wir endlich aufs Klo gehen können. Das Klo ist nämlich
abgeschlossen." So lauten die Worte, die B. mit einem Journalisten austauscht
- während er eine Wiener Filiale der BAWAG-Bank
überfällt.
Doch
das Szenario der Geiselnahme ist noch viel absurder. Die Nachbarn des in einer
belebten Wiener Einkaufsstraße gelegenen Gebäudes sorgen für Soundtrack des
Verbrechens: Bis die Polizei interveniert, stellen sie die Boxen ihrer
Stereoanlage laut der Zeitung "Österreich" ins Fenster und spielen
einen der größten Hits der aus Österreich stammenden "Ersten Allgemeinen
Verunsicherung": "Ba- Ba- Banküberfall".
Auf
gesteigertes Interesse trifft die Geiselnahme laut der Zeitung auch bei einer
Delegation des russischen Innenministeriums. Die Beamtengruppe soll demnach auf
Einladung des österreichischen Innenministeriums bei einem
Geisel-"Trockentraining" in Oberösterreich teilnehmen. Da nun aber
zufällig in der Nachbarschaft eine reale Geiselnahme stattfindet, bleiben die
Russen gleich vor Ort und verzichten auf die Fahrt nach Oberösterreich.
"Sind Sie Geisel?"
Während sich all dies außerhalb des Gebäudes des BAWAG-Filiale
abspielt, klingelt drinnen das Telefon: Am Apparat ist Arpad Hagyo, Journalist
der Zeitung "Österreich": "Guten Tag, ich wollte mit dem Herrn
sprechen, der dort mit ein paar Leuten drinnen sitzt. Mit wem hab' ich die
Ehre?", hört man Hagyo fragen. "Ich bin Mitarbeiter der BAWAG",
antwortet die Stimme am anderen Ende der Leitung. "Verstehe. Das heißt Sie
sind Geisel?", hakt der Journalist nach. Nachdem der hörbar verunsicherte
Mitarbeiter dies bejaht, fährt Hagyo fort: "Könnte ich bitte den Herrn,
der Sie bedrängt, sprechen?" Es folgt das Gedudel der Tonbandschleife,
dann ist Günther B. am Apparat.
Für B. ist in dieser Situation zunächst die wichtigste Frage,
welcher Nationalität Hagyo ist - immerhin klinge sein Name nicht nach einem
österreichischen Staatsbürger. Als der Journalist daraufhin in einen breiten
österreichischen Akzent verfällt, scheint B. überzeugt. Nach anfänglichem
Geplänkel kommt B. auf sein scheinbar wichtigstes Anliegen zu sprechen: die
Problematik der abgesperrten Toilette. "Wieso ist die Toilette
abgesperrt?", fragt Hagyo. "Na weil sie halt zu ist", sagt B.
"Ist das normal dort?", fragt der Journalist weiter.
"Das ist nicht normal. Jetzt schieß ich da einmal hinein. Ich
kenn dich nicht. Wie heißt du? Willst du eine Geisel sprechen?" Der
Reporter fragt, wie es nun weitergehen werde. "Was heißt, wie es weiter
gehen wird? Woher haben Sie überhaupt die Nummer?", fragt der Geiselnehmer
hörbar angespannt. "Aus dem Telefonbuch", sagt Hagyo. "Das
gibt's doch nicht", zeigt sich B. empört. "Sicher", antwortet
der Journalist. Offenbar trifft die Antwort nicht den erwarteten Tonfall B.s:
"Was heißt hier 'sicher'? Wie redest du denn mit mir? Das heißt
'ja'." "Ja", antwortet Hagyo. "Das hört sich schon besser
an", erwidert der Geiselnehmer. Dann hört man nur noch das Tuten des
Telefons.
Hagyo selbst darf sich nicht zu dem Telefongespräch äußern
Die Aufzeichnung des Gesprächs
findet sich im Internet bei "Youtube". Wie das Tonband hier
her gelangte, ist unklar. Arpad Hagyo selbst äußerte im Gespräch mit SPIEGEL
ONLINE, dass er auf Anweisung seiner Vorgesetzten keine Auskünfte mehr zu
diesem Thema geben dürfe. Gert Edlinger, Geschäftsführer des redaktionellen
Bereichs von "Österreich", stand SPIEGEL ONLINE heute nicht für eine
Stellungnahme zur Verfügung.
Hagyo ist für das Telefongespräch, das zunächst von
"Österreich" selbst online gestellt worden war, aber inzwischen von
der Seite entfernt worden ist, heftig kritisiert worden. Das österreichische
Magazin "Datum" hat am Mittwoch ein Interview mit dem Journalisten
geführt. Er habe sich "lediglich ein Bild" von der Situation in der
Bank machen wollen und die Telefonnummer sei nicht von der Polizei gesperrt
worden: "Ich habe lediglich eine Festnetznummer angerufen, die im
Telefonbuch steht", zitiert ihn die Zeitung.
Er sei überrascht gewesen, mit dem
Geiselnehmer selbst sprechen zu können. Zu seinem persönlichen Eindruck von der
Situation sagt er: "Ich hatte das Gefühl, dass der Mann es sehr auf
Provokation angelegt hat, es war ein ungutes Gefühl. Er hat versucht, mich in
ein Geplänkel zu verwickeln und runterzumachen." Durch sein Handeln, meint
Hagyo, habe er sich anders als die Journalisten beim Geiseldrama von Gladbeck
aber nicht zu einem Komplizen des Geiselnehmers gemacht. "Ich kann Ihnen
nur sagen, dass meine Vorgangsweise nicht von Sensationshunger getrieben
war." Angesichts der Reaktionen, die sein Anruf ausgelöst hat, würde er
aber nicht wieder so handeln, zitiert ihn "Datum".
Telefonat
mit einem Bankräuber: "Willst du eine Geisel sprechen?" - DER SPIEGEL
ÖSTERREICH telefonierte mit dem Geiselgangster. Das
skurille Tonband-Protokoll.
Es ist ein Tonband-Protokoll der besonderen Art. Einem Reporter von ÖSTERREICH
gelang es, mit dem Geiselgangster zu telefonieren - als dieser noch in der Bank
war. Das Telefonat wirft ein bezeichnendes Bild auf die Psyche des Mannes. Hier
die Abschrift. Plus: Das Telefonat als Audio-Datei anhören.
ÖSTERREICH: Ich wollte mit dem Herrn sprechen, der
dort mit ein paar Leuten drinnen sitzt. Mit wem hab ich die Ehre?
Mitarbeiter: Mitarbeiter der Bawag.
Verstehe. Das heißt Sie sind Geisel?
Ja.
Was passiert jetzt gerade?
Wer sind Sie bitte?
Mein Name ist Hagyo von der Tageszeitung Österreich.
Na bitte jetzt nicht. Danke.
Könnte ich bitte den Herren, der sie bedrängt sprechen?
Von wem sind Sie bitte?
ÖSTERREICH.
(Lange Pause.) Ich verbinde Sie.
Danke sehr.
Geiselnehmer: Hallo.
Hallo hallo? Grüße Sie, mein Name ist Hagyo von der Tageszeitung Österreich.
Wia haaßen Sie?
Hagyo.
Und? Was san Sie für a Landsmann?
Österreicher.
Hagyo is ja ka Landsmann.
Dochdoch, glauben Sie mir.
Ok, und weida?
Na, i wollt fragen, wie geht’s Ihnen so?
Wie geht’s Ihna?
Mir geht’s ausgezeichnet.
Na sehn Sie.
Aber das ist jetzt nicht die Frage, ich habe gehört, Ihnen sind Zigaretten
geliefert worden.
Na, wir ham kane Zigaretten.
Sie haben keine Zigaretten gekriegt?
Na, des warn&.. Sind Sie von der Kronen Zeitung?
Nein, von ÖSTERREICH.
Pass auf amol. Jetz sog i da aans, Märchenprinz. I hob weder Zigaretten kriagt
no sunst wos. Ja?
Ja.
Und jetzat dann weama no amoi anruafa, dass ma endlich amoi auf Klo gehen
kennan. Weil's Klo is abgesperrt.
Wirklich? Wieso ist es abgesperrt?
Na weil's zua is. Wos haast, wieso is es ogsperrt?
Ist des normal dort?
Na des is net normal. Jetzt schiaß i da eini amol. Pass auf, i kenn di ned. Wie
haast du no amoi? Hodi, Hodi?
Hagyo
Wart, wüst a Geisl sprechen?
Na, i wollt fragen, wias jetz weitergehen wird.
Wos hast, wias weitergeht? Woher ham Sie die Nummer überhaupt?
Aus dem Telefonbuch.
Des gibt’s net.
Sicher.
Wos hast sicher? Wie redst’n mit mir? Das haaßt ja.
Ja.
Des huacht si besser an.
(Klack - aufgelegt.)"