Terroranschlag am Flughafen Wien
El Al, hier eine Boeing 747-200 der Gesellschaft, war das Ziel jenes Anschlages - Foto: Franz Zussner
Vor etwas mehr 28 Jahren ereignete sich der bislang einzige Terroranschlag auf einem österreichischen Flughafen. Kurz vor 9 Uhr Früh stürmten am 27. Dezember 1985 drei mit Handgranaten und Sturmgewehren vom Typ Kalaschnikow bewaffnete Männer die Abflughalle des Schwechater Flughafens im Bereich des heutigen „Terminal 2″ und griffen die beim El Al (Hebräisch: אל על) Schalter wartenden Passagiere an. Nahezu zeitgleich kam es am Flughafen von Rom ebenfalls zu einem Terrorangriff, bei dem 15 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt wurden.
Im darauf folgenden Feuergefecht am Flughafen Wien zwischen den Angreifern, die sich bei der zur Abflughalle führenden Treppe verschanzt hatten, der österreichischen Polizei und den bewaffneten Sicherheitsleuten der israelischen El Al, fielen über 200 Schüsse, drei Handgranaten und eine Rauchgranate detonierten.
Vor diesen Schaltern warteten die Passagiere des El Al Fluges nach Israel - Foto: Austrian Wings Media Crew
Dabei starben der Österreicher Ekkehard Karner und der Israeli Elias Jana, 39 weitere Personen wurden verletzt, 20 von ihnen schwer. Ein Polizist verhinderte durch seine Geistesgegenwart noch Schlimmeres, indem er eine scharfe Handgranate mit dem Fuß von der Menschenmenge „wegkickte”.
„Überall war Blut, die Schreie der Verwundeten durchdrangen den Flughafen, es herrschte absolutes Chaos”, erinnert sich ein Augenzeuge.
„Ich kann mich an einen Mann erinnern, der vor der Abflughalle mit einem Wirbeläulensteckschuss gelegen ist”, sagte Alfred Kaff, ehemaliger Chefarzt der Wiener Rettung in einem Interview mit dem ORF am 27. Dezember 2010.
Am 22. Januar 1986, knapp 1 Monat nach dem Anschlag, erlag dann die erst 26jährige Elisabeth Kriegler ihren durch Granatsplitter verursachten Verletzungen.
Diese Treppe stiegen die Angreifer hoch um ihren Anschlag zu verüben - Foto: Austrian Wings Media Crew
Blick von der Treppe, über welche die Terroristen in die Abflughalle gelangten, in Richtung der damals von El Al genutzten Schalter; von hier aus eröffneten sie das Feuer und warfen Handgranaten in die wartende Menge- Foto: Austrian Wings Media Crew
Blick in die Schalterhalle, 25 Jahre nach dem Anschlag; in diesem Bereich des Flughafens werden heute nur noch wenige Airlines abgefertigt - Foto: Austrian Wings Media Crew
Rechts im Bild, etwa auf Höhe des gelben Hinweisschildes, befindet sich der Abgang zu jener Treppe, von der aus die Angreifer das Feuer auf die Reisenden eröffneten - Foto: Austrian Wings Media Crew
Die Attentäter flüchteten nach dem Angriff mit einem gestohlenen PKW und konnten schließlich in Fischamend von der Polizei gestellt werden, wo es erneut zu einem Feuergefecht kam. In der Zwischenzeit waren dutzende Exekutivbeamte von umliegenden Dienststellen alarmiert und zum Flughafen befohlen worden.
Der Terrorist Abdel Aziz Merzoughi wurde bei diesem letzten Gefecht in Fischamend getötet, zwei weitere Angreifer, Mongi Ben Abdollah Saadaoui und Tawfik Ben Ahmed Chaovali, erlitten schwere Verletzungen und bekannten sich nach ihrer Einlieferung ins AKH Wien laut Wikipedia zur „Fatah-Splittergruppe Abu Nidals”. Diese Terrororganisation wird für mehr als 100 Anschläge in über 20 Ländern der Erde verantwortlich gemacht.
Die Attentäter von Schwechat wurden 1987 zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Tawfik Ben Ahmed Chaovali war im November 1996, rund 11 Jahre nach dem Attentat, an der Geiselnahme in der Justizanstalt Graz-Karlau beteiligt, wofür er eine Zusatzstrafe von 19 Jahren erhielt. Der zweite überlebende Terrorist, Mongi Ben Abdollah Saadaoui, wurde dagegen im Jahr 2008 im Alter von 58 aus der Haft entlassen, mit einem 10jährigen Einreiseverbot für Österreich belegt, und konnte anschließend nach Jordanien ausreisen.
Bei den Männern handelte es sich Informationen der Austria Presse Agentur zufolge „um palästinensische Flüchtlinge aus den Lagern Sabra und Schatila, die im Libanon für den Einsatz ausgebildet worden waren und sich in einer Einsatzbesprechung in der Schweiz versammelt hatten, bevor sie die zeitgleichen Anschläge in Wien und Rom durchführten.”
Die genauen Absichten der Angreifer konnten nie eindeutig geklärt werden - es wurde unter anderem vermutet, dass sie vorhatten, Israelis als Geisel zu nehmen und das Flugzeug der El Al über Israel in die Luft zu sprengen.
Anschlag nicht überraschendLaut Angaben ehemaliger Polizeioffiziere hatte sich der Anschlag bereits abgezeichnet, denn am 1. Mai 1981 wurde der Wiener Stadtrat und Präsident der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Heinz Nittel vor seinem Reihenhaus in der Hietzinger Bossigasse erschossen. Und im August 1982 kam es vor der Synagoge in der Wiener Innenstadt zu einem Terroranschlag: Zwei Männer warfen eine Handgranate auf die Synagoge und schossen aus Maschinenpistolen auf Besucher. Zwei Menschen starben, 20 weitere wurden verletzt. Einer der gefassten Attentäter gestand den Behörden später auch den Mord an Heinz Nittel.
Ein pensionierter Polizist gegenüber Austrian Wings: „Jeder wusste, dass noch etwas kommen würde, nur keiner wusste, was und wann. Am 27. Dezember 1985 wussten wir es dann schließlich.”
Wiederaufnahme des Flugbetriebes
Der Flugbetrieb wurde noch am gleichen Tag kurz nach 11 Uhr unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen wieder aufgenommen, während die Polizei den Flughafen und die Umgebung noch mehrere Stunden lang nach möglichen weiteren Terroristen absuchte.
Die Blutspuren sowie die Einschläge der Granatsplitter und Kugeln waren noch über mehrere Wochen sichtbar. Der Bereich des Anschlages blieb längere Zeit abgesperrt und ungenutzt.
Konsequenzen aus der Tragödie
Eine der Konsequenzen aus dem Anschlag war die Aufstockung und Vergrößerung der am Flughafen stationierten Polizeispezialeinheit „Kranich”, die unter anderem einen - mittlerweile ersatzlos ausgemusterten - Radpanzer Pandur erhielt. Bis die zusätzlichen „Kraniche” ausgebildet waren, versahen Polizisten aus umliegenden Dienststellen gemeinsam mit Mitgliedern dieser Sondereinheit Dienst am Flughafen und zeigten verstärkt Präsenz.
„Man hat die Polizei aufgerüstet, man hat die Kontrollen verschärft, man hat Mittel dazu bekommen, soweit sie vorhanden waren”, so der ehemalige Polizist Robert Sturm im ORF-Interview.
Ein anderer Polizist erinnert sich im Gespräch mit Austrian Wings:
„In den Wochen nach dem Anschlag wurden bei jedem Air France, El Al und Pan Am Flug mehrere Stunden zuvor schon die Flughafenautobahn und die Bundesstraße gesperrt. Jedes einzelne Fahrzeug haben wir kontrolliert.”
Der Check-in Vorgang für El Al Flüge nach Israel wird seither nicht nur durch eigenes Sicherheitspersonal permanent überwacht, sondern auch durch mit Sturmgewehren vom Typ STG 77 bewaffnete Polizisten der Sondereinheit „Kranich”, die sich in unmittelbarer Nähe der Check-in Schalter aufhalten und so im - seit jenem Schicksalstag vor 25 Jahren glücklicherweise nicht mehr eingetretenen - Ernstfall sofort eingreifen können.
Ebenfalls als Reaktion auf den Anschlag wurde ein großer Teil des damals noch vorhandenen Besucherdecks geschlossen.
Und - heute eine Selbstverständlichkeit auf internationalen Flughäfen - nach dem Anschlag erhielt Wien eine Flughafensanität, die rund um die Uhr mit einem Notarzt und anderem medizinischen Personal besetzt ist.
http://noev1.orf.at/stories/489520