Hinweise für das Verhalten in einem „Polizeikessel“
...gegeben in der Hoffnung, dass sie heute abend nicht gebraucht werden: In den
letzten Jahren ist es im Rahmen der Abwicklung von Demonstrationen (zB gegen den #WKR-Ball) immer wieder vorgekommen, dass
die Wiener Polizei größere Gruppen von KundgebungsteilnehmerInnen mit einem
dichten Kordon umringt, den Kordon in weiterer Folge geschlossen und die
solcherart umringten Personen am sofortigen Verlassen dieses „Kessels“
gehindert hat. Die in diesem „Kessel“ befindlichen Personen wurden in weiterer
Folge aufgefordert, Ihren Ausweis vorzuweisen und ihre Daten von Beamten
registrieren zu lassen, die dabei erhobenen Daten wurden des öfteren für die
Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren genutzt. Fallweise kam es auch zur
Druchsuchung von Personen und / oder mitgeführten Gepäckstücken. In der Regel
wurden die in dem „Kessel“ befindlichen Personen danach anstandslos frei
gelassen. Dabei geschah es aber mehrfach, dass diese Prozedur mehrere Stunden
lang (!) dauerte, weil nur ein oder zwei „gates“ errichtet wurden, an denen
Beamte diese Identitätsfeststellungen / Durchsuchungen vornahmen, obwohl ersichtlich
war, dass zahlreiche Personen bereit waren, Ihren Ausweis vorzuzeigen, um den
„Kessel“ verlassen zu können. Das bewusste, absichtliche Verzögern dieser
Identitätsfeststellungen durch die Polizei und die dadurch bedingte längere
Anhaltung vor Ort kann aber einen – unter Umständen rechtswidrigen! - Entzug
der persönlichen Freiheit darstellen. Für viele in solchen „Kesseln“
befindliche Personen ist der – manchmal stundenlange! – Aufenthalt jedenfalls
sehr unangenehm, beängstigend oder beunruhigend. Um einen solchen Aufenthalt
für alle Beteiligten so erträglich wie möglich zu gestalten, aber auch, um
unter Umständen später Rechtsschutz zu erlangen zu können, beachten Sie bitte
folgende Hinweise:
1.: Bleiben Sie unter allen
Umständen ruhig, gelassen und gewaltfrei. Bewahren Sie Ihren Humor! Bleiben Sie
achtsam gegenüber den Menschen rund um Sie herum!
2.: Wenn Sie hören, dass die
Polizei eine Kundgebung für „aufgelöst“ erklärt und / oder die TeilnehmerInnen
auffordert, diese oder einen bestimmten Ort zu verlassen, begeben Sie sich
zügig an einen anderen Ort, sofern das noch möglich ist.
3.: Wenn Sie wahrnehmen,
dass sich ein „Kessel“ bildet, begeben Sie sich zügig an einen anderen Ort,
sofern das noch möglich ist. Dokumentieren Sie, wenn möglich (mit handykamera,
schriftlich oder anders), ob eine Durchsage der Polizei zu hören war/ ist, und
wenn ja, welche!
4.: Wenn Sie sich in einem
„Kessel“ wieder finden: Bleiben Sie höflich gegenüber allen Polizeibeamten!
Befolgen Sie, wenn möglich, ihre Anweisungen – diese Beamten tun nur ihren Job,
sie führen Befehle aus, die sie sich nicht selber ausgedacht haben! Beruhigen
Sie andere Personen in einem „Kessel“, die vielleicht verärgert oder wütend
oder verängstigt sind. Bedenken Sie, dass Sie sich in der Öffentlichkeit befinden:
auch wenn die Ihnen gegenüberstehenden Beamten martialisch aussehen mögen, ist
es deshalb äußerst unwahrscheinlich, dass gegen Sie mit Gewalt vorgegangen
wird.
5.: Dokumentieren Sie (s.o.)
wenn möglich den weiteren Ablauf des Geschehens.
6.: Bitten Sie jene
Personen, die nicht bereit sind, Ihre Identität sofort durch Ausweisleistung
bekannt zu geben, sich in das Innere des „Kessels“ zu begeben.
7.: Wenn sich die
Identitätsfeststellung und / oder Durchsuchung sichtlich verzögert: MACHEN SIE
GEMEINSAM MIT ALLEN PERSONEN, DIE ZUR SOFORTIGEN AUSWEISLEISTUNG BEREIT SIND,
AM ÄUßEREN RAND DES „KESSELS“ AUF SICH AUFMERKSAM (ZB.: AUSWEIS HOCHHALTEN UND
RUFEN: HIER IST MEIN AUSWEIS! ICH WILL HIER RAUS!“). Dokumentieren Sie dies
oder lassen Sie es durch andere dokumentieren! Lassen Sie dabei älteren,
schwächeren oder sichtlich verängstigten Menschen den Vortritt bei der
Ausweisleistung! Machen Sie Polizeibeamte höflich auf solche Menschen
aufmerksam!
8.: Dokumentieren Sie, wenn
möglich, ob und wie viele Polizeibeamte sich ohne ersichtliche Aufgabe rund um
den „Kessel“ aufhalten.
9.: Sollten Sie über längere
Zeit in einem „Kessel“ angehalten worden sein, (zB. weil für die
Identitätsfeststellung zu wenig Beamte eingesetzt worden sind): machen Sie nach
dem Verlassen des „Kessels“ möglichst bald ein möglichst präzises
Gedächtnisprotokoll. Sammeln Sie Dokumente, Adressen, Telefonnummern und andere
Erreichbarkeiten von mitbetroffenen Personen und möglichen Zeugen.
10.: Wenn Sie nach einem
längeren Aufenthalt in einem „Kessel“ selbst Beschwerde dagegen führen wollen:
bedenken Sie, dass eine sogenannte „Maßnahmenbeschwerde“ innerhalb von 6 Wochen
nach einem solchen Vorfall eingereicht werden muss. Kontaktieren Sie daher
rasch eine Ihnen vertrauenswürdig erscheinende NGO oder Anwaltskanzlei.
Rechtsanwalt Mag. Georg Bürstmayr, Wien.