Im deutschsprachigem Raum wird – zurecht – wieder viel über die Erhalt der Fankultur, über die Subkultur „Ultra“ und über Sitzplätze gesprochen. Bekanntlich gibt es seit 2010 in Österreich ein verschärftes Pyrotechnikgesetz, jetzt wurde im Juli 2012 in Deutschland ein Massnahmenkatalog von 53 der 54 Profiklubs unterschrieben (Ausnahme: Union Berlin) in dem man härtere Maßnahmen bei Ausschreitungen und Pyrotechnik beschlossen hat. Statt drei Jahren soll die Höchststrafe bei Pyro auf 10 Jahre erhöht werden und wurde angeblich schon unter der Hand eine Abschaffung von Stehplätzen vereinbart. Die Fans wehren sich dagegen. In Deutschland genauso wie in Österreich. Bei uns gibt es ja viele Kampagnen, meist von Kurven manchmal auch vereinsüberspannend. Einer der Hauptakteure ist da der SK Rapid Wien mit seinen Fans, welcher – auch medial bevorzugt (was in diesem Falle ja gut ist) – ein eigenes Selbstverständnis geschaffen hat. Stichwort „Sankt Hanappi“. Gegen den Modernen Fussball, Leidenschaft statt Kommerz und andere durchaus richtige Schlagwörter kommen da vom Block West des Hanappistadions. Alles gut und schön und vor allem wichtig für ganz Österreich, ist Rapid doch der Verein der am meisten bewegt. Entweder die Massen die wegen ihm kommen oder um ihn verlieren zu sehen. Beides hat seine Berechtigung und verhindert, dass der – europaweit gesehen drittklassige Fussball – bei uns immer noch Sportart Nummer Eins ist was die Zuschauer betrifft.
Dadurch dass sich grosse Szenen in Wien, Graz, Salzburg, Ried, Linz und Innsbruck (Reihung willkürlich) geformt und gefestigt haben wird es für die staatlichen Organe schwieriger, ihr Sicherheitskonzept (oder was sie dafür halten) durchzusetzen. Sie schaffen es dort, wo die Fans uneinig sind. Und das ist leider viel zu oft der Fall. So mögen sich die Wiener Fans und jene aus den anderen acht Bundesländern traditionell nicht, auch wird es wohl kaum einen Gleichschritt zwischen Derbygegnern geben, egal ob das in Wien, Graz oder beim Westderby ist. Das sind aber die Reibeflächen, die sich leicht entzünden. Vor allem der – ÖFB-Rekordmeister Rapid ist da ein polarisierender Verein. Besser gesagt seine Fans. Dass der Verein selber eine gute Marketing- und Medienpolitik macht ist eine Sache, dass die Fans ihre eigene Selbstverständlichkeit und Grundarroganz zugelegt haben eher nicht. Gut, wenn man Rapidfan ist dann gehört man – fussballtechnisch – dem grössten Anhang an (und mit dicken Hosen ist gut stinken) aber man belügt sich manchmal auch selber. Man nehme nur den Slogan „Gegen den Modernen Fussball“. Die Marketingstrategie der Kurve spricht eine genau gegenläufige Sprache. Wohl kein andere Verein im deutschprachigen Raum hat soviele frei verkäufliche Fanartikel herausgebracht wie Rapids Block West und damit vor allem die ULTRAS. „Gegen den Modernen Fussball“ ? – Ein anderes Beispiel das zwar nicht auf das Konto der Fans direkt geht aber auch immer wieder übersehen ist, ist dieser Spruch mit dem „Sankt Hanappi“. Eine Kathedrale des Fussballs, 1976/77 in Betrieb genommen. Der erste „All Seater“ Mitteleuropas, ja vielleicht sogar von ganz Europa, so genau kann ich das nicht sagen. Zu einer Zeit, wo alle vernünftigen Stadien mehr Steh- als Sitzplätze hatten (auch international und bei WM bzw EM Endrunden) gab es in Hütteldorf bereits ein reines Sitzplatzstadion. Kommerziger im heutigen Sinne geht es wohl kaum mehr. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Stehplatzdiskussion bzw. die Diskussion über deren Abschaffung hier kein Thema ist. Man hat ja bereits einen All-Seater der noch aus „Vor-Ultra-Zeiten“ besteht. Also quasi vor Beginn der Ultra-Zeiterechnung und Definition von „Old School Football“. Sankt Hanappi die Sitzplatzkathedrale. So gesehen stimmt die Definition wieder. In jeder vernünftigen Kirche sitzen die Besucher.
Vielleicht sollte die (zweit)älteste Ultraszene Österreichs/Deutschlands sich mal in dieser Weise hinterfragen und dafür engagieren, dass die Sitzplätze in Österreich nicht komplett verschwinden. Bei Sturm gibt es seit 1997 reine Stehplätze, Tirol folgte 1999 und die Linzer ein Jahr später, bei der Austria wurde der Umbau schleichend bis 2008 gemacht (nur der Auswärtssektor ist paradoxerweise noch Stehplatzareal), Ried sowie die Dosen haben einen All-Seater, ohne dass es eine grössere Aufregung gab, nur Wiener Neustadt, Mattersburg und Wolfsberg haben als aktuelle Bundeslegisten kein reines Sitzplatzstadion. Mithin ist der Kommerz (und Wille des DFB) bei uns in Österreich schon lange umgesetzt und macht sich die DFL /der DFB jetzt das österreichische Modell zu eigen. Traurig, dass wir bei einem solchen Schmafu Vorreiter sein „dürfen“. Den ULTRAS in Österreichs höchster Spielklasse ist es jedenfalls egal. Sie pflegen alle ihre eigenen Marotten.