Freitag, 9. September 2011

Fahnenhopping mit HH Hirni



Man glaubt es kaum aber auf ultras.ws gibt es doch das eine oder andere sehr versteckte Juwel. Eines davon, der User heisst Hadschi Murat, will ich euch zu Gemüte führen:


Kameradinnen und Kameraden,

da dieses Thema (Fahnenhopping) nun wieder Thema ist, knall ich hier einfach mal eine Story rein, die schon im letzten Jahr durch ein paar Foren ging, aber noch nicht durch ... DIESES Forum.

Nicht ohne meine Fahne

Die Namen sind Zufall und frei erfunden. Auch die Vereinskürzel sind frei gewählt und sollen weder Sympathien noch Antipathien andeuten.

Es ist Anfang Juni 1998… Seit Tagen findet HH-Hirni keine Ruhe mehr.
Vor Monaten hatte er sich eine Eintrittskarte für das Eröffnungsspiel Brasilien-Schottland in St. Denis erkämpft. Dabei ging es ihm keineswegs um die Begegnung an sich, sondern um die besonders attraktive Einschaltquote bei der Spielübertragung, die ihm garantierte, dass seine Zaunfahne in der ganzen Welt gesehen würde – wenn es ihm nur rechtzeitig gelänge, einen TV-gerechten Fahnenplatz zu ergattern.

Natürlich hatte HH-Hirni bereits versucht, sich den wichtigen, TV-gerechten Fahnenplatz zu reservieren, indem er im Stadion von St. Denis angerufen und nachgefragt hatte. Da er aber kein französisch spricht und die Franzosen wiederum kaum die englische Sprache beherrschen, war am Telefon ein Missverständnis entstanden, und der nette Monsieur am anderen Ende der Leitung hatte ihm geantwortet, dass HH-Hirni zwecks Aufhängen seines „Sponsorenbanners“ die FIFA kontaktieren müsse. In höchster Verzweiflung kam HH-Hirni eine glorreiche Idee: er plante schlichtweg, einen Tag früher anzureisen und vor dem Eingang „seiner Tribüne“ zu übernachten, um als Erster beim Einlass in das Stadion hineinzustürmen um seine Fahne direkt vor der Kamera hissen zu können.
Selbstverständlich behielt er seinen Plan geheim, damit nicht noch mehr Fahnen-Hopper auf diese einzigartige Idee kamen.

Mit klopfendem Herzen sitzt HH-Hirni nun höchstnervös im Zug, der auf Paris zusteuert. Bereits zehnmal hat er in seinem Rucksack nachkontrolliert, ob er seine Fahne auch tatsächlich eingesteckt hat. Jedes Mal, wenn er in sein Gepäckstück hineingreift und das vertraute Stück Stöffchen in seinen Händen fühlt, wird ihm abwechselnd warm und kalt.
„Wenn nur alles gut geht …“ seufzt er und streicht sich über die schwitzende Stirn.
Inzwischen neigt sich die Sonne zum Untergang.
Endlich rollt der Thalis am Gare du Nord ein. Mit großen Sätzen hechtet HH-Hirni zur RER und fährt in wenigen Minuten zum Stade de France.

In der Abenddämmerung macht HH-Hirni „seinen Sektor“ ausfindig. Doch als er sich diesem nähert, bleibt ihm plötzlich die Luft im Halse stecken und sein Herz setzt aus: An dem Eingang stehen bereits mehrere Gestalten mit Rucksäcken. Es sind WSV-Wursti, Waldhof-Waldi, KSC-Kutti … und Junkersdorf-Jünter! Auf letzteren hat HH-Hirni immer noch einen Hals, da er ihm im Finale der vergangenen EM vor der Nase den letzten Fahnenplatz weggeschnappt hatte! Eigentlich wäre dort ja ausreichend Fläche für zwei Banner gewesen, aber bei dem Format, das der Schriftzug „Junkersdorf-Jünter“ ausmachte, blieb für die Fahne von HH-Hirni kein Zentimeter freier Platz mehr übrig. Enttäuscht hatte er das Stadion verlassen, ohne auch nur den Anpfiff miterlebt zu haben, und behielt somit die EM 96 in England ewig als schwärzestes Kapitel seines Werdegangs im Gedächtnis.
Am liebsten würde er Jünter seine Meinung sagen – so sehr hatte HH-Hirni zwei Jahre lang über den Vorfall vor Wut gekocht – aber er belässt es dann doch bei einem schüchternen „Naja, für uns fünf sollte der Platz reichen. Wir müssen bloß aufpassen, dass sich niemand vordrängelt.“
„Dann bleib mal hübsch hinter mir!“ grummelt Jünter.
WSV-Wursti sieht auf und deutet auf Waldhof-Waldi. „Der sitzt übrigens schon seit gestern hier. Ein wahrer Fan, der Junge!“
„Tja, man muss halt Prioritäten setzen.“ entgegnet der Mannheimer schmunzelnd und bohrt in der Nase.
„Meine Tante nimmt alle Spiele, die ich besuche, auf Video auf. Anschließend kopiere ich alle Szenen heraus, in denen mein Banner eingeblendet wurde, und erstelle ein neues Video mit dem Titel „KSC-Kutti on Tour“.
„Ist schon ‚ne Sauerei, dass man die Fahnenplätze vorab nicht buchen kann. Dieser Stress vorher geht wirklich an die Substanz.“ flucht HH-Hirni und hofft auf Zustimmung.
„Auch wenn hier fünf Konkurrenten nebeneinander hocken, so muss man doch das Beste daraus machen.“ denkt er. „Vielleicht lässt sich aus dem ein oder anderen Gespräch noch etwas lernen. Und der WSV-Wursti ist eh ein ganz Cooler, schließlich hab ich mir mit dem mal das F1-Hotelzimmer in London geteilt.“
Um sich gegenseitig bei Laune zu halten, wird über diverse andere Fahnenbesitzer diskutiert, die man in die Kategorien „Freunde“, „ist mir egal“ und „Konkurrenz“ einteilt.
Plötzlich kommt ein alter Franzose angeschlichen. Mitleidig blickt er die Jungs an.
„Woher kommt ihr? Habt ihr kein Hotel mehr gefunden?“ fragt er sie in seiner Sprache.
Die Deutschen sehen sich an. „Kann jemand französisch?“
Die Runde zuckt mit den Schultern.
„Aaah, Allemands.“ lacht der Franzose. „Supporters von Brazil?“
„Was? Wie? Ja, morgen spielt Brasilien.“ antwortet Jünter tonlos.
„Brazil gutt!“ lobt der Alte und verspricht in seiner Sprache, den armen Jungs ein Hotel zu beschaffen. Dann entfernt er sich wieder.
„Was meinte der?“ will Hirni wissen.
„Wir sollten uns doch besser eine Unterkunft suchen, oder so ähnlich.“ entgegnet Wursti.
Waldhof-Waldi öffnet seine letzte Bierflasche. „Morgen wird ein langer Tag.“
Als den Herren bereits die Augen zufallen, tritt wieder der Monsieur von vorhin in Erscheinung.
„Ich ’aben ’otäl gefundään!“ jubelt er ihnen winkend zu.
Waldhof-Waldi stöhnt auf. „Boh, hau ab Alter! Ich will pennen.“
Der Senior hält ihnen einen Zettel hin. „’i’er Adräss. Nischt teuäär.“
Jünter reisst ihm das Geschreibsel aus der Hand und pfeffert es zerknüllt in eine Ecke. „Merci und au revoir!“ faucht er und legt sich auf den Rücken. Hirni und Wursti können sich vor Kichern kaum bremsen.

Während die Anderen in ihren Schlafsäcken vor sich hinsägen, hockt HH-Hirni an das Eingangstor gekauert und findet keinen Schlaf. Ihn fröstelt es, und hungrig ist er eigentlich auch, aber außer seiner Fahne hat er nichts im Gepäck.
„In meinem Leben ist nur Platz für meine Fahne, deshalb ist auch in meinem Rucksack nur Platz für meine Fahne.“ hatte er sich gesagt, bevor er die Reise angetreten hatte.

In den letzten Jahren hatte HH-Hirni sein komplettes Leben auf seine Fahne eingestellt, dabei war das nicht immer so gewesen:
In seiner Jugend wollte er Sportreporter werden, doch die Ausbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich waren gering, so dass HH-Hirni sich letztendlich auf das Drängen seiner Mutter entschloss, eine Lehre zum Logistiker im Textilhandel anzutreten. Zu seinem Glück wurde er nach seiner Ausbildung übernommen. Er hatte einen netten Chef, ein angenehmes Arbeitsklima, einen lockeren Job und ein gutes Gehalt. Aber eines fehlte ihm im Leben: Er war nur das Glied einer Kette, und es wurde ihm – nach seinem Ermessen – zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt. Er fühlte sich von Tag zu Tag bedeutungsloser, und sein Ego fiel wie ein schwerer Stein in den Keller.
Von da an war ihm klar: Es musste etwas geschehen!
Während er zwischen Stoffplanen und aufgewickelten Plastikfolien saß, sehnte er sich nach nichts mehr, als dass sein Name eines Tages in aller Munde sein würde.
Seit seinem 16. Lebensjahr war er zu fast allen Spielen seines Vereins, dem HSV, gefahren, und nebenbei hatte er sogar Groundhopping in 24 verschiedenen Ländern betrieben. Was waren all die Spielbesuche und Reisen nichtig gewesen, denn außer ihm hatte ihn niemand wahrgenommen, und auch die Kreuze in seinem Informer fielen niemandem außer ihm selbst auf! Was er brauchte, war eine öffentliche Präsenz. Die ganze Welt sollte sehen, wie viel Zeit und Geld er in seine Spielbesuche investierte – und wie sehr er mit Herzblut bei der Sache (bei welcher auch immer) war!
So kam es, dass er seine Firma beauftragte, eine 6,5x1 Meter große schwarze Zaunfahne mit dem Fraktur-Schriftzug „HH-Hirni“ zu erstellen. Um sich von allen anderen Fahnen hervorzuheben, wurde rechts hinter den Schriftzug noch ein Hirn gedruckt.
Von dem Tag an, wo er sein Prachtstück in den Händen hielt, waren seine Fahne und er unzertrennlich.
Bloß schon bald sollte die Idylle zerstört werden. Bei den Auswärtsspielen, wo wenig Platz an den Zäunen der Gästeblöcke zur Verfügung stand, kam es immer öfters zu Querelen. Die bösen Ultras machten ihm nicht nur den Fahnenplatz streitig, sondern wollten ihm auch noch das Aufhängen seines Banners verbieten, weil er eine Einzelperson ist! Zunächst begab sich HH-Hirni bei Auswärtskicks auf die Haupttribüne, um diesem Konflikt, bei dem fast seine Fahne darunter gelitten hätte, aus dem Weg zu gehen. Aber auch dort kam es bald zu Disputen, denn die Heimzuschauer hatten kein Interesse, hinter der Fahne eines Gästefans zu hocken. Noch Schlimmer: Auch dort wurde mehrmals der Versuch gestartet, diese gewaltsam zu entfernen!
Für HH-Hirni, dem das Ganze zu riskant wurde, stand fest: er konnte nur noch die Heimspiele besuchen, wo er in einem Zuschauerbereich seinen festen Fahnenplatz hatte und sein Umfeld ihn kannte und als „wahren Fan“ liebte. Dafür wollte er zu Länderspielen seinen Lappen ganz besonders groß ausführen.

Während er nun vor dem Eingang des Stade de France sitzt, kommt ihm eine waghalsige Idee: In das Stadion einbrechen und vorab die Fahne aufhängen!
Nervös stupst er WSV-Wursti an, der geschockt aufschnarscht und ihn schlaftrunken anglotzt.
„Ey, lass uns doch einfach ins Stadion klettern! Dann hat die Ungewissheit ein Ende!“
WSV-Wursti winkt ab. „Du Trottel, wenn das so einfach wäre, hätten wir das längst gemacht! Jedes Kind hier weiss, dass sich in dem Kasten eine Alarmanlage befindet, und es sogar Nachtwächter gibt!“
„Ach, Mist!“ seufzt HH-Hirni und setzt sich wieder auf den Boden. Irgendwann überkommt auch ihn der Schlaf.
Als er am nächsten Morgen aufwacht, ist bereits einiges um das Stadion herum los. Leute schwenken Brasilien-Fahnen, und die Schotten stoßen zum Bier an.
„Diese Leute sind die Schlimmsten.“ lästert Jünter. „Bei denen gibt es keinen Fahnenkodex. Die meinen, ihren bedeutungslosen Mist überall hinhängen zu müssen, und wenn man sich versieht, haben sie sogar unsereins überhängt. Bloß wehe, man sagt was. Dann verstehen sie die Welt nicht mehr!“
„Sind halt dumme Konsumenten! Die haben doch keine Ahnung vom Fußball, und sehen sich vielleicht einmal im Leben ein WM-Spiel an, weil ihr Taschengeld nicht zu mehr reicht.“ bestätigt KSC-Kutti.

Die Zeit zieht sich wie ein Kaugummi.
Als die Tore endlich geöffnet werden, stürmen Waldhof-Waldi, KSC-Kutti, WSV-Wursti, Junkersdorf Jünter und HH-Hirni wie vom Teufel gejagt in das Stadion. Beinahe wäre HH-Hirni noch die Stufen hinuntergefallen, aber er fängt sich im rechten Moment. Während er rennt, reißt er seine Fahne aus dem Rucksack heraus. Sein Herz klopft ihm bis zum Hals. Als unten endlich am Absperrbereich angekommen ist, beginnt er, mit zitternden Händen sein Banner anzubringen.
„Geschafft!“ stöhnt er und fällt er erschöpft auf einen der Sitze dahinter. Nun sind es noch zwei Stunden bis zur Eröffnungsfeier …

Das Stadion füllt sich.
Als die Eröffnungsparade endlich einläuft, will es HH-Hirni wissen. Wie abgemacht, ruft er seinen Kollegen an, der daheim vor dem Fernseher auf der Couch hockt. Eigentlich empfindet HH-Hirni für solche Konsumenten nur Verachtung, andererseits sind sie ihm keine Konkurrenz.
„Hi Dieter! Ist meine Fahne im Bild?“ schreit HH-Hirni in sein Handy.
Am anderen Ende der Empfangswelle meldet sich eine schmatzende Stimme.
„Mmmmh, joah, wo ist sie denn?“
„Hinter dem rechten Tor, man!“
„Ah ja. Ja, ich sehe sie.“ lallt Dieter desinteressiert in sein Handy.
„Fällt sie mehr auf als das Banner von Junkersdorf Jünter?“
Dieter räuspert sich. „Als waaaas?“
„Junkersdorf Jünter!“ flucht HH-Hirni.
„Ja, die Fahne von Junkersdorf Jünter sehe ich auch.“ antwortet Dieter und nimmt einen großen Schluck Bier aus seiner Pulle.
„Man, ich will doch nur wissen, ob man meine Fahne regelmäßig und gut im Fernsehen sieht!“ brüllt Hirni.
Bei Dieter ertönt ein Klingeln. „Jaja!“ ruft er hastig. „Ich kriege gerade Besuch. Viel Spaß noch!“
Ehe sich HH-Hirni verhört, hat sein Kollege bereits aufgelegt.
Verzweifelt wählt der Fahnenhopper die auf seinem Handy gespeicherten Nummern. Was er braucht, ist eine Rückversicherung. Nebenbei muss er seine Fahne ständig glattstreichen, weil der Wind in ihr Falten aufwirft.

Während HH-Hirni hier und dort anruft, tritt Gonzalo in Erscheinung. Gonzalo ist Brasilianer und extra aus seiner Heimatstadt Rio de Janeiro angereist. Zwei Jahre lang hat er hart dafür gespart, um wenigstens ein paar Spiele seiner geliebten Mannschaft bei der WM live mitverfolgen zu können. Das bedeutet dem jungen Mann, der seit seiner frühen Jugend wirklich jeden Zeitungsartikel über die brasilianische Nationalmannschaft sammelt und archiviert, ungeheuer viel.
Wegen eines Unwetters hatte sein Flug Verspätung gehabt, und ihm war ein Teil der Eröffnungsfeier entgangen.
Trotz allem betritt er frohen Mutes das Stadion. Um die Farben seines Landes auf den Rängen zu präsentieren, hat er sich liebevoll eine 3x1 Meter große gelbe Zaunfahne gebastelt, auf die er in großen Lettern das Wort „BRAZIL“ genäht hat. Ein Stadion in grün-gelb-blau – davon träumte er.

Neugierig beugt er sich über die Absperrung und guckt nach einem Platz für sein Banner. Alles ist zugehangen. Zwischen den vielen brasilianischen und schottischen Fahnen entdeckt er das Banner von … HH-Hirni.
„Schwarz-weiß?“ grübelt Gonzalo. „Heute spielt doch niemand in diesen Farben hier! Bestimmt hat jemand diese Fahne nach dem letzten Spiel vergessen und dort hängen gelassen.“ denkt der Brasilianer und überhängt HH-Hirnis wertvolles Stöffchen mit seiner „Brazil“-Fahne.
HH-Hirni, der sich drei Meter von seinem Hauptaugenmerk entfernt hatte um besseren Empfang zu kriegen, glaubt seinen Augen nicht zu trauen! Dreimal wischt er sich über die Lider um sich zu vergewissern, dass das, was er sieht, keine Fatamorgana ist!
„Halt!“ brüllt er und steht in einem Satz neben Gonzalo um ihn zur Seite zu schubsen. „Nimm sofort deinen Sch…lappen da runter!“
Gonzalo versteht kein deutsch, aber er merkt, dass HH-Hirni wegen seiner Fahne in Aufruhr ist.
„Bist du Schotte?“ fragt der Brasilianer in gebrochenem Englisch.
„Ich bin Deutscher!“ faucht HH-Hirni.
„Aber Deutschland spielt doch gar nicht. Warum hängst du eine deutsche Fahne auf?“
„Du hast doch von Nichts eine Ahnung, du Gelegenheits-Fan!“ schreit Hirni und reißt Gonzalos Fahne herunter.
Mehrere Anhänger hinter ihnen, die ebenfalls aus Rio angereist sind und dort sogar einer Ultragruppe angehören, beobachten den Konflikt. Sie kennen Gonzalo vom Sehen her von daheim, und werden erst jetzt darauf aufmerksam, dass HH-Hirni nichts mit den beiden auf dem Spielfeld kickenden Teams zu tun hat.
Im Nu packen sie den Hamburger und ziehen seine Fahne vom Zaun. Hirni weiß nicht, wie ihm geschieht und will sich wehren, aber da sind die beiden Fahnenzocker schon in der Masse verschwunden. Mit offenem Mund bleibt er stehen. Ihm schießen die Tränen in die Augen. Er kann nicht glauben, was ihm da gerade widerfahren ist. Verzweifelt drängelt er sich zu dem nächsten Ordner durch.
„Monsieur, meine Fahne wurde gestohlen! Rufen Sie die Gendarmen!“
Der Mann im neonfarbenen Leibchen starrt ihn wie ein Auto an und gibt ihm schulterzuckend zu verstehen, dass er nichts begreift.
„Fahne! Flag! Gestohlen! Von Brazil-Supporters!“ schreit HH-Hirni schnaufend und stampft auf den Boden.
„Brazil-Flag? Hier nix geben. Supporters-Magasin in Hauptstraße.“ empfiehlt der Ordner im Glauben, dass HH-Hirni einen Fan-Shop mit Brasilien-Flaggen sucht.
Nun kann sich der allesfahrende Fahnenhopper nicht mehr zurückhalten und fängt laut an zu flennen. Der Ordner blickt ihn ratlos an.
In seiner Wut und Verzweiflung zieht Hirni das Bündel mit all seinen Eintrittskarten für diese WM aus seiner Hosentasche und zerreist es. Anschließend rennt er aus dem Stadion. Die Ordner am Ausgang blicken ihm überrascht hinterher.
Schluchzend rast er zur menschenleeren RER-Station. Alles dreht sich um ihn. Wie in Trance erreicht er den Gare du Nord. Er glaubt, sein Bewusstsein zu verlieren.
Während der endlosen Fahrt nach Hamburg macht sich sein leerer Magen bemerkbar, aber das stört ihn wenig, denn:
Was soll er daheim erzählen? Was soll er seinen Kollegen, Freunden und vor allem ANDEREN Fahnenhoppern sagen? Jeder wird ihn darauf ansprechen, dass seine Fahne bei der Eröffnungsfeier verschwand und danach nicht mehr gesichtet wurde. Jeder wird denken, er hätte nur ein großes Mundwerk gehabt und hätte letztendlich doch keine Karten für die ganze WM bekommen. Oh Gott, was wird er nicht alles über sich lesen müssen, wenn er im Internet seinen Namen nachgoogelt?

Als er am nächsten Tag daheim die Zeitung aufschlägt, lacht ihn ein Interview mit Junkersdorf Jünter und WSV-Wursti an. Es ist von den „größten Fans“, „schönsten Fahnen“ und „zahlreichsten Länderspielbesuchen“ die Rede. Hirni glaubt, durchzudrehen. Fest steht, er hat als Fahnenhopper versagt und kann dieses Hobby nicht mehr weiterführen. Er wird sich etwas Neues suchen müssen, wo er vielleicht eher gesehen und beachtet wird. Vielleicht zum Tennis fahren und Fahne zeigen? Nein, da gibt es zuwenig Zuschauer. Pferderennen? Dasselbe Problem.
Wie wäre es mit einer Fankarriere als Flitzer?
Die Zukunft wird es zeigen …


Verehrte Kameraden,
für die Freunde ganz besonders tiefer Sommerlöcher gibt's einen Zwischenstand von HH-Hirni.

Wir erinnern uns: 1998 wurde HH-Hirni seine Zaunfahne während des WM-Spiels Brasilien-Schottland in Paris gezogen.
Siehe http://www.ultras.ws/fahnen--und-quothopping-und-quot-t7889-s304.html
Das Liebste in seinem Leben war ihm genommen worden. Was ihm blieb, waren die Erinnerungen an viele schöne und aufregende Stunden. Entfahnt und entrüstet trat er damals seine Heimreise an. Die Schmach saß so tief, dass er sich ein für allemal schwor, dieses Hobby an den Nagel (statt an den Zaun) zu hängen und sich einer anderen Tätigkeit zuzuwenden, welche ihm die so nötige Aufmerksamkeit versprach, die er doch so verdiente.
Aber die darauf folgenden Jahre zeigten, dass es keineswegs einfach war, stets im Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu stehen.

Zunächst hatte sich HH-Hirni als Graffiti-Sprayer versucht. Kaum eine Straße seiner Stadt blieb vor seinen Tags verschont. Allerdings begriff er schnell, dass man mit der Sprayerei nicht von heute auf morgen die Blicke der gesamten Bundesrepublik oder gar der ganzen Welt auf sich ziehen kann. Hinzu kam, dass man als Streetartkünstler zunächst - oder gar auf alle Ewigkeit - anonym bleiben musste, ein absolutes No-go für HH-Hirni!
Als dann noch andere Sprayer seine Tags crossten, stand für ihn fest, dass ein neues Hobby her musste. Sonst würde sein angeknackster Ego komplett den Bach hinunter gehen!

So beschließt HH-Hirni, Flitzer zu werden. Aber nicht irgendein Flitzer, denn davon gibt es bereits unzählige.
Vor seinem ersten "Einsatz" bittet er seine große Schwester, ihm mit einem Edding den berühmten "HH-Hirni"-Schriftzug auf die Vorder- und Rückseite seines Körpers zu zeichnen. Angeblich für eine Motto-Party, so sagt er ihr. Am Abend der Übertragung des WM-Qualifikationsspiels der Deutschen Nationalmannschaft wird sie schon rechtzeitig den wahren Grund erfahren - und Millionen TV-Zuschauer sowie tausende Stadionbesucher ebenfalls.
Zwar kickt das deutsche Team in Hamburg nur gegen ein kleines Land aus Osteuropa, aber die Begegnung wird live im Fernsehen übertragen - und nur das zählt!
Natürlich hat sich HH-Hirni bestens vorbereitet: Er ist informiert, wo die Kameras aufgebaut werden, und welche Route er von der gegenüber liegenden Tribüne zu laufen hat, damit sein Auftritt TV-gerecht wird.
Mit pochendem Herz sitzt er in der nicht leeren Straßenbahn zum Volksparkstadion. Endlich wird er nach all den Jahren wieder gesehen werden! Er hat keinen Luxus-Körper, aber seine mühevolle Beschriftung wird das Publikum von seinem Pickelproblem, seinem nicht gering ausgeprägten Bierbauch und seinem etwas zu kurz geratenen besten Stück hinwegsehen lassen.
Sicher muss er den aufkommenden Ärger mit Ordnern einkalkulieren, aber wenn erstmal alle Welt weiß, wen sie wirklich vor sich hat, wird er sich mit Sicherheit vor Interviews nicht mehr retten können! Und vielleicht die Ehrenbürgerschaft der Stadt Hamburg erlangen!

Nachdem er im langen Mantel den Stadioneingang passiert hat, lässt er sich auf einem Sitzplatz in unmittelbarer Nähe des Spielfeldrandes nieder. Dort ist schon alles bis auf den letzten Millimeter mit Fahnen beflaggt - teilweise von alten Bekannten wie "WSV-Wursti", teils von für ihn neuen Personen.
Plötzlich sieht er einen jungen Mann mit verspanntem Gesicht die Stufen hinunterhechten, welcher sich verzweifelt und vergeblich nach einem Fahnenplatz umblickt.
"Junkersdorf Jünter!" entfährt es HH-Hirni leise, und Wut kocht in ihm hoch, als er an seine Vergangenheit denkt, wo der Kölner stets die besten Fahnenplätze auf mehr oder weniger faire Weise ergattert hatte! Drei Interviews bei regionalen Zeitungsverlagen hatte das gute Stück Stöffchen dem Junkersdorfer in all den Jahren eingebracht. Davon kann HH-Hirni, der bisher nur ein einziges Mal von einem wenig gelesenen Stadtteilblatt befragt worden war, nur träumen!
Was sich nun vor den Rängen abspielt, verschlägt dem Hamburger die Sprache. Jünter setzt aus mehreren mitgebrachten Fahnenstangen ein Gerüst zusammen, bringt daran sein Banner an, und erhascht sich doch wahrhaftig bei den Ordnern die Gelegenheit, dieses vor den anderen Fahnen aufzustellen. Einige betroffene und erboste Fahnenbesitzer, deren Lappen durch Jünters Werk nun aus der Kamerasicht verdeckt sind, beginnen zerknüllte Stadionzeitungen nach dem Junkersdorfer zu werfen, werden aber von den Ordnern zurecht gewiesen. Mit einem breiten Grinsen stolziert Jünter an den Geschädigten vorbei und geniesst seine Cleverness und Überlegenheit.
Am liebsten hätte HH-Hirni ihm eine gepfeffert, aber er gewinnt in Schnelle seine Beherrschung wieder.
"Jünter und allen anderen Möchtegerns wird es gleich bei meinem Auftritt ohnehin die Sprache verschlagen!" schwört er sich schmunzelnd. "Der Überraschungseffekt wird umso größer sein, wenn mich vorher niemand wahrnimmt."

Endlich ertönen die Hymnen. Wie eine lästige Nebenerscheinung rattern sie an dem Hamburger vorbei, der voller Spannung auf seinen Einsatz - oder besser: auf sein eigenes Event - wartet.
Als das Spiel nach einer halben Ewigkeit im Gange ist, lässt HH-Hirni seinen Mantel fallen und springt in voller Pracht seines Adamskostüms über die Absperrung in den Innenraum.
Einige Leute hinter ihm beginnen zu pfeifen und zu johlen, was ihm wie eine Anerkennung erscheint. "Endlich werde ich gesehen!" zischt es ihm während eines kalten Schauers, der ihm vor Glückseligkeit über den Rücken läuft, durch den Kopf.
"Jetzt heisst es rennen, rennen und nochmals rennen, um möglichst lange vor der Kamera zu bleiben ... bevor einen die Ordner und Team Green einholen!"
Doch plötzlich kommt alles anders als erwartet! HH-Hirni verhakt sich mit dem bloßen Fuß an einer Stange und fliegt in einem Bogen kopfüber auf den feuchten, kalten Rasen! Es erscheint ihm wie ein Fausthieb ins Gesicht!
HH-Hirni hatte seine Rechnung ohne Jünters Fahnengerüst gemacht ... welches er in seiner Euphorie und mit dem starren Blick zum Fernseh-Team schlichtweg vergessen und übersehen hat!
Bevor er sich wieder erheben kann, fliegt eine Decke über ihn, und er wird von mehreren Stewards eingefangen und unter Hohn und Applaus der hinter ihm sitzenden Stadionbesucher abgeführt.
Während der Nacht in der Zelle quält ihn bloß EIN Gedanke: "Hoffentlich ist mein kurzer Auftritt in der Fernsehübertragung zur Geltung gekommen!"

Als HH-Hirni am nächsten Morgen entlassen wird und seine Schwester ihn an der Haustür empfängt und fragt, wie denn die Motto-Party gewesen sei, weiss er, dass seine ganze Aktion für die Katz gewesen ist ...

Ein europaweites Stadionverbot und ein hohes Bußgeld zwingen ihn wieder zu der Suche nach einem neuen Hobby ...



Kleiner Rückblick:
Nachdem HH-Hirnis TV-gerechter Auftritt als Flitzer beim Länderspiel
(siehe http://www.ultras.ws/fahnen--und-quothopping-und-quot-t7889-s336.html )
geplatzt war, beschließt der junge Hamburger, dem seine Aufmerksamkeit über alles (und zwar bedingungslos alles) geht, seine Karriere als Fahnenhopper wieder aufzunehmen.

Nach seinen herben Enttäuschungen in der Vergangenheit möchte er es langsam angehen, obwohl er innerlich danach brennt, endlich wieder auf der Bildfläche aufzutauchen.
Also plant er, sein Comeback in den Sommerferien bei einem Urlaub auf Malle zu feiern. Dort werden zahlreiche wichtige Menschen aus der Fußballszene zugegen sein, und vielleicht auch der ein oder andere Pressevertreter.

Zunächst aber muss ein Banner mit einem auffälligerem Design als das seiner letzten, abhanden gekommenen Zaunfahne her.
Nach einigen Überlegungen, die im Internet über das Studieren diverser Banner anderer Fahnenhopper gehen, erlangt er eine konkrete Vorstellung, wie sein heiliges Stöffchen auszuschauen hat:
Der Hintergrund soll in einem knalligen Blau gehalten werden. Schließlich hat sein Lieblingsverein, der HSV, diese Farbe in seinem Vereinslogo.
Anstelle "HH-Hirni" wie bisher in Fraktur zu schreiben, möchte er sein Pseudonym nun lieber im Arial-Schriftzug aufnähen lassen, da dieser für den Betrachter einfacher zu lesen ist. Als Farbe für die Buchstaben entscheidet er sich für neon-gelb. Zwar kommt dieses nicht in den Vereinsfarben vor, es fällt den Zuschauern aber viel leichter ins Auge. Damit die Lettern auch in der Dämmerung leuchten, müssen sie aus einem phosphorhaltigem Material erstellt werden.
Der absolute Clou: rechts vom HH-Hirni-Schriftzug soll ein Gehirn im Lorbeerkranz aufgesetzt werden, ein Motiv das sich jedem Beobachter gewollt oder auch ungewollt einprägen wird.
Passend zur Fahne ordert er 5000 Sticker im gleichen Design, denn diese können im Gegensatz zum Banner überall angebracht und betrachtet werden.
Doch das Allerwichtigste bleibt die Auswahl des Hotelzimmers: dieses muss sich direkt am Strand - möglichst am Ballermann 6 - in einem höheren Stockwerk befinden und über einen breiten Balkon mit Meeresaussicht verfügen. Einen Blick-gerechteren Fahnenplatz kann es auf dieser Welt kaum geben - und das nicht nur für 90 Minuten sondern für mehrere Wochen am Stück!
Das Effektivste an der ganzen Sache: HH-Hirnis Fahne wird zwangsweise auf diversen Ballermann-Party-Fotos im Hintergrund vertreten sein. Bei dieser Vorstellung wird dem Hamburger ganz warm ums Herz.

Nach wenigen Wochen trifft ein Päckchen bei HH-Hirni ein. Mit zitternden Händen reißt er den Karton auf. Als er das 5x1 Meter große Banner in seinen Händen hält, ist er einem ... nahe.
Liebevoll küsst er seine Fahne und haucht ihr in die Fasern: "Das bin ICH". Anschließend faltet er sie zusammen und legt sie unter sein Kopfkissen.

Ein Hotel, das seinen Vorstellungen entspricht, hat HH-Hirni ebenfalls gefunden. Es kostet zwar fast soviel wie eine halbe Weltreise, aber wer seiner Fahne einen angemessenen Urlaub bescheren möchte, muss zu solchen Opfern bereit sein.

Abends geht er vor dem Einschlafen nochmals alle von ihm gesammelten Interviews, die mit anderen Fahnenhoppern geführt wurden, durch, um passende Antworten auf die üblichen Fragen auswendig zu lernen.
Schließlich kann er jederzeit von Reportern entdeckt werden, und dann gilt es, gut vorbereitet zu sein! Dazu gehören einige goldene Regeln ...
Die wichtigste davon ist, stets den Fußball als Sport in den Mittelpunkt seines Lebens zu stellen. Und die bedingungslose Liebe zum Verein. Alles Andere könnte auf szene-externe Personen befremdend und selbstdarstellerisch wirken, was Antipathien zur Folge hätte. Damit die Begeisterung für Fußball & Verein auch spürbar ankommt, ist es oberstes Gebot, die Namen der Spieler sowie die Erfolge des Vereins im Kopf zu haben.

Endlich rückt der langersehnte Tag der Abreise an. HH-Hirni hat nicht viel Gepäck: 2 Shorts, 2 Muskel-Shirts, 2 T-Shirts (natürlich alles Marken), 1 Handtuch, etwas Sonnencreme und ... natürlich seine Fahne.
Zigmal überprüft er im Rucksack die Anwesenheit seines Banners. Beinahe hätte er darüber seinen Personalausweis vergessen! Aber zum Glück gibt es dafür Mami, die ihn zum Abschied an der Tür nochmal daran erinnert.

Bei der Flughafenkontrolle kommt der nächste Stress weil HH-Hirni seinen Rucksack unbedingt mit an Bord nehmen möchte.
"Der ist leider zu voluminös. Bitte geben Sie ihn bei der Gepäckabgabe ab."fordert ihn das Flughafenpersonal beim Check-In auf.
HH-Hirni wird bleich. Kann er das seiner Fahne antun? Was, wenn der Rucksack beim Transport verloren geht? Dann wäre die ganze Reise für nichts gewesen!
Aber kein Weg führt an der Abgabe vorbei. HH-Hirni erlebt einen unruhigen Flug, und das liegt weder an dem Wetter noch an der Maschine.

Als er in Malle aus dem Flugzeug steigt, scheint die Sonne am wolkenlosen Himmel.
Im Gegensatz zu allen anderen Urlaubern fasziniert das den jugendlich wirkenden Fahnenhopper herzlich wenig. Ihn zieht es nur schnellstens zur Kofferausgabe, wo er seinen Rucksack samt fahnigem Inhalt entgegen nehmen kann. Als sein Gepäck ihm auf dem Fließband endlich entgegen rollt, greift er lechzend nach seinem Rucksack, reißt diesen hektisch auf und kontrolliert die Anwesenheit seiner Fahne. Erleichtert wischt er sich die Schweißperlen von der Stirn. "Alles noch da."

Am Hotel angekommen, führt der Portier ihn auf sein Zimmer.
Ohne einen Blick ins Bad oder auf die Raumausstattung zu werfen, rast HH-Hirni auf den Balkon und zieht ein Papier-Maßband, welches er in einem Baumarkt hat mitgehen lassen, aus seiner Hosentasche und misst die Breite des Geländers.
"Hm, Mist! 50 cm zu schmal!" flucht er vor sich hin.
Der Hotelier schaut ihn fragend an. "Alles in Ordnung?"
HH-Hirni verdreht die Augen. "Naja, wird schon klappen wenn das letzte Ende über Eck hängt!"
Zwar blickt der Mann nicht durch, was das Problem seines Gastes ist, bemüht sich aber trotzdem, höflich zu sein.
"Die Aussicht auf den Strand ist doch herrlich, oder?" versucht er die Situation zu retten.
"Geht schon in Ordnung!" stimmt der Hamburger ihm zu.
Der Hotelier möchte sich abwenden und HH-Hirni alleine lassen. Da kommt dem Jungen ein Einfall, und er kramt Stift und Zettel aus seinem Rucksack. "Warten Sie!"
Verwundert dreht sich der Hotelier um. "Ja?"
"Falls jemand an der Rezeption nach einem "HH-Hirni" fragen sollte, geben Sie ihm bitte meine Mobilnummer."
Der Hamburger notiert sein Pseudonym und seine Nummer und reicht sie dem Herrn.
"Schließlich könnte die Presse durch meine Fahne auf dem Balkon auf mich aufmerksam werden. Dann muss ich vorgesorgt haben!" denkt er weiter während der Hotelier den Zettel einsteckt und geht.
Kaum hat dieser seine Zimmertür geschlossen, hat HH-Hirni auch schon seine Fahne am Balkongitter angebracht. Mit aufgeplusterter Brust und Sonnenbrille posiert er hinter seinem Lappen und wählt gelassen die Nummer seines ehemaligen Arbeitskollegen Detlev, zu dem er noch Kontakt hat.
"Ey, ich bin jetzt auf Malle. Hab' mein Hotel direkt am Ballermann!" brüllt er in sein Handy.
"Großartig. Haste schon 'nen Eimer Sangria geleert?"
"Später. Ich hab' 'ne Bitte an dich. Check in den nächsten Tagen mal diverse Ballermann-Fotos im Netz und sag mir umgehend Bescheid, wenn dir irgendwo meine Fahne auffällt."
"Deine Alkoholfahne oder was?"
"Boh, meine Zaunfahne vom Fußball, Mensch!" reagiert HH-Hirni genervt.
Detlev kratzt sich am Kopf. "Wieso? Spielt dort der HSV oder die Deutsche Nationalmannschaft?"
"Nein, die Fahne hängt auf meinem Balkon!" stellt der Fahnenhopper klar.
"Ahso, kapier ich nicht so ganz. Na egal, hab' eh seit zwei Monaten keinen Computer mehr. Aber muss jetzt ohnehin los, da mein Date auf mich wartet. Meld' dich nach dem Urlaub mal!"
Wütend drückt HH-Hirni sein Handy aus. "Idiot!!"
Nur gut, dass sein Handy Internetzugang hat ...

Erlebt im 2. Teil, wie HH-Hirni eine Frau kennen lernt. Aber es steht jemand zwischen den beiden Verliebten: die Fahne! Wird das Mädel die große Liebe, oder wird es am Ende heißen "Diese Fahne gibt mir mehr als jede Frau"?
In Kürze wisst Ihr es!


Verehrte Kameraden,

hier kommt der 2. Teil vom Malle-Urlaub unseres fahnigen Helden HH-Hirni.
(Wer den 1. Teil verpasst hat, kann ihn hier suchen:
http://www.ultras.ws/fahnen--und-quothopping-und-quot-t7889-s368.html )

„Eigentlich könnte ich ja mal mit meiner Fahne an den Strand gehen und ein Sonnenbad nehmen. Bei dem Wetter ist dort viel los, und die Gelegenheit für uns ideal, Beachtung zu finden.“
Sanft tätschelt HH-Hirni sein Banner und nimmt es von der Balkon-Brüstung. Bis auf seine Shorts wirft er alle seine Hüllen ab, rollt seine Fahne liebevoll zusammen und rennt mit ihr unter den Arm geklemmt an das Meer.
Doch als er im warmen, weißen Sand steht, steht er nicht nur vor dem tiefblauen, glitzernden, kühlen Wasser – sondern auch vor einem Problem: Woran soll er seine Zaunfahne befestigen?
Nervös blickt er sich um. Da bleiben seine giftgrünen Augen an den zahlreichen bunten Sonnenschirmen hängen. Zielstrebig steuert er einen Händler an und kauft sich zwei Schirme der preisgünstigsten Klasse.
Als er wieder zurück ist, fällt HH-Hirni wieder ins Grübeln. „Alles, was ich nun brauche, ist ein Blick-gerechter Platz.“
Plötzlich saust ihm von rechts ein Beachvolleyball an den Kopf. Ein paar böse Unwörter für die um ein aufgestelltes Netz herum platzierten Jugendlichen, welchen der Ball entwischt ist, bleiben ihm im Hals stecken, der er sich es Besseren besinnt.
Flink wie ein Wiesel baut HH-Hirni direkt am Rande des Volleyballfeldes seine Sonnenschirme auf und hängt dazwischen seine Fahne auf.
„Wenn jetzt jemand von der Presse vorbeikommt, muss er doch zwangsläufig denken: „Wahnsinn, dieser Tausendsasser unterstützt nicht nur seinen Fußballverein in Deutschland sondern auch Jugend-Freizeit-Mannschaften im Urlaub!“ Soviel Motivation und Engagement ist einfach ein Interview oder einen Bericht wert!“ schwört sich der Hamburger.
Aber es kommt noch dicker! Ein ganzes Kamera-Team nähert sich HH-Hirni. Keine zehn Meter von ihm entfernt bleiben die fünf Herren eines deutschen Senders, welche mit ihrem Equipment unterwegs sind, stehen, während einer von ihnen den Fahnenhopper direkt ansteuert.
„Wahnsinn!“ stöhnt der Hamburger und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „Soviel Aufmerksamkeit habe ich doch nun auch wieder nicht verdient!“ denkt er ganz bescheiden.
Der mit khakifarbenen Shorts und Hawaii-Hemd bekleidete, schlanke Kerl mittleren Alters wirkt ein wenig gereizt. HH-Hirni aber lächelt wie ein Honigkuchenpferd über das ganze Gesicht.
„Soll ich meine Fahne TV-gerechter positionieren?“
Der Reporter räuspert sich. „Hören Sie!“ ruft er und zeigt auf HH-Hirnis Banner. „Wir möchten hier eine Urlauberbefragung filmen.“
„Und da haben Sie gleich mich als Ersten ausgewählt?“ fällt ihm der Hamburger
erfreut ins Wort.
Der Herr überhört diese Frage. „Bitte räumen Sie Ihr Banner weg. Während der Aufnahmen darf im Hintergrund nur die Reklame unserer Sponsoren zu sehen sein!“
Er deutet auf ein paar Plastikbanderolen am Rande des Strandes, die für Erfrischungsgetränke werben.
Diese rauen Worte sind für HH-Hirni ein Schlag ins Gesicht! Ihm wird ganz heiß und kalt zugleich, und er braucht ein paar Sekunden um sich zu fassen. Verzweifelt blickt der den TV-Mitarbeiter an und zetert:“ Aber meine Fahne ist doch kein Werbebanner! Sie ist ...“
Wütend stampft der Reporter mit seinen grauen Ledersandalen in den Sand. „Das interessiert mich nicht! Ihre Banderole hat hier während der Aufnahmen nichts zu suchen! Wenn Sie sie nicht augenblicklich entfernen, werden wir das tun und Sie mit einer Anzeige wegen illegaler Werbung belasten!“
HH-Hirni schießen die Tränen in die Augen. Das ist für ihn nicht nur unfassbar sondern eindeutig zu viel! Blitzartig packt er seine Fahne samt den Schirmen zusammen und tritt den Rückweg zum Hotel an.
Am liebsten würde er auf der Stelle abreisen, aber er weiß, dass eine
Überreaktion ihn auch nicht seinem Ziel näher bringt: Endlich (wieder-) entdeckt zu werden und ein Interview geben zu dürfen.
„Wo kämen wir hin, wenn ich jetzt alles hinwerfe?“
 
Kurze Zeit später hat er seine Fahne wieder Blick-gerecht auf seinem Hotelbalkon angebracht. Suchenden Blickes beugt er sich über die Brüstung, in der Hoffnung, irgendwo auf dem Gehweg, der an seinem Hotel und dem Strand entlangführt, einen Pressemenschen zu erspähen oder selbst von einem solchen erspäht zu werden.
Doch plötzlich bleibt etwas ganz Anderes unter HH-Hirnis Stützpunkt stehen und blickt mit großen Augen zu ihm hinauf.

Es ist die zweiundzwanzigjährige Trixi. Die Hauptschulabsolventin aus einem oberbayerischen Dorf hatte vor vier Jahren den Entschluss gefasst, „prominent“ zu werden. Da sie keinerlei Talente besitzt, investierte sie zunächst in ihr Aussehen, indem sie sich mit Wasserstoff ihre langen, haselnussbraunen Haare blondierte, bei einem Chirurgen ihre Oberweite vergrößerte und ihr Gesicht mit allerlei Schminkutensilien aufpolierte.
Da ihr dieser Auftritt auf dem Land allerdings nur bösen Tratsch einbrachte, zog es sie nach Malle.
Malle, die Insel, auf der keine Fremdsprachen erforderlich sind.
Malle, der magische Ort, an dem sich die Prominenz aus der Schlager- und Casting-Welt sammelt.
Malle, die Insel, auf der Leben Urlaub bedeutet.
Nach ein paar Wochen als Kellnerin am Tresen am Ballermann war für sie klar, dass sie nur an der Seite eines populären Mannes zu Ruhm gelangen könne. Nach nichts sehnte sie sich mehr, als den Beifahrersitz eines S-Klasse-Schlittens zu zieren. Selbst wenn es nur für kurze Zeit wäre, ein paar Tage würden ausreichen, um in die Medien zu gelangen: Der mögliche Start einer steilen Karriere.
Bisher war sie aber nur an irgendwelche unbedeutenden Touris gelangt, die sich ihr als „wichtig“ verkauften und ihr letztendlich auch nicht zu dem von ihr erwünschten Werdegang verhelfen konnten.
 
Soeben hatte sie am Strand beobachtet, wie das Kamera-Team HH-Hirni angesteuert hatte und er kurz darauf die Flucht ergriff.
Zwar sagte ihr das Gesicht des Hamburgers nichts, aber wer kann heutzutage im Casting-Zeitalter noch bei all den Prominenten durchblicken?
„Irgendetwas muss dieser Typ schon sein, sonst hätte er nicht vor den Paparazzi fliehen müssen.“ redete sie sich ein und folgte HH-Hirni bis zu seiner Residenz.
 
„Na, du! Auf wen wartest du denn?“ flötet sie zu ihm auf den Balkon hinauf.
HH-Hirni starrt sie überrascht an. „Wow, meint die etwa ... mich?“ staunt er.
„Bisher hat mich noch nie eine Frau angesprochen, und dann steht plötzlich so ‚ne Hammerbraut vor mir!“ Dem Hamburger fällt die Kinnlade hinunter.
„Mit Frauen ist es wie mit Fahnen: Sie müssen gut aussehen, damit man mit ihnen auffällt. Trotzdem haben Fahnen Vorteile: Man kann sie einpacken, überall mit hinnehmen und bei Gelegenheit aufhängen.“ denkt er während er schweigend hinunter guckt.
„Redest du nicht mit jedem?“ ruft sich Trixi nun wieder in Erinnerung.
HH-Hirni schluckt. „Doch, doch. Ich ... ich warte gerade auf Reporter.“
Das wollte Trixi hören! „Oh, du bist also ein Star?“
Der Norddeutsche grinst. „Hm, fast! Ich bin zumindest nicht so ganz unbekannt.“
„Wahnsinn! Wer bist du denn?“ will sie wissen.
„HH-Hirni.“ Antwortet dieser von sich überzeugt und zeigt auf seine Fahne.
Ungläubig blickt sie ihn an. „Kenn‘ ich nicht. Aber egal. Wirst schon ein ganz Großer sein wenn die Presse dauernd hinter dir her ist.“
HH-Hirni seufzt. „“Dauernd“ ist gut!“
„Ach, was! Nicht so bescheiden!“ ruft Trixi. „Komm lieber runter und lad mich an der Strandbar auf ‘nen Cocktail ein! Von dort aus haben wir einen Ausblick auf dein Hotel. Da entgeht uns kein Reporter!“
Unsicher betrachtet der Hamburger sein Stöffchen. „Was soll ich in der Zeit mit meiner Fahne machen?“
Trixi versteht seine Frage nicht ganz und schweigt.
Während sie auf dem Weg zur Bar im pinken mit goldenen Sternen bedruckten String und einem ausladenden Bikini-Oberteil neben ihm her schlendert, trägt er auf seiner Schulter seine in eine Strandtasche gepackte Fahne und grübelt, wie und
wo diese wohl am Blick-gerechtesten anbringen könne.

Im 3. Teil erwarten HH-Hirni & seine Fahne einige Überraschungen an den Strandbars, denn ein "alter Bekannter" taucht wieder auf. Seid gespannt ...



Was bisher geschah:
Um seine neue Fahne aller Welt zu präsentieren, reist HH-Hirni mit ihr nach Malle. Dort geht er auf die Suche nach Presseleuten um endlich in die Medien zu kommen.
Auf diesem Weg lernt er die hübsche Trixi kennen, die ihn für einen Promi hält und sich an ihn heftet.
( http://www.ultras.ws/fahnen--und-quothopping-und-quot-t7889-s432.html )


"Wenigstens kann ich dort die Toilettentüren mit meinen Aufklebern zustickern." tröstet sich HH-Hirni als er mit Trixi zur nahegelegenen Strandbar spaziert.
Dort fällt sein Blick als Erstes auf die fast komplett besetzten Barhocker - während alle Blicke der Belegschaft auf die attraktive Trixi fallen.
Doch das bemerkt der Hamburger gar nicht, denn keinen Augenblick später ist er bereits dabei, sein Banner an den Barhockern anzubringen. Allerdings gefällt das der Kundschaft weniger.
"Hey, was soll das?!" beginnt schon ein biertrinkender, beleibter Senior zu fluchen.
Auch ein jüngerer Bursche mit Blumengirlande um den Hals ist wenig erfreut, als HH-Hirni ein Bändchen seiner Fahne an seinem Hocker festknotet. "Lass gefälligst diesen Sch...!"
"Ja, sind wir hier auf einer Werbeparty?" mischt sich nun auch ein pummeliger Mittzwanziger ein, welcher einen Fischerhut auf dem Kopf trägt.
Etwas verwirrt beugt sich der Wirt über die Theke und blickt zornig zu dem Hamburger. "Hey Junge, nimm dein Zeug da ab!" Sowas fangen wir hier gar nicht erst an!"
HH-Hirni sieht überrascht zu ihm herüber.
"Starr mich nicht an, Kleiner! Runter damit, und mach, dass du wegkommst! Ich hab' null Bock auf solchen Stress!"
Wutentbrannt entfernt HH-Hirni sein Banner und stürmt davon. Trixi dackelt ihm verständnislos hinterher.
"Deine Freundin kannst du aber gerne hier lassen!" kichert der Fischerhutträger.

"Was sollte denn das? stellt Trixi den Hamburger zur Rede als sie außer Reichweite sind.
HH-Hirni atmet genervt aus. "'Verstehst du nicht!"
Plötzlich erblickt er etwas, was ihm total die Sprache verschlägt: Über dem Eingang einer Cocktail-Bar hängt in voller Breite das Banner von ... Junkersdorf Jünter!
In Sekundenschnelle fängt es in HH-Hirni an zu kochen. Hastig packt er Trixi am Arm und zerrt sie hinter sich her in das Lokal.
"Na, dem mache ich jetzt einen Strich durch die Rechnung! Wäre ja gelacht ... !"
Wie von der Tarantel gestochen, steuert er in dem halbvollen Laden den nächsten Kellner an. "Ich muss unbedingt den Geschäftsführer sprechen!" fordert er.
Der Laufjunge sieht ihn verdutzt an, nickt dann aber und flitzt Richtung Küche.
Kurze Zeit später erscheint er mit einem großen, kräftigen Herrn, dessen schwarzes Muskelshirt die durchtätowierten Arme besonders betont. Lächelnd zwinkert dieser Trixi zu, wirft dann aber einen grimmigen Blick auf den ihm über einen Kopf unterlegenen HH-Hirni. "Was gibt's?"
Der Hamburger schluckt. "Ich wollte Ihnen nur sagen, dass da draußen jemand eine Banderole über den Eingang Ihres Lokals gehängt hat."
Im selben Moment entdeckt er an einem Tisch Junkersdorf Jünter, der sich bei dem Wort "Banderole" zu ihm dreht und wie ein König grinst.
"Mensch, Rico," lacht der Kölner den Muskulösen an, "lass den Kleinen, der ist bloß ein nerviger Fan von mir."
Rico schmunzelt und streicht sich über sein raspelkurzes, dunkles Haar. "Na, wenn das so ist ..."
Wieder zu HH-Hirni gewandt, fordert er: "Da hörst du's, Bengel! Geh meinem Kumpel nicht auf den Senkel! Jünter und ich kennen uns schon seit der Zeit am Bolzplatz, da genießt er hier Sonderrechte!"
"Ich fass' es nicht!" denkt der Norddeutsche und sucht nach passenden Worten um sich aus der Situation zu retten.
"Hast du's nicht kapiert?" brüllt nun Rico und stemmt seine nicht kleinen Fäuste in die Hüften. "Mach 'nen Abgang!"
Während HH-Hirni den Ausgang ansteuert, steuert Junkersdorf Jünter mit einem charmanten Lächeln Trixi an.
"Hey, Süße. Was möchtest du denn mit diesem Loser? Setz dich lieber zu mir an den Tisch. Ich lad' dich ein."
Trixi zögert unschlüssig.
"Wenn du möchtest, erzähle ich dir gerne mehr über deinen Begleiter." bietet der Kölner an.

So muss der Hamburger seinen Urlaub wieder alleine fortsetzen.
Alleine?
Nein, denn er hat ja seine Fahne ...


Lesen Sie im 4. und letzten Teil:
HH-Hirni hängt beim Groundhopping im Stadion von UD Arenal seine Fahne auf. Plötzlich nähert sich ihm ein Reporter der örtlichen Sportzeitung. Wird HH-Hirni endlich sein langersehntes Interview geben können? Sie erfahren es in Kürze.