Dienstag, 19. Juli 2011

Serbien - streitbar und unbequem

Serbien, erstmals urkundlich im Jahre 822 von Einhart, dem Biographen Kaiser Karls des Grossen erwähnt war damals ein eigenständiges Fürstentum, dass aber Mitte des 9. Jahrhunderts von den Magyaren verwüstet wurde und im Zuge dessen ab 950 vollkommen unter der Herrschaft von Byzanz stand. Etwa um 1040 erreichte Serbien dann aber wieder eine Eigenständigkeit die bis 1131 andauerte, jedoch von Byzanz abgeschirmt wurde. Nach der Schlacht vom Amselfeld (Kosovo Polje) am Vidovan bzw. Veitstag 1389 (28. Juni) wurde der türkische Einfluss immer grösser, 1459 wurde Serbien schliesslich von den in Richtung Wien vorrückenden Osmanen erobert und blieb bis 1804 unter Osmanischer Herrschaft. Der serbische Aufstand brachte die teilweise Unabhängigkeit, das Osmanische Reich schlug 1813 jedoch zurück und eroberte Serbien zurück. 1867 schliesslich zogen sich die letzten osmanischen Truppen zurück und auf dem Berliner Kongress von 1878 wurde die Unabhängigkeit Serbiens bestätigt. 1882 schliesslich wurde Serbien Königreich. Die Obradovics herrschten fortan über das Land. Drei Jahre später erklärte Serbien den Bulgaren den Krieg wurde von diesen aber schwer geschlagen und nur durch das Eingreifen von K.u.K. Truppen von der vollständigen Vernichtung bewahrt. 1886 wurde der Status quo wiederherstellt. (Frieden von Bukarest 3.3.1886). Am 9. Oktober 1912 begann der erste Balkankrieg mit einem Angriff Montenegros auf die Osmanen, denen sich auch Bulgarien, Serbien und Griechenland anschlossen. Bis 1913 verlor das Osmanische Reich fast alle seine europäischen Besitzungen, um deren Aufteilung am 29. Juni 1913 der zweite Balkankrieg – diesmal hiess es Serbien, Griechenland, Rumänien und das Osmanische Reich gegen Bulgarien – entbrannte. Bulgarien verlor und musste im zweiten Bukarester Frieden (10.8.1913) fast alle eroberten Gebiete aus dem ersten Balkankrieg wieder hergeben. Makedonien wurde zwischen Serbien und Griechenland aufgeteilt, Thrakien fiel an Griechenland. Doch damit war das Pulverfass nicht gelöscht, die Lunte des Panslawismus – Serbien wurde dabei durch den russischen Zaren unterstützt – brannte weiter und diesmal ging es um die seit 1908 von Österreich-Ungarn verwalteten Gebiete Bosniens und der Herzegowina. Ausgerechnet am 525. Jahrestages der Schlacht vom Amselfeld wollte der Thronfolger der K.u.K. Monarchie Sarajevo besuchen. Dies nutzten bosnisch-serbische Nationalisten (also de facto österreichisch-ungarische Staatsbürger) zu einem Attentat. Das erste schlug fehl aber Gavrilo Princip gelang es, mit einer Pistole bewaffnet Franz Ferdinand sowie seine Frau Sophie Chotek zu töten. (er war zum Tatzeitpunkt 18 Jahre alt und galt noch als Jugendlicher – das Erwachsenenalter erreichte man damals mit 21 – und entging damit der Todesstrafe. Er starb 1918 im Gefängnis an der Tuberkulose). Österreich-Ungarns Kriegspartei vermutete sofort die serbische Regierung hinter dem Attentat, obwohl es bis heute keine schlüssigen Beweise dafür gibt und erklärte nach einmonatiger ergebnisloser Verhandlung (dabei wurden mehrere für die Serben unannehmbare Ultimaten und Forderungen gestellt) am 28. Juli 1914 den Krieg. Der Erste Weltkrieg war angebrochen, der über vier Jahre dauern, 10 Millionen Tote und 30 Millionen Versehrte kosten und die Landkarte Europas nachhaltig verändern sollte. Zunächst allerdings sprachen die Waffen, Serbien konnte den ersten Angriff der K.u.K. Armee abwehren, musste aber bis Ende 1915 das Land räumen und wurde nach Korfu evakuiert. Von dort wurde sie in die Orientarmee der Entente, welche in Griechenland stationiert war, integriert und konnte 1918 als siegreiche Streitmacht nach Serbien zurückkehren. Mit Ende des Krieges wurde auch der grosserbische Traum eines Staates aller Südslawen Wirklichkeit, der SHS Staat, ab 1929 das Königreich Jugoslawien war geboren. Im Zweiten Weltkrieg war Jugoslawien zunächst neutral, trat dann dem Dreimächtepakt (nach unverhüllten Kriegsdrohungen) bei und wurde schlussendlich am 27. März 1941 von der Wehrmacht überfallen und erobert. Dabei wurde am 6. April die jugoslawische Hauptstadt nahezu dem Erdboden gleichgemacht, der Luftangriff forderte 22.000 Tote. Wie bereits im Ersten Weltkrieg gingen die Serben in den Partisanenkrieg über, wobei es da mit den Tschetniks (Royalisten, von England unterstützt) und den Partisankas (von der Sowjetunion unterstützt) zwei gegenläufige Bewegungen gab, die nicht nur die Deutschen sondern auch sich selbst bekämpften. In Kroatien, welches eine relative Unabhängigkeit erreichte herrschten die Ustascha Verbände (faschistische Kampfgruppen), die gegen die Serben und Bosnier vorgingen. Im Laufe des Krieges gewannen die Partisanen unter der Führung von Josip Broz „Tito“ die Oberhand und konnten gemeinsam mit den Russen im Oktober 1944 zunächst Beograd, später grosse Teile Serbiens zurückerobern. Das Ende des Krieges brachte auch den Frieden für Jugoslawien, Tito errichtete einen kommunistischen aber blockfreien Staat, was den Russen zunächst nicht so passte. Tito starb 1980 und sein Land zerfiel sukzessive, 1991 spalteten sich Slowenien und Kroatien ab, der erste Jugoslawienkrieg begann. Bis 1995 verlor Serbien alle Teilrepubliken ausser Montenegro und dem Kosovo. Dieser versuchte seit 1999 unabhängig zu werden, wurde nach der Bombardierung Beograds durch die EU und NATO unter EU Mandat gestellt und erklärte 2008 die Unabhängigkeit, die allerdings weder von Serbien noch von den meisten Ländern der Erde anerkannt wird. Heute versucht Serbien als demokratischer Staat die Aufnahme in die EU zu erreichen, ob es gelingt wird die Zukunft zeigen. Ein Unruheherd war und ist dieses eigenartige, stolze Volk im Südosten Europas immer. Bei all dem Negativen kann man aber auch etwas lernen, nämlich dass es sich lohnt, unbequem zu sein und für seine Ideale einzutreten. Das haben viele Menschen heute nämlich schon lange verlernt.