Montag, 24. September 2012

Ta-Ku Forts im Sommer 1900

Datei:S.M. kanonenboot Iltis.jpg

Die SMS ILTIS war Stationsschiff in Ta Ku während des Boxeraufstandes, sie war eines von sechs Überseekanonenboote der kaiserlichen Marine. Mit ihren 4 88mm Kanonen sowie - zur Zeit des Aufstandes - 8 Maschinenkanonen 37mm konnte sie den Fluss Peiho gut befahren und damit das Landungsdetachement in Tientsin unterstützen sowie die Forts von Ta Ku, deren schwere Geschütze (150mm bzw. 120mm Kruppgeschütze) seewärts zeigten und nur leichtere 75mm Kanonen nach hinten sicherten beherrschen und niederkämpfen. Am 17. Juni 1900 war sie eine von sechs Schiffseinheiten, die noch vor Ablauf des Ultimatums an die Chinesen - das auf 2 Uhr lautete und welches um eine Stunde früher von chinesischer Seite beendet wurde - den Kampf mit den Forts aufnahm. Dabei erlitt sie schwere Beschädigungen, acht Mann fielen, elf weitere wurden verwundet, konnte aber das Nordwestfort sowie das Südfort ausser Gefecht setzen und die Landeeinheiten unterstützen. Ihr Kapitän, Lans wurde dabei schwer verwundet. Der zweite Offizier Oberleutnant Hoffmann führte das Schiff während des grössten Teils des Gefechtes (der 1. Offizier befand sich zu diesem Zeitpunkt in Tientsin) und brachte es danach auch auf die Reede zurück. Ebenfalls auf diesem Schiff befand sich der im 1. Weltkrieg berühmt gewordene Korvettenkapitän (damals noch Leutnant)  Karl Nerger.
 
Datei:Khrabryy1895.jpg
 
Das Kanonenboot BOBR (oben ein Foto des Schwesterschiffes Krabri) war eines von drei russischen Kanonenbooten während der Beschiessung der Ta Ku Forts. Mit seinen zwei 203mm Kanonen sowie einer 152mm Kanone dazu noch Schnellfeuergeschütze vom Kaliber 47mm konnte es durchaus mit jeder Landbatterie aufnehmen. Die BOBR wurde während der Kämpfe ebenfalls beschädigt, konnte jedoch das Südfort mit einem Treffer in die Munitionskammer sprengen.
 
Datei:Koreets.jpg
 
Die Kanonenfregatte (später Kanonenboot) KOREJETZ war die zweite Einheit die am Kampf um die Forts teilnahm. Ebenfalls mit zwei 203mm, einer 152mm Kanone sowie kleineren Maschinenkanonen bewaffnet griff sie in den Kampf um die Forts ein. Dabei wurden 9 Mann getötet und 20 verwundet.
Datei:Koreets1900.jpgBild nach den Kämpfen um Ta Ku. Juni 1900
 
Datei:Gilyak1895-1904naBaltike.jpg
 
Das Kanonenboot GILIJAK war die dritte russische Einheit, die an den Kämpfen teilnahm. Mit einer 120 mm Kanone als Hauptbewaffnung ausgerüstet (die Nebenbewaffnung stellten 5 75mm Kanonen dar) war ihr Auftrag eher die Unterstützung der Landetruppen, welche die Forts am Vormittag des 16. Juni 1900 erstürmen. Dabei gab es lediglich einen Leichtverletzten. Die GILIJAK war für diese Aufgabe mit einem 63,5mm Landungsgeschütz ausgerüstet, welches Steilfeuer schiessen konnte.
 
File:HMS Algerine (1895).jpg
 
Angeführt wurde die Beschiessung durch die britsche ALGERINE, einem Kanonenboot, welches speziell für diese Aufgabe entstandt wurde. ALGERINE erhielt einige Treffer, wurde aber nicht ernsthaft beschädigt. Bewaffnet war die ALGERINE mit mit seche 101,6mm Schiffsgeschützens sowie einigen Schnellfeuerkanonen.
 
Hier ein zeitgenössischer Bericht über die Kämpfe:
 
Am 17. Juni, also zu der Zeit, wo das Detachement Seymour bei Langfang zur Umkehr gewzungen wurde, nahmen die Kriegsschiffe der verbündeten Mächte die Takuforts. Letztere bestanden aus vier größeren und zwei kleinen Lehmforts knapp an der ganz flachen Küste auf beiden Ufern der Peiho-Mündung. Sie waren gut sichtbar und gegen Schiffsgeschütze zumeist deswegen nicht haltnbar, weil die Verteidigungsgeschütze ungedeckt auf offenem Walle standen. Die Sturmfreiheit war überdies geing, die Innenräume nur teilweise gedeckt. Die Armierung war modern.
Die Veranlassung zur Wegnahme dieser Forts gaben die Vorgänge in Peking und Tientsin, wo die Fremden arg bedrängt wurden. Der Besitz der Takuforts war für die Verbündeten deshalb notwendig, weil selbe die Verbindung zwischen den Meere und Tientsin sperrten; überdies mußte durch irgend eine ernste Handlung auch die Kraft der Verbündeten zum Ausdrucke gebracht werden, um die Boxerbewegung einzuschüchtern. Es wurde daher am 16. Juni an den chinesischen Kommandanten ein Ultimatum gerichtet, die Forts bis zum nächsten Tage 2 Uhr früh zu räumen, widrigenfalls selbe mit Gewalt genommen würden. An demselben Tage wurde auch ein Landungsdetachements von ca. 600 Matrosen zum Schutze des Bahnhofes nach Tongku (etwa 10 Kilometer westlich Taku) befördert, wo sich bereits über 300 japanische Matrosen befanden. Da die großen Kriegsschiffe nur ungefähr 8 Seemeilen an die Küste bei Taku heranfahren können, so standen nur neun kleinere flachgehende Kriegsfahrzeuge, d. i. kleinere Keuzer und Kanonenboote, für den Angriff zur Verfügung. Von denselben lagen zwei im Peiho-Flusse bei Tongku, die übrigen an der Mündung des Flusses, fast unmittelbar neben den Forts. Noch vor Ablauf des Ultimatums, d. i. am 17. Juni nach 12 Uhr nachts, wurde von den chinesischen Forts das Feuer an die an der Mündung des Peiho stehenden Kriegsschiffe eröffnet, welch letztere nun zur einer regelrechten Beschießung der Forts schritten.
Für diesen Zweck standen zur Verfügung:
Kanonenboot "Iltis" (Deutschland)
die Kanonenboote "Bobr", "Giljak", der kleine Kreuzer "Korrejetz", das Torpedoboot "Gaidamak" (Rußland),
Kanonenboot "Lion" (Frankreich)
der kleine Kreuzer "Algerine", die Torpedobootzerstörer "Whiling", "Fame" (England)
Daneben war noch ein Landungskorps unter dem Oberbehl des Kapitäns z. S. Pohl, des Kommandanten Sr.M.S. "Hansa" zusammengestellt, dem der eigentliche Sturm auf die Forts als Aufgabe gestellt war.
Die Chinesen hatten in der mondscheinklaren Nacht zum 17. Juni gegen 1 Uhr das Feuer eröffnet, richteten aber vorläufig noch keinen Schaden an, bis es 1/2 4 Uhr des Morgens anfing, hell zu werden und dadurch die chinesische Artillerie sich besser einschießen konnte. Als Hauptzielpunkt diente für die Geschütze der Forts die von Korvettenkapitän Lans geleitete deutsche "Iltis", die als Führerschiff diente, da Korvettenkapitän Kans als ältester anwesender Kommandant den Oberbefehl hatte. Trotzdem fuhr die "Iltis" an der "Algerine" vorbei, um aus Mangel an weittragenden Geschützen sich näher an das Nordwestford zu legen und mit ihren 3,7-cm-Maschinenkanonen die chinesischen Bedienungsmannschaften zu treffen. Die "Iltis" war nun natürlich wegen der Nähe noch mehr dem feindlichen Feuer ausgesetzt, erfuhr arge Beschädigungen und leider auch erhebliche Verluste. Das gänzlich ungeschützte Kanonenboot, welches nur um seine Maschinenanlage einen dünnen Panzerschutz besaß, erhielt 21 Volltreffer aus 12- bis 21-cm-Geschützen, von denen ein großer Teil in und auf dem Schiffe krepierte. Zum Glück befanden sich die chinesischen Zünder infolge schlechter Aufbewahrung in einem sehr schlechten Zustande, und nicht alle Granaten krepierten, auch wurdem glücklicherweise die Kesselanlagen nicht getroffen, in welchem Falle das Schiff sofort aktionsunfähig gemacht worden wäre. Die Aufbauten litten freilich dafür umso stärker. Kommandobrücke, Kartenhaus, Steuerapparat. Maschinentelegraph erhielten gefährliche Treffer, Oberleutnant z. See Hellmann und 7 Mann fielen, und gegen 6 Uhr früh wurde auch Kommandant Lans schwer verwundet. Aber obgleich ihm eine krepierende Granate beide Knochen des linken Unterschenkels zerschlug und ihm außerdem 25 kleine Splitterwunden in den Beinen, Brust und Gesicht zufügte, blieb er todesmutig und tapfer bis gegen den Schluß des Treffens auf der Kommandobrücke seines Schiffes und lenkte auf diese Weise das Gefecht einheitlich zu einem günstigen Ausgange. Alle Kanonenboote hatte zunächst ihr Feuer auf das Nordwestfort gerichtet, und als 1/4 5 Uhr des Morgens auch das letzte Geschütz, das hartnäckig und unverdrossen von den Chinesen bedient wurde, zum Schweigen genbracht worden war, gab ein am Vordermast der "Iltis" aufsteigender schwarzer Ball das verabredete Zeichen zum Sturmangriff.
Über die Vorgänge an Bord der "Iltis" haben wir einen trefflichen, aus erster Quelle stammenden Bericht, den der Kriegskorrespondent I. Herrings geschrieben hat, derselbe, dem das tragikomische Malheur passierte, daß er, der unter deutscher Flagge schwer verwundet wurde, in Deutschland, wohin er sich später begeben hatte, als unsicherer Heeresflüchtiger festgenommen wurde. Kaiserliche Gnade legte die Sache bei. Wohl an die 80 Geschütze, so schilderte Herrings anschaulich die Schlacht, darunter (auf chinesischer Seite wenigstens) solche von Kaliber 21 bis 28 cm, beteiligten sich an dem Höllenkonzerte. Das Gezische und Gekreische der heransausenden Geschosse zeriß die Ohren mit seinem schrillen Diskant, in den der Kanonendonner wie mächtige Paukenschläge einklang, ohne doch das ewige "Ratata, Ratata" der Maschinengewehre - eigensinnige Kinderstimmen gleich, die auch zu Gehör kommen wollen - ganz betäuben zu können. Blasser wurden im grauenden Morgen die feurigen Bogen, die unsere Geschosse in die Luft malten, ehe sie auf den Steinwällen der Chinesen in wilder Glut krepierten. Immer deutlicher hoben sich von dem fahlen Braun der Festungswerke die dunklen Gestalten der chinesischen Kanoniere ab. Das Backgeschütz der "Iltis" hatte das Schutzschild einer der dort plazierten großen Kanonen zerstört, un die Hartnäckigkeit, mit welcher Leutnant Nerger das Ziel festhielt, verscheuchte die feindlichen Artilleristen von ihren Posten. Ihr Feuer wurde merklich schwächer.
Dafür aber verdoppelte jetzt das Südfort in unserem Rücken seine Tätigkeit und füllte die Pausen, die das Nordwestfort eintreten ließ, mit dem fast ununterbrochenen Donner seiner mächtigen Geschütze. Vor der "Iltis" prasselte ein Regen von Schrapnells, Granaten und Bomben ins Wasser.Manche dieser Geschosse explodierten auf dem Flußbette und schleuderten die gelben Fluten des Peiho meterhoch empor.
Sie schossen noch immer zu hoch, die Chinesen, obwohl sie jetzt ihr Ziel, unsere sechs kleinen Kanonenboote, deutlich vor sich hatten. Auf der "Iltis" schrieen - anders hätte man sich bei dem Getöse nicht verstanden - sie einander zu, der Feind hätte das Visier auf Hochwasser gestellt, und da noch Ebbe herrschte, schössen sie acht Fuß über die "Iltis" hinweg. In der Takelage waren freilich schon einige Geschosse geplatzt; das war gegen drei Uhr, als die Leute Frühstückspause machten. Unsere Feinde schienen doch nicht warten zu wollen, bis ihnen die Hochflut die Kanonenboote vor das Visier brachte; dichter und dichter flogen ihre Geschosse über die "Iltis" weg und schlugen zwischen den Lehmhütten des hart am Ufer gegen das Nordwestfort aufsteigenden Dorfes ein.
Ganze Straßengevierte, die Hunderten von Menschen zur Wohnung dienen mochten, wurde so zerstört. Ich hatte mein Glas auf die Staubwolken gerichtet, die die Stellen markierten, wo die chinesischen Geschosse eingeschlagen waren, ich erwartete, Jammergeschrei zu hören und Szenen des Entsetzens zu sehen. Aber es ereignete sich nichts dergleichen, kein Angstgeschrei, kein Schmerzensruf, keine Klage, kein Wutgeheul drang aus den Ruinen zu uns herüber, nichts regte sich am Ufer und in den Straßen. Da und dort schoß eine Feuergarbe durch die Staubwolken, um wenige Augenblicke später ohnmächtig zu ersticken. In den Hütten dieses armen Chinesenvolkes fand selbst die gierige Flamme keine Nahrung. Da ward ese klar, was man schon seit Stunden vermutet hatte, daß die Bewohner lange vor dem Beginn des Bombardements um die bevorstehende Gefahr gewußt hatten. In Scharen von vielen Tausenden hatten sie Taku und Tongku und die zahlreichen Dörfer , die sich um die Forts gruppierten, verlassen und waren weit hinter dem Nordfort - auf dem Wege nach Pehtang - in Sicherheit. Nur die Kranken und Elenden hatten sie zu Hause gelassen, und diese fielen denn auch zum großen Teil den Kanonen des Südforts zum Opfer.
Das Südfort setzte sein bisher so gänzlich wirkungslos gebliebenes Bombardement mit verdoppelter Energie fort. Entweder hatte die Flut bereits eingesetzt und die "Iltis"gehoben oder die Chinesen begannen jetzt das Ziel besser zu finden, denn eben durchbohrte eine Granate die Achterkante des hinteren Schornsteines, und ein Hagel von eisernen Splittern fiel auf die Kommandobrücke und das Deck herab. Eine dichte Rauchwolke zog in diesem Momente von den links von uns ankernden drei russischen Kanonenbooten "Bobr", "Korrejetz" und "Giljak" über das Deck der "Iltis", so daß man keine drei Schritte weit sehen konnte. Es war dies das dritte Mal, daß der Kampf auf sämtlichen Kanonenbooten einige Minuten lang eingestellt werden mußte, da der schwere Rauch der russischen Geschütze unsere ganze kleine Flotille, von dem die äußerste Linke haltenden französischen Schiffe "Lion" bis zu der rechts von uns ankernden "Algerine" (englisch), in eine undurchdringliche Wolke einhüllte.
Die herabsausenden feindlichen Geschosse, die mächtige Luftwolken mit sich rissen, hatten den Rauchschleier bald wieder zerteilt, und nun gewahrte man, daß die Splitter, welche das den Schornstein der "Iltis" durchbohrende Geschoß auf das Deck des Schiffes herabhagelt, keinerlei Schaden angerichtet hatten. Aber die Leute an den Kanonen schienen von einer wahren Wut gegen den unsichtbaren Feind erfaßt. Die Munitionsträger eilten über das Deck, als gelte es eine Wette, schweißtriefend, der schweren eisernen Last kaum achtend; die Geschützbedienungsmannschaften hatten die Jacke über der heißen Brust aufgerissen und hantierten mit aufgekrämpelten Ärmeln. Es bedurfte der ganzen kalten Überlegung der Offiziere, um den Geschützführern, die zielend und feuernd hinter den Maschinenkanonen saßen, die nötige Ruhe zu verleihen. Die plötzliche Wut, die in die Leute gefahren zu sein schien, fiel einem um so mehr auf, als sie bis dahin eine bewundernswürdige Kaltblütigkeit, die sich mit deutlich ausgesprochener Verachtung für die feindlichen Geschosse paarte, an den Tag gelegt hatten. Der Geist eisener Disziplin und treuer Pflichterfüllung, der die ganze Mannschaft des Schiffchens vom ersten bis zum letzten durchdrang, stellte jedoch das Gleichgewicht schnell wieder her, und an Stelle der für einen Moment aufflackernden Kampfeswut trat aufs neue kaltblütige Überlegung, die nicht einzige Patrone verschwendete.
Mit derselben erstaunlichen Ruhe hatten die Leute des Marine-Ingenieurs Friedrich die heftig qualmende japanische Kohle, mit der die Kessel bisher geheizt worden, beiseite geschafft, um einer weniger rauchenden Qualität Platz zu machen, die rückwärts des Kesselraumes verstaut war. Die Leute kamen rauchgeschwärzt und schweißtriefend aus dem Kesselraum an Deck, wo sie zum erstenmale das Kriegsgeschrei der dicht über ihre Köpfe hinwegsausenden eisernen Feinde hörten — keiner zuckte auch nur mit der Wimper, kaum daß sie vor den kreischenden Geschossen die unwillkürliche "Verbeugung" machten. Platt lagen sie auf Deck ausgestreckt, die Arme tief in den die Bunkers öffnenden Löchern, in ihr schwarzes Handwerk vertieft, als würde die Arbeit unter klarem Himmel, auf Gottes freiem friedlichen Meere getan. — —
Die beiden großen Schnellfeuergeschütze der "Iltis" (8,8 Centimeter Kaliber) hatten sich inzwischen ausschließlich dem Südfort gewidmet, welches auch uns seiner ganz besonderen Aufmerksamkeit zu würdigen schien. Rings um uns waren die sonst so trägen gelben Fluten des Peiho in wilder Aufregung ob der fort und fort einschlagenden feindlichen Geschosse. Unsere Maschinenkanonen aber sandten ab und zu eine Salve nach dem Nordwestfort hinüber, das sich nur noch mit einem einzigen Geschütz verteidigte. Auch dieses schwieg endlich. Die chinesischen Kanoniere wichen zurück. Noch einmal - zweimal machten sie den Versuch, ihr letztes Geschütz wieder in Aktion zu setzten, aber unter dem eisernen Hagel, mit dem unsere Maschinenkanonen sie überschütteten, konnte kein Sterblicher stehen. Die Widerstandsfähigkeit des Nordwestforts war gebrochen, in wilder Panik flohen die Chinesen von den Wällen. Am Fockmaste der "Iltis" stieg der schwarze Ball empor, welcher verabredungsgemäß den gelandeten Mannschaften unter Kapitän Pohl von der "Hansa" das Zeichen zum Sturm auf das niedergekämpfte Fort gab. Wenige Augenblicke später wurde der schwarze Ball auch am Hauptmaste der "Algerine" gehißt, und jetzt stellten sämtliche Kanonenboote ihr Feuer auf das Nordwestfort ein, um ihre ganze Aufmerksamkeit dem Südfort zuzuwenden. Das Nordfort, das noch tags vorher schwarz oder vielmehr blau von chinesischen Truppen gewesen, schien bereits aufgegeben zu sein; wenigstens waren seine Geschütze verstummt.
Ich stand an die Reeling gelehnt, unweit des achteren Schornsteins und beobachtete mit dem Glas die braune dürre Lehmwüste, die sich oberhalb der Ortschaft nach dem Nordwestfort erstreckte. Hier war es lebendig geworden, dünne grauweiße Linien bewegten sich schlangenartig gegen die Wälle, kamen näher und näher, lösten sich auf — jetzt konnte man die einzelnen Soldaten bereits unterscheiden, man hörte ihr "Hurra" nicht, aber man fühlte es mit, als sie im Sturmschritt gegen die Befestigung vorrückten. Hinter einsamen Salzmühlen, die bisher tot und verlassen erschienen, tauchten plötzlich unsere Matrosen auf, aus Gräbern stiegen sie empor und eilten den Kameraden nach zum Kampfe, zum Siege. —
Gerade um diese Zeit erhielt Herrings seine schwere Verwundung, wegen deren er nach dem Lazarett in das Zwischendeck transportiert werden mußte. Er kann daherden weiteren Verlauf der Affäre nicht aus eigener Anschauung schildern, berichtet aber anschaulich genug nach den ihm gewordenen Erzählungen anderer, vor allem nach den Angaben des tapferen Kommandanten Lans selbst.
Noch hatte sich der Rauch, den die (im Kartenhause) explodierende Munition verursachte, nicht verzogen und Steuermann Schmidt, der auf der Steuerbordseite vor dem Kommandoturm gestanden hatte, war nach der Backbordseite herübergesprungen, um dem Kommandanten zu melden, daß das Feuer gelöscht sei, da schlug eine Granate an der Stelle ein, wo der Mann noch eben gestanden hatte, riß das dahinter liegende Deck der oberen Brücke auf, explodierte und zertrümmerte das mittschiffs befindliche Geländer und sämtliche klar stehenden Gewehre. Ein Schauer von Sprengstücken fiel auf die Backbordseite nieder, wo eine Maschinenkanone mit gefülltem Gurt klar zum Feuer stand. Sprengstücke hatten diesen Gurt getroffen, und nach allen Seiten platzte die Munition auseinander. Dien Wucht der Explosion hatte den dicht danebenstehenden Kommandanten Lans zu Boden geschleudert. Pulverdampf verhüllte noch die Szene, als der Tod von neuem herabsauste. Die Granate traf den Fockmast und explodierte mit einem ungewöhnlich lautem Knalle: die ganze Brücke verschwand in einer Rauchwolke. Mitten durch den Schlachtdampf sah man zwei Männer in größter Eile der Stelle zulaufen, wo der Komandant zu Boden geschleudert worden war. Der eine war Steuermann Schmidt, der andere Oberleutnant von Hoffmann. Schmidt war zuerst da; einen Moment beugte er sich über die zu seinen Füßen allmählich sichtbar werdende Gestalt des Kapitäns, dann trat er an die Brüstung des Komandoturmes und schrie mit lauter, trotz des Kanonendonners deutlich hörbarer Stimme über das Schiff:
"Der Kommandant ist gefallen, Oberleutnant von Hoffmann hat das Kommando!"
"Der Kommandant ist gefallen! Der Kommandant ist gefallen!" verbreitete sich der Ruf im Nu über das Schiff. Einen Augenblick ließen sogar die tapferen Leute am Achterdeck de Feind aus den Auge, um nach der Kommandobrücke zu schauen, die in dem Pulverdampf kaum noch sichtbar war.
Der Mann, der jetzt eilig die heftig beschossene Brücke bestieg, war Oberleutnant von Hoffmann selbst, der glücklicherweise kurz vorher von Kapitän Lans mit einem Befehl für Oberleutnant von Hippel aufs Achterdeck geschickt worden war. Er hatte eben die zu der Brücke führende Treppe erreicht, als der verhängnisvolle Schuß gefallen war. — Leichen versperrten ihm den Weg; er sprang über sie hinweg. Sprengstücke hatten ihm die Mütze vom Kopfe gerissen, Blut floß über dein pulvergeschwärztes Gesicht und färbte die weiße Uniform an der rechten Schulter. Er hatte die Worte des Steuermanns gehört und beeilte sich, den in einem so kritischen Momente ihm zufallenenen Befehl über das Schiff zu übernehmen.
Als der Pulverrauch sich verzogen hatte, stand der Kommandant, an die Brüstung geklammert, wieder aufgerichtet und rief dem Steuermann zu:
"Das linke Bein ist zerschossen, hier mein Taschentuch, schnüren Sie es über die Wunde fest um das Bein!"
Während sich diese tragischen Ereignisse mit einer für den Leser unglaublichen Geschindigkeit abspielten, hatte sich die "Iltis" auf der Steuerbordseite der "Algerine" bis auf wenige Meter genähert. In diesen letzten Minuten, es waren vielleicht nur Sekunden, blieb seine Brücke vom feindlichen Feuer verschont, und der Pulverdampf , mit welchem die explodierenden Granaten bisher den Oberbau eingehüllt, verzog sich. Es war jetzt hellichter Tag. Deutlich unterschied man alles, was auf der "Algerine" vorgimng, deren Mannschaft die Wunden, die die "Iltis" erhalten, mit neidischen Blicken musterte.
Auf der Brücke stand, mit der linken Hand sein zerschossenes Bein hochhaltend, das Gesicht blutüberströmt und pulververbrannt, Kapitän Lans. Grüßend schwang er die Mütze und rief dem Komandanten der "Algerine" zu, ob er nicht einen Arzt entbehren könne, da so viele Verwundete auf dem Verbandplatze lägen, daß unserer eigener Arzt alle Hände voll zu tun habe.
Heftiger Kanonendonner ließ die Antwort nicht verständlich werden.
In diesen Augenblicke meldet der am Ruder stehende Signalmatrose Mampe:
"Ruder zerschossen!"
Gleichzeitig rief der Telegraphenposten Dreger:
"Maschinen-Telegraphen und Sprachrohre zerschossen!"
Das Feuer der Chinesen hatte sich von neuem mit großer Energie gegen die "Iltis"gewendet, wodurch auch die jetzt fast längsseits liegende "Algerine" stark mit gefährtet wurde.
In diesem kritischen Momente erteilte der erste Offizier, Oberleutnant von Hoffmann, seinen ersten Befehl. Mit lauter Stimme rief er achteraus:
"Handruder einkuppeln, Befehlsübermittlung an die Maschinen über Deck!"
Sofort wurde von dem Signalmatrosen Rollwagen mit Hilfe der Matrosen Mampe, Battre, Geißler und Hafenreffer das Handruder eingekuppelt und besetzt. An Deck stellten sich der Maschinistenmaat Rosenberg und der Heizer Risch auf, um die Befehle, welche ihnen der stellvertretende Kommandant zuzurufen hatte, in den Maschinenraum weiter zu geben. So schnell war das alles geschehen, daß das Schiff tatsächlich kaum einen Augenblick der festen Führung entbehrt hatte.
Wir waren inzwischen etwa 100 Meter stromabwärts der "Algerine" vorausgedampft, als von der Brücke das Kommando ertönte:
"Klar beim Steuerbord Anker!"
"Maschinen äußerste Kraft zurück!"
"Fallen Anker!"
Diese Komandos konnten jedoch nicht so schnell ausgeführt werden, als sie gegeben worden, da eines der Schnellfeuergeschütze erst das Feuer abbrechen mußte, weil es das freie Niedergleiten der Kette verhinderte.
Wohl weil die "Iltis" in dieser Stellung das Feuer der "Algerine", die zur selben Zeit eine Bewegung ausgeführt hatte, behinderte, ließ Kommandant von Hoffmann schon wenige Minuten später abermals Anker lichten, um noch vielleicht 200 Meter weiter stromabwärts zu gehen.
Inzwischen war Steuermann Schmidt nach unten gestürzt, um dem schwer leidenden Kapitän Lans etwas Wasser zur Linderung seiner Qualen zu holen, er fand jedoch fast alle auf Deck befindlichen Wasserbehälter von den Granaten zertrümmert und mußte deshalb unter Deck gehen. Schweißtriefend, die Uniform mit Blut befleckt, das Gesicht von dem Rauch von einem Dutzend Expolsionen geschwärzt, lief er durch die Reihen seiner Kameraden, die sich ängstlich nach dem Befinden des Kapitäns Lans erkundigten.
"Wird der Kapitän sterben?" - "Ist der Kapitän tot?"
Aber Schmidt hatte keine Antwort auf diese Fragen. Er rief nach dem Stabsarzte und den Krankenträgern.Diese waren schon zu Seite des Verwundeten, der, von Blutverluste geschwächt, in Oberleutnant Hoffmans Arme zurückgesunken war.
Man setzte ihn auf einen noch verschont gebliebenen Munitionskasten auf der Brücke nieder, wo Stabsarzt Schoder eine oberflächliche Untersuchung der grausigen Wunde vornahm, die ihn schnell überzeugte, daß nur im Hospital ein auch nur oberflächlicher Verband angelegt werden könnte. Der Matrose Ringler hab ihn bei den Beinen, während Stabsarzt Schoder und Brendl seinen Oberköper umfaßten.
Langsam begannen sie die steile Treppe hinabzusteigen.
Da plötzlich - ein Brechen , Prasseln, Heulen, Blitzen - ein Donnerknall und - krach - stürzte die Treppe, der schwer verwundete Kommandant und Krankenträger Ringler aufs Deck hinab. Dr. Schoder und Brendl aber wurden von dem Luftdruck auf die Brücke zurückgeschleudert.
Pulverdampf, der explodierenden Granate entweichend, verhüllte sekundenlang die Szene.
Als dieser sich endlich verzogen hatte, bemerkte man, daß das Geschoß die auf der Back liegenden Kartoffelsäcke durchbohrt, in das Kartenhaus eingedrungen und, nachdem es noch durch das Kartenspind durchgegangen, den eisernen Boden nach unten gedrückt hatte. Unten stand in diesem Augenblicke der Obermatrose Sokopf. Im nächsten Moment sank er mit zerquetschtem Kopfe tot zu Boden.
Noch nicht zufrieden mit all dieser Verheerung, hatten Sprengstücke einen Wassertank zerschmettert und den dort postierten Obermatrosen Splinter schwer an der Brust verwundet, schließlich noch den Krankenträgern die Treppe unter den Füßen weggerissen und die oben beschriebene Katastrophe herbeigeführt. Das war das Werk einer Sekunde.
Kapitän Lans muß sich schnell wieder aufgerafft haben, dann als der Pulverdampf sich verzogen hatte, war die Stelle, wo man ihn hätte finden sollen, leer. Dr. Schoder besah sich. Er war blutüberströmt, seine Uniform zerrissen - aber verwundet war er nicht. Ebenso glücklich waren die beiden Krankenträger davongekommen.
"Der Kapitän ist in der Pinasse!" rief jemand dem Stabsarzt zu. Dieser eilte an die Brüstung. Richtig, da war der Kapitän bereits in der längseits liegenden Pinasse. Dem Stabsarzt rief er zu: Er wolle nicht, daß dieser sich um ihn bemühe. Man brauche ihn nicht zu verbinden! Man solle andere nicht der ärztlichen Hilfe berauben, die deren mehr benötigten als er.
In diesem wüsten Schlachtenlärm, wo an Deck sich Leiche auf Leiche häufte, wo kaum noch einer war, der nicht das Blut seines Nebenmanns gesehen, hatten die wackeren Schnellfeuergeschütze vorn unter Oberleutnant Nergers und achtern unter Oberleutnant von Hippels Leitung den Kampf gegen das Südfort mit verbissener Wut fast allein weiter geführt. auf der Brücke war nur noch eine Maschinenkanone intakt. Die anderen waren zerschlagen, kampfunfähig. Es war der Obermatrose Papst, der diese Kanone bediente. Das blanke Messingrohr freilich war geschwärzt vom Pulverdampfe; aber die Stimme des braven Geschützes klang scharf und herausfordernd, als verlange es Sühne für die unglücklichen Kampfgenossen.
Dann plötzlich ein Knall, alles übertönend, wie von hundert Riesengeschützen auf einmal abgefeuert.
Ein Schuß aus einem der achtern Schnellfeuergeschütze hatte die zweite Munitionskammer - die erste war schon früher explodiert - des Südforts getroffen, und dasselbe war mit einer Erschütterung in die Luft geflogen, die unsere Hängematten im Hospital in Bewegung setzte, lag die "Iltis" doch nur noch 300 Meter weit entfernt. Zugleich erscholl an Deck brausendes Hurra! Der Feind schien besiegt, das Fort seinem Schicksale verfallen zu sein.
Eine schwere, weißgraue Wolke von Rauch und Staub verdunkelte die Sonne, hüllte die Forts, die "Iltis" und alles in einen undurchdringlichen Schleier. Zu gleicher Zeit fiel ein Schauer von Holzsplittern, Steinchen und Sand auf Deck und prasselte rings um das Schiff ins Wasser.
Die Hurras der Mannschaft waren noch nicht verklungen, da sauste, alles vor sich niederbrechend, eine Granate durch die Apotheke; schräg durch das Schiff, am Verbandsplatze vorbei, drang dann, das Oberdeck durchschlagend, unter der Back durch den Ölbehälter, zertrümmerte eine Deckstütze und schleuderte diese weit über das Deck bis nach den achtern Gewehrständen, wo sie krachend zu Boden fiel.
Noch hatte sich der von der Explosion im Südfort herrührende Rauch und Staub noch nicht verzogen; aber als man endlich den Schaden besehen konnte, fand man den Büchsenmacher Bästlein und den Obermatrosen Maas tot unter den Trümmern. Dem Heizer Holm floß der Lebensquell in starken Strömen aus einer Wunde in der Brust, und die Matrosen Fischer und Casmier wankten, auf ihre Kameraden gestützt, nach unten zum Verbandsplatz.
Die Granate - es war offenbar ein sehr schweres Kaliber - war, wie die genommene Richtung vermuten ließ, zuerst aufs Wasser aufgeschlagen und muß dann wieder in die Höhe gestiegen sein, dann nur so ist es zu erklären, daß sie oberhalb des Bullauges (kleinen, runden Fensters) der Apotheke eindringen und sich aufwärts einen Ausweg durch das Walfischdeck ins Freie bahnen konnte. Doch noch war ihr Zerstörungswerk nicht vollendet. Heulend setzte sie ihren Flug fort, bis der die Verbindung zwischen dem Nordwest- und Nordfort bildende Wall ihr ein Ziel setzte. Sie krepierte mit heftigen Knall und schlug eine große Bresche in das chinesische Festungswerk. Unter dem brausenden Beifallsgeschrei der Kameraden auf den anderen Kriegsschiffen steigerte die "Iltis" jetzt ihr Feuer mit geradezu fieberhafter Tätigkeit. Diese letzten Minuten waren den Verwundeten eine Höllenqual. Den Chinesen aber auch! Ihre Kanonen schwiegen eine nach der anderen, während zugleich Kapitän Pohl mit dem Landungskorps von dem Nordfort auf in Bereitschaft gehaltene Booten übersetzte und das Südfort im Sturm nahm. Die Chinesen sah man über die Wälle in wilder Flucht landeinwärts eilen, von dem nimmer ermüdenden Schnellfeuer der "Iltis" begleitet. Bald aber - die Chinesen liefen sehr schnell - konnten selbst die 8,8-cm-Geschütze der "Iltis" die Fliehenden nicht mehr erreichen, und jetzt sanken die Arme, die die ganze Nacht unermüdlich gewesen, ermattet nieder.
Jetzt hatte man endlich Zeit, sich mal umzusehen, was eigentlich pasiert war. War das die blitzsaubere "Iltis"? Überall wüste Zerstörung, Feuerspuren, Blut, Leichen und Stücke von solchen. Wie wenn es in einer modernen Schlächterei gebrannt hat, so sah das Deck der "Iltis" aus. — — —
"Hurra, hurra, hurra!" Das war das Siegesgeschrei, mit dem die "Iltis" in allgemeinen Jubel der Schiffe und der Forts einstimmte, als das kleine tapfere Boot sich zu seinem Triumphzuge nach der Flotte auf der Taku-Reede anschickte, um Admiral Bendemann zu melden:
"Die Taku-Forts sind genommen!"
Den Sturm auf das Nordwestfort hatte, wie bereits ewähnt wurdem Kapitän Pohl zu kommandieren, der sein 820 Mann starkes Kommando östlich von Tongku sammelte und unter dem Schutze der Dunkelheit bis auf 600 Meter an das Fort heran brachte. Als der schwarze Ball an Bord der "Iltis" früh 1/4 5 Uhr das Zeichen zum Sturmangriff gab, gingen die Deutschen auf der lehmigen, sanft aufsteigenden Ebene ohne Deckung in Schützenlinie vor, Kapitän Pohl drang als erster in das nicht mehr verteidigte Fort ein und hißte in dessen Südwestecke die deutsche Flagge, die mit drei kräftigen Hurras begrüßt wurde. Auf der anderen Seite erkletterten die Japaner die Wälle, ihnen voran Kapitän Hattori, den beim Eindringen in das Fort der Beilhieb eines Chinesen tötete.
Den letzten Sturmlauf schilderte der österreichische Linienschiffsfähnrich Stenner wie folgt: Meine Abteilung machte mit jener der deutschen Schiffe den Vormarsch in der Dammdeckung. Da jedoch der Winkel, welchen die Straße mit der Schußlinie gegen das Fort bildet, ein derartig spitzer war, daß man nicht ohne Gefährdung der Vordermänner schießen konnte, ging ich sprungweise bis auf 800 Meter vor das Fort, wo die Straße nach rechts abbiegt, vor. Hier eröffnete ich in sehr guter Deckung das Feuer gegen die aus den Stückpforten schießenden chinesischen Truppen. Meine kleine Mannschaftsabteilung war mir stets mit Tapferkeit und Ruhe gefolgt und zeigte eine gute Feuerdisziplin. Ich war sehr rasch vorgegangen und erreichte in beschriebener Deckung die englische Abteilung der Vortruppe. In ständiger Deckung hinter dem Straßendamm konnte ich sprungweise bis auf ca. 300 Meter dem Fort nahekommen, die Leute hierbei abwechselnd schießen und ausruhen lassen.Während dieses Feuers hatten sich allmählich Abteilungen verschiedener Nationen in dieser Deckung vereinigt, welche dem Kommando des nächsten Offiziers folgten. Meine kleine Abteilung schien sich vervierfacht zu haben, denn ca. 100 Mann folgten meinem Komando auf "Vorwärts", "Nieder" und selbst den Feuerkomandos. War schon beim Anmarsche das Gewehrfeuer nicht von besonderer Heftigkeit gewesen, so schien mit dem Feuer aus Nahdistanz der letzte Widerstand gebrochen zu sein. Die Brücke über den Festungsgraben war intakt geblieben, das Tor gesprengt, und beim Erklettern der Wälle fielen nur mehr vereinzelte Schüsse.
Als ich mir meinen Leuten den ersten Geschützstand erklommen hatte, wurde an dem Flaggenstocke desselben soeben die englische Flagge gehißt. Da ich von diesem Standpunkte aus sah, daß bereits an allen Punkten fremde Mannschaften erschienen und ich keinen leeren Flaggenstock mehr rechtzeitig erreichen konnte, hißte ich im Einvernehmen mit einem englischen Offizier um 5 1/2 Uhr die k. u. k. Flagge neben der englischen. Im Fort fand man sehr viel Munition und besonders bei den Geschützständen viele Gefallene.
Da der Angriff einseitig erfolgt war, schien die Besatzung beim Ansturm unter Mitnahme der Leichtverwundeten nach der Südseite geflüchtet zu sein. Ich ließ meine Manschaft sammeln, konstatierte, daß niemand verletzt war, kommandierte "Zum Gebet" und vereinigte mich nach einem Patrouillengange durch das Fort wiederum mit den deutschen Mannschaften. —
Nach dem Nordwestfort fiel auch das Nordfort und als dessen unbeschädigte schwere Geschütze auf Befehl des Kapitäns Pohl nach dem gegenüberliegenden Südfort gerichtet wurden, glückte dem erwähnten Fähnrich Stenner ein so guter Treffer, daß das Pulvermagazin in dem Südfort explodierte und dadurch auch dieses unhaltbar wurde, da das andere Magazin bereits vorher von der "Iltis" aus in die Luft gesprengt worden war. Den anrückenden Deutschen und Österreichern vermochte die chinesische Besatzung keinen längeren Widerstand entgegen zu setzen, und 6 Uhr 50 Minuten wehte von allen südlichen Werken die deutsche Flagge stolz in der Luft. Der Kampf war in der Hauptsache zu ende, und 54 meist moderne schwere Geschütze, Schnellfeuergeschütze mit Einheitspatronen und eine große Menge Munition waren erbeutet; auch vier chinesische Torpedoboote, die vergebens versucht hatten, aus der Peiho-Mündung zu entkommen, fielen in die Hände der Verbündeten, und je eines davon behielten die Deutschen, Russen, Franzosen und Engländer. Die letzteren besetzten das erste, die Japaner das zweite Nordfort, die Deutschen und Russen das 1000 Meter lange Südfort.
Allerding war der Sieg nicht leicht erkauft. Die Verluste der Verbündeten betrugen 118 Tote und Verwundete, jene der Chinesen etwa 700 Mann und 100 Gefangene. Der Wert des ruhmreichen Erfolges, zu dem deutscher Mut, deutsche Tapferkeit und Todesverachtung so unendlich viel beigetragen hatten, schildert aber der für jene Heldentaten mit dem Orden pour le mèrite ausgezeichnte Korvettenkapitän Lans, der in letzter Stunde das Kommando über den "Iltis" an den Oberleutnant z. S. Hoffmann Lamatsch Edler von Wallenstein abgetreten hatte, in folgenden Worten:
Wäre uns die Niederkämpfung der Forts von Taku, die ja das Eingangstor nach Tientsin, d.h. die Flußmündung, beherrschten, nicht gelungen, so wären alle Europäer, d.h. 3000 Mannschaften der verschiedenen Stationen und etwa 2000 Europäer in Tientsin verloren gewesen.Nach Einnahme der Forts aber konnten die am nächten Tage von allen Stationen eintreffenden Verstärkungen ganz ungehindert gelandet werden, die gerade zur rechten Zeit ankamen. Hätten wir gegen eine zivilisierte Nation zu kämpfen gehabt, so wäre die Aufregung nicht so groß gewesen, aber der furchtbare Gedanke, daß wir alle, Männer, Frauen, Kinder, ohne Ausnahme rücksichtslos den entsetzlichen Martern der Boxer ausgeliefert waren, das ließ uns die Nerven aufs äußerste anspannen."
Quelle: China Land und Leute, Illustrirte Geschichte des Reiches der Mitte, Dr. Emil Wilhelmy, Verlag Herlet, 1905 von rado by jadu 2002.
 
Gruppenbild der ILTIS
Tientsin - der Verteidigungsplan
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 


Der Verteidigungsplan von Ta Ku.
 
 
Langfang - der Plan der Züge der Kolonne Seymour
 
 
Die Forts von Ta Ku
 
 
Die Stationierung der alliierten Flotte im Peiho
http://hdl.loc.gov/loc.mbrsmi/edmp.1965 - hier ein Video der Beschiessung von Ta Ku.
 
 
 
Die Belagerung von Tientsin