Sonntag, 10. Januar 2016

Die Eiserne Schar Berthold

Rudolf Berthold (* 24. März 1891 in Ditterswind; † 15. März 1920 in Harburg an der Elbe) war ein deutscher Jagdflieger im Ersten Weltkrieg und Führer eines Freikorps. Bei der Kapitulation seines am Kapp-Putsch beteiligten Freikorps hatte seine Einheit mehrfach ohne Ankündigung in eine Gruppe Harburger Arbeiter geschossen. Danach wurde Berthold von einer wütenden Menschenmenge misshandelt und durch Schüsse getötet.
 
Der Kieler Matrosenaufstand, die darauf folgende Novemberrevolution, die Abdankung Kaiser Wilhelm II. sowie der Waffenstillstand von Compiègne erschütterten den nationalistisch und kaisertreu gesinnten Berthold tief. Die demokratischen Parteien, insbesondere die linken Gruppierungen und deren Vertreter wurden von ihm als „Gassen- und Strassensozialisten“ abgelehnt.
Berthold gründete daraufhin mit Genehmigung der Reichsregierung das „Fränkische Bauerndetachement Eiserne Schar Berthold“ mit Standort in Bad Kissingen. Das Freikorps erhielt Ausrüstung, Verpflegung und Sold aus staatlichen Mitteln. Bereits im September sollte die „Eiserne Schar“ wieder aufgelöst werden. Dem entzog sich Berthold und verlegt das Freikorps nach Königsberg. Berthold gliederte seine Truppe in die Eiserne Division ein und beteiligte sich mit dieser am Lettischen Unabhängigkeitskrieg auf dem Baltikum. Aus diesem Grund zählte man auch die Eiserne Schar Bertolds zu den „ Baltikumern“.
Anfang 1920 wurde das Freikorps zur Demobilmachung ins innere Deutschlands verlegt. Im Kehdinger Land bei Stade, vor den Toren Hamburgs, quartierte sich das Korps ein. Berthold widersetzte sich jedoch jedem Befehl zur Entlassung. Er entwickelte eine rege Tätigkeit in nationalistischen Militärkreisen. Dabei sah er in der Errichtung einer Militärdiktatur nach dem Vorbild Horthys in Ungarn das richtige Ziel.
Anfang März 1920 verhandelte Berthold in Berlin über die Angliederung seiner Truppe an die Marine-Brigade von Loewenfeld. In einem Brief vom 6. März 1920 schrieb er: „Was die politischen Verhältnisse angeht, so drängt ja, Gott sei Dank, jetzt alles zur Entscheidung … Die Verhältnisse haben sich so zugespitzt, dass vielleicht schon in Tagen der große Schlag erfolgt.“
Und am 13. März 1920 begann der erwartete Putsch durch den Einmarsch der Brigade Ehrhardt in Berlin unter dem Kommando von General Walther von Lüttwitz. Die Putschisten hatten den Landschaftsdirektor Kapp als Reichskanzler eingesetzt. Berthold beschloss, sich mit seinen Offizieren am Putsch zu beteiligen. Zuerst wollte die Truppe von Stade aus mit dem Zug nach Altona fahren, um sich dort den Putschisten unter Oberst Wangenheim anzuschließen. Das scheiterte zunächst an der Weigerung der demokratisch gesinnten Eisenbahner einen Zug zu stellen. Am folgenden Tag erzwangen die Soldaten „unter brutaler Anwendung von Gewalt und Todesbedrohungen, die sich auch auf die Familienangehörigen der Eisenbahnbeamten ausdehnte“ – so der Stader Regierungspräsident – die Bereitstellung eines Zuges.
Das erste Ziel Bertholds war Harburg. In der auf der Strecke nach Hamburg liegenden preußischen Stadt Harburg (Elbe) waren bereits die mit dem Kapp-Putsch sympathisierenden Offiziere des dort stationierten etwa 900 Mann starken Pionier-Bataillons verhaftet und unter Hausarrest gestellt worden. Die Unteroffiziere und Mannschaften hatten sich nach der Festnahme ihrer Offiziere für die Republik erklärt. Berthold beabsichtigte die Wiederherstellung der Befehlsgewalt der Offiziere und die Entfernung aller regierungstreuen Soldaten. Außerdem plante er, seine Leute dort aus Beständen der Reichswehr auszurüsten.
In Harburg waren die „Baltikumer“ gezwungen, in der Schule Woellmerstrasse Quartier zu beziehen. In Verhandlungen wurde Berthold sowohl von sozialdemokratischer als auch von bürgerlicher Seite aufgefordert, mit seiner Truppe ohne Halt direkt nach Berlin zu fahren. Berthold lehnte dies ab. Er machte einen Abzug von Bedingungen abhängig. Daraufhin radikalisierte sich die Stimmung in der Stadt – insbesondere in der Arbeiterschaft.
Die Schule in der Woellmerstraße im Stadtteil Heimfeld wurde von Schaulustigen, Angehörigen eines meuternden Pionier-Bataillons, und von der inzwischen bewaffneten und unter sozialdemokratischer Führung stehenden Miliz belagert. Berthold forderte: „Platz frei – es wird geschossen.“ Mit Maschinengewehr wurden Warnschüsse über die Köpfe der Menge gegeben. Das Feuer wurde erwidert, worauf von Bertholds Freikorps in die fliehende Menge geschossen wurde. Mehrere Menschen brachen tot oder verwundet zusammen. Die Schule wurde unter Dauerbeschuss genommen.
Berthold war zu Kapitulationsverhandlungen gezwungen, die zu dem Ergebnis führten, dass der „Eisernen Schar“ nach Abgabe aller Waffen, freier Abzug zurück nach Stade gewährt werden soll. Während der Waffenabgabe fielen wieder Schüsse, „die anscheinend von Baltikumern aus dem Hinterhalt abgegeben“ wurden – so die bürgerliche Harburger Anzeigen und Nachrichten am 16. März 1920. Tatsächlich lässt sich nicht zweifelsfrei klären, von welcher Seite die Schüsse abgefeuert wurden. Jedenfalls flammte erneut ein Schusswechsel auf. Die Baltikumer mussten wegen Munitionsmangel nach kurzer Zeit das Feuer einstellen. Dennoch hatte die Aktion zu einer außerordentlichen Erregung und Erbitterung der überwiegend unbewaffneten Menge geführt. Denn nach ihrer Wahrnehmung hatte die Eiserne Schar zweimal in eine nichtsahnende Menge geschossen. Die Menge fing an, auf die abziehenden Soldaten einzuschlagen.
Geschützt von bewaffneten Arbeitern versuchte Berthold in ein Wirtshaus zu fliehen. Ein Teil der wütenden Menge verfolgte sie und holte Berthold aus dem Gebäude heraus. Als er auf der Straße geschlagen und getreten wurde, zog Berthold eine kleine Pistole, um sich zu verteidigen. Die Pistole wurde ihm jedoch entrissen und damit auf ihn geschossen. Außerdem trafen ihn zwei Gewehrschüsse. Der am 16. März 1920 ausgestellte Totenschein wie auch der Obduktionsbericht verzeichneten zwar schwere, jedoch keineswegs tödliche Quetschungen durch Schläge, Tritte und möglicherweise Kolbenhiebe. Getötet wurde er durch die Schüsse.
Während die „Baltikumer“ außer Berthold zehn Tote verzeichnen, starben auf Seiten der Harburger 14 Personen. Beide Seiten hatten jeweils etwa 20 zum Teil schwer Verletzte. Berthold wurde auf dem Berliner Invalidenfriedhof beigesetzt. Sein Grabstein, eine bronzene Platte, verschwand nach 1945. Heute erinnert ein erneuerter Stein an ihn.
 
 
Das in Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) Ende April 1919 als "Fränkisches Bauern-Detachement" aufgestellte Freikorps stand unter der Leitung von Hauptmann Rudolf Berthold (1891-1920). Zunächst in Unterfranken aktiv, wurde das Freikorps (Kampfname "Eiserne Schar" Anfang Juni 1919 nach München verlegt, im August nach Bayreuth. Im September 1919 wich die Eiserne Schar, um ihrer Auflösung zu entgehen, ins Baltikum aus, wo sie sich an Kämpfen der Westrussischen Befreiungsarme gegen die Rote Armee und die Republik Lettland beteiligte. 1920 war die nach Deutschland zurückverlegte Eiserne Schar am Kapp-Lüttwitz-Putsch beteiligt. Ihr Kommandeur Rudolf Berthold kam dabei in Hamburg-Harburg bei Auseinandersetzungen mit Demonstranten ums Leben. Kurz darauf wurden die Reste der Eisernen Schar aufgelöst.