Freitag, 29. Januar 2016

Heute wirds wieder "lustig"

Protestzüge starten am Nachmittag

Freitagabend steigt in der Wiener Hofburg der umstrittene rechte Akademikerball. Die Anspannung ist wie jedes Jahr groß: Gegner des von der FPÖ ausgerichteten Events rufen wieder zu Protesten auf. Um eine Eskalation zu vermeiden, gibt es ab 16.00 Uhr ein Platzverbot in der Wiener Innenstadt.
Der Akademikerball ist der Nachfolger des von deutsch-nationalen Burschenschaften getragenen Balles des Wiener Korporationsrings („WKR-Ball“) und wird seit 2013 unter dem neuen Namen veranstaltet. Die Polizei erwartet heuer mehr als 1.000 Gäste - darunter auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, wie es vor einigen Tagen aus dessen Büro hieß. Weil mehrere Gegendemonstrationen angemeldet wurden, erlässt die Polizei auch heuer rund um die Hofburg ein großräumiges Platzverbot.
Karte zur Sperrzone beim Akademikerball
Grafik: Omniscale/OSM/ORF.at; Quelle: Polizei
Die Sperrzone am Ring beginnt heuer schon bei der Johannesgasse
Laut Polizei wird die Sperrzone vom Ende des Stadtparks bis zum Heldenplatz reichen. Bis zu 2.800 Polizisten werden im Einsatz sein, um Ballbesucher und Demonstranten zu trennen. An der Ausweichroute entlang der „Zweierlinie“ erwartet der ARBÖ - auch wegen der beginnenden Semesterferien - einen „kleinen Verkehrsinfarkt“ und empfiehlt, die betroffenen Gebiete zu meiden.

„Dokumentieren, wer was getan hat“

Die Polizei will die Demonstrationen diesmal mit 29 Kamerateams überwachen. Die Teams würden der Beweissicherung dienen: „Sie werden genau dokumentieren, wer was getan hat“, sagte Polizeipräsident Gerhard Pürstl. Journalisten sollen laut Pürstl Zutritt bekommen und „weitgehende Bewegungsfreiheit“ erhalten. Zugang werde es aber „nur über eine Eingangsschleuse geben, sonst ist das nicht zumutbar“ - mehr dazu in Mehr Kameras bei Akademikerball (wien.ORF.at).

In den vergangenen Jahren zählte die Polizei bis zu 3.000 Gegendemonstranten, die Veranstalter sprachen von bis zu 9.000. Nachdem die Ausschreitungen vor zwei Jahren ihren Höhepunkt erreicht hatten, verliefen die Proteste letztes Jahr bis auf eine kurzzeitige Eskalation zwischen vermummten Demonstranten und Polizisten weitgehend ruhig. Laut Polizeiangaben wurden sechs Beamte und vier Demonstranten leicht verletzt. Auch die Sachschäden hielten sich in Grenzen: Bekannt wurden einige zerstochene Autoreifen sowie zerstörte Mistkübel und Blumentöpfe.

„Keine öffentlichen Aufrufe zu Gewalt“

Dennoch will die Wirtschaftskammer für den Fall der Fälle gerüstet sein. Sie bietet den Unternehmen entlang der Protestzüge eine Soforthilfe inklusive kostenloser Securitys an - mehr dazu in Securitys bewachen Geschäfte (wien.ORF.at). Jene Gruppe, die vor zwei Jahren besonders im Visier der Polizei stand und am meisten von Anzeigen betroffen war, gibt es mittlerweile nicht mehr: Die Teilnahme der nach Eigendefinition linksradikalen antifaschistischen Plattform NOWKR war letztes Jahr von der Polizei verboten worden, nachdem es vor zwei Jahren rund um deren Demonstrationszug zu teils gewalttätigen Ausschreitungen gekommen war. Die Gruppe löste sich im letzten Frühjahr auf.
In diesem Jahr gebe es „noch keine öffentlichen Aufrufe zu Gewalttaten“, sagte Pürstl wenige Tage vor dem Ball. Daher gebe es auch keine Hinweise auf eine Demonstration, die polizeilich untersagt werden müsse. Dafür sollen die Anzeigen weniger werden. Denn seit Jänner wird die Landfriedensbruchbestimmung im Strafgesetz neu geregelt. Der Paragraf 274 richtet sich demnach nicht mehr gegen Einzelpersonen, sondern gegen „schwere gemeinschaftliche Gewalt“ - mehr dazu in Landfriedensbruch „wesentlich eingeschränkter“ (wien.ORF.at).

Drei Protestmärsche mit neuen Routen

Die größte Demo wird wohl von der Universität Wien durch die Stadt zum Museumsplatz ziehen. „Sicher mehr als 3.000 Teilnehmer“ erwartet Polizeisprecher Johann Golob. Die Veranstalter der Offensive gegen rechts (OGR) rechnen mit 6.000 bis zu 10.000 Teilnehmern. Bereits am Nachmittag startet der erste Protestzug gegen den Ball. Die Sozialistische Linkspartei (SLP) rief für 15.30 Uhr zu einer Demo auf, die vom Wallensteinplatz zur Porzellangasse und über die Währingerstraße bis zum Schottentor führen wird. Dort dürften sich die Teilnehmer laut Polizei der Demonstration der Offensive gegen rechts anschließen.
Absperrung bei rechten Akademikerball 2016
ORF.at/Roland Winkler
Szene aus dem Vorjahr: Große Teile der Innenstadt waren abgeriegelt
Dazu kam laut Golob ein dritter Demoaufruf einer Gesellschaft für Politik und Diskurs: ab 20.00 Uhr vom Museumsplatz über den Getreidemarkt, die Linke Wienzeile zum Karlsplatz und dann weiter zum Musikvereinsplatz. Die Veranstalter erwarten etwa 500 Teilnehmer. Die Offensive gegen rechts bekräftigte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz ihren Appell zum Protest gegen die „FPÖ-Burschenschafter“-Veranstaltung. Treffpunkt ist um 17.00 Uhr das Schottentor bei der Universität Wien. Dieses Jahr sei eine längere und größere Demonstration rund um die Sperrzone um die Hofburg geplant, so Magdalena Augustin von der Offensive. Enden soll der Protestzug beim MuseumsQuartier.
Außerdem wird die Plattform „Jetzt Zeichen setzen!“ am Abend des Balls erneut auf dem Heldenplatz eine Veranstaltung abhalten. Die Kundgebung steht wie schon im Vorjahr unter dem Motto „Kein Salon dem Rechtsextremismus!“ „Die Räume der Republik sollen Veranstaltungen und Vernetzungsaktivitäten der extrem Rechten keinen Platz mehr bieten“, heißt es auf der Website der Plattform.

FPÖ wollte innerhalb der Sperrzone demonstrieren

Dieses Event wird auch von den Grünen, von der Jugendorganisation der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und von der ÖH der Uni Wien unterstützt. Als Redner der Veranstaltung, die um 19.00 Uhr beginnt, werden unter anderen Volkshilfe-Chef Erich Fenninger und der Datenforensiker Uwe Sailer erwartet. Mehrere Musikgruppen, darunter Commando Elefant, umrahmen das Programm.
Zusätzlich sind drei Standkundgebungen gegen den Ball geplant. Eine davon wird laut Golob aber untersagt, da sie sich mit der Veranstaltung „Jetzt Zeichen setzen!“ örtlich überschneidet. Auch die FPÖ meldete vier Standkundgebungen an, weitere sieben werden untersagt, weil die FPÖ innerhalb der Sperrzone demonstrieren wollte.

Anzeigen gegen Protestveranstalter im Vorfeld

Ballveranstalter Udo Guggenbichler, Wiener Landtagsabgeordnete der FPÖ, sagte im Vorfeld, er fordere alle Initiatoren von Protestveranstaltungen dazu auf, „ihre linken Gewaltfantasien hintanzuhalten“. Er unterstütze zwar jede Art von Demonstrationsfreiheit, aber Gewalt habe dabei „nichts verloren“. Der Kartenverkauf laufe jedenfalls besser als in den Jahren davor.
Laut einem Bericht der Tageszeitung „Österreich“ brachte der Ballveranstalter Guggenbichler wegen des Slogans „Flüchtlinge bleiben - Burschis vertreiben“ gegen die Offensive gegen rechts eine Anzeige wegen Verdachts auf Verhetzung ein. Augustin sagte am Mittwoch dazu, man wisse noch nichts von einer Anzeige: „Es würde mich aber nicht wundern.“ Der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) zeigte unterdessen die ÖH der Universität Wien wegen Veruntreuung an. In einer Aussendung hieß es, dass mit Unterstützung der ÖH ein Bus aus Graz zu den Demos in Wien organisiert worden sei. Für den RFS ist das ein „klarer Missbrauch von Studentengeldern“.

„Starkes Zeichen gegen die FPÖ“

Der „FPÖ-Burschenschafterball“ sei „nicht legitim“ und dürfe nicht in der Hofburg abgehalten werden, kritisierte Augustin. Die Offensive wolle daher auf der Straße ein „starkes Zeichen gegen die FPÖ“ setzen. „Noch immer gibt es keinen adäquaten Umgang mit Rechtsextremismus in Österreich, daher hören wir nicht auf, gegen den Ball zu demonstrieren“, so Augustin.
Nicht bekannt ist laut Augustin, ob aus dem Ausland Busse für Demoteilnehmer organisiert werden, man freue sich jedenfalls über viele Teilnehmer. Die von der Polizei angekündigten Videoteams „beeindrucken uns nicht groß“ und veränderten die Arbeit der Offensive nicht, so Augustin. Sie forderte hingegen, dass die Polizisten mit Nummern gekennzeichnet sind. Sitzblockaden, etwa um die Ballgäste am Zugang zur Hofburg zu hindern, hält sie für „legitim“.

http://orf.at/stories/2321178/2321177/