Letzter Ausweg: Zwangsabstieg
Fredy Scheucher redet schnell und gebetsmühlenartig. Und er spricht von klaren Strukturen, von Transparenz und Professionialität. Scheucher ist der jüngste und letzte verbliebene Entscheidungsträger im Vorstand bei Austria Salzburg. Obmann Walter Windischbauer beendete seine Tätigkeit im Sommer aus gesundheitlichen Gründen. Sportchef Gerhard Stöger und Trainer Jörn Andersen wurden nach der Beantragung des Insolvenzverfahrens in der vorigen Woche verabschiedet, auch in der zweiten Reihe gab es Abgänge.
Weitere „Reibungsverluste“ im Sanierungsverfahren sind nicht nur nicht ausgeschlossen – sie sind dringend nötig. Rund 1,2 Millionen Euro Schulden drücken die Violetten. Gehälter wurden zuletzt nur zum Teil ausbezahlt, insgesamt warten etwa 60 Gläubiger auf ihr Geld. Entsprechend hektisch ist der Alltag Scheuchers. Neben Bundesliga, Gläubigern und Masseverwalter hat Scheucher als Geschäftsführer des Austria-Hauptsponsors Myphone Austria auch noch einen Hauptberuf zu bewältigen. Immerhin: Am vergangenen Samstag gönnte er sich einen freien Tag – seinen ersten seit sieben Monaten.
In den kommenden Monaten muss Scheucher wohl wieder ohne Freizeit auskommen. Am 15. Dezember werden am Landesgericht Salzburg die Weichen für die Zukunft der Austria gestellt. Unter dem Aktenzeichen „44 S 69/15v“ wird verhandelt, ob die Salzburger den Spielbetrieb fortführen können oder ob der Verein abgewickelt werden muss. Wird die Saison regulär beendet, schreibt die Bundesliga wegen des Insolvenzverfahrens die Zwangsrelegierung vor. Bei einer Vereinsauflösung droht der Fall ins Bodenlose. „Unser Ziel ist der Zwangsabstieg, um den Gang in die Landesliga oder noch tiefer vermeiden zu können. Dafür wollen wir unbedingt die Saison regulär zu Ende spielen“, sagt Scheucher.
„Wir möchten kontrolliert nach unten gehen“
Einem Masseverwalter unterstellt zu sein hält er nur bedingt für negativ. „Wir sind jetzt natürlich ein Stück weit fremdgeleitet. Wenn alles positiv verläuft, sollte das nur auf Zeit sein. Über allem steht das Ziel, die Zerschlagung des Vereins zu verhindern und kontrolliert in der Regionalliga zurückzukehren, uns neu strukturieren und positiv in die Zukunft blicken.“ Können die Geschäfte fortgeführt werden, wartet im Februar die nächste existenzielle Hürde für die Violetten: Bei der Allgemeinen Prüfungstagsatzung wird über das Sanierungsverfahren abgestimmt. Geben sich die rund 60 Gläubiger mit 20 Prozent ihrer Forderungen zufrieden, darf der Club die offenen Schulden innerhalb von zwei Jahre abstottern.
Scheucher gibt sich zuversichtlich, den Club bis dahin in die richtigen Bahnen zu lenken. Dazu gehört etwa auch, den mit 28 Mann überbesetzten Kader auf das Nötigste zu reduzieren. „Es gibt sicherlich den ein oder anderen Spieler, der uns verlassen möchte. Jetzt werden wir im Winter den Kader versuchen auszudünnen, von derzeit 28 Spielern auf 20 bis 22 Mann. Damit wollen wir uns ideale Trainingsbedingungen für ein gutes Rumpfteam in der Regionalliga schaffen.“
Aufstiegsfest im Frühjahr, Ernüchterung im Herbst
Noch im Frühjahr hatten die Fußballromantiker bei der Austria das Sagen. Am 29. Mai setzten sich die Salzburger in Kitzbühel mit 1:0 durch – und sicherten sich eine Runde vor Saisonende den Meistertitel in der Regionalliga West. Damit war der Fixaufstieg in die Erste Liga gelungen und ein zehn Jahre währender Marsch durch die fußballerischen Niederungen fand mit der Rückkehr in den Profifußball seinen Höhepunkt. Beim letzten Heimspiel wurde der Aufstieg zu einem rauschenden Fest. Bierduschen, Treueschwüre und Politikerversprechen inklusive.
2005 hatten sich die Salzburger nach dem Einstieg von Red Bull enttäuscht vom neuen Mäzen Dietrich Mateschitz abgewandt. Dieser hatte mit seiner Übernahme den Club nicht nur finanziell gerettet, sondern – nach Ansicht der Fans – auch seiner Identität beraubt. Die seit über 70 Jahren bestehenden Vereinsfarben wurden geändert, das Gründungsjahr 1933 musste im Logo den „Bullen“ weichen.
Austria-Neubeginn in Liga sieben
Logische Folge: ein Neubeginn. Die hartgesottenen Ultras begleiteten den Gang ins Unterhaus und ermöglichten mit Leidenschaft und Loyalität, dass sich die Austrianer hocharbeiten konnten. Binnen vier Jahren stiegen die Austrianer aus der siebenten Liga in die Regionalliga auf. Immer dabei: Hundertschaften an Fans. Nicht immer konnte die Leidenschaft in den besonders brisanten Spielen im Zaum gehalten werden: Ein Platzsturm in Saalfelden, Schlägereien im Westderby, ein Verletzter im Spiel gegen Red-Bull-Zweitclub Liefering standen zu Buche.
Die Infrastruktur hinkte den steigenden sportlichen Ansprüchen hinterher. Das vom ASKÖ einverleibte Vereinsgelände eignete sich nur bedingt für den zu erwartenden Besucherandrang bei der „Austria neu“. Das wussten auch die damaligen Funktionäre – und riefen mit der Initiative „Heimat für die Austria“ einen Spendenfonds zum Ausbau des Stadions ein. Der sportliche Aufbau ging deutlich rasanter: 2014 scheiterte man als Westligameister noch in der Relegation an Ostligist FAC, im Frühjahr 2015 setzte man sich in der Regionalliga jedoch erneut gegen das finanziell wesentlich stabilere Wattens durch, sicherte sich Platz eins – und den Fixaufstieg.
Stadionsuche trotz Investitionen
Im Herbst 2015 war das Konto der „Heimat für die Austria“ leer geräumt, doch eine Heimstätte für alle Ligaspiele gab es dennoch nicht. Neben der Errichtung einer zusätzlichen Tribüne und eines TV-tauglichen Flutlichtes im Stadion Maxglan mussten die Salzburger auch in Schwanenstadt investieren, wo die Risikospiele gegen den LASK und Innsbruck über die Bühne gehen sollten. Die Bundesliga sagte zu – und erteilte trotz der bekannten Probleme die Lizenz. Allein, die Behörde spielte nicht mit. Wegen handfester Auseinandersetzungen mit Anhängern von Sturm Graz am Rande eines Cupspiels im September 2014 wurde den Salzburgern keine Spielerlaubnis für Schwanenstadt erteilt. Das erste Westderby der Saison gegen Wacker Innsbruck wurde danach zwar in Schwanenstadt ausgetragen – aber vor leeren Rängen.
Weil gegen den LASK kein weiteres „Geisterspiel“ genehmigt wurde, musste das Spiel auf November verschoben werden – und eine wochenlange Suche nach einem Heimstadion für das „Risikospiel“ begann. Letztlich konnten die Salzburger nach Absagen in Salzburg (Red-Bull-Stadion), Schwanenstadt, Vöcklabruck und Grödig die Partie im über 300 Kilometer entfernten Wien austragen – ausgerechnet beim FAC, dem Relegationsgegner von 2014. Zum Zeitpunkt der Austragung schwebte schon längst die drohende Insolvenz über den Salzburgern. Nicht einmal der Triumphmarsch aus Giuseppe Verdis „Aida“, die traditionelle Austria-Tormusik, war den Salzburgern vergönnt. Das „Risikospiel“ ging mit 0:2 verloren. Nicht aber die Hoffnung, die Klänge auch in der nächsten Saison noch genießen zu dürfen.