Sonntag, 27. Dezember 2015

Zeitzeugen Hitlers: Gertraud "Traudl" Junge

Gertraud Junge, geborene Humps kam am 16. März 1920 in München als gutbürgerliche Tochter auf die Welt. Ihr Vater, ein eingefleischter Nationalist diente zunächst im Weltkrieg und danach in diversen Freikorps, vor allem im "Freikorps Oberland" und musste 1925 das Land verlassen. Er ging in die Türkei und wollte die Familie nachholen, Gertrauds Mutter weigerte sich jedoch und verlangte die Scheidung.
 
Die Familie Humps zog in der Folge zu den Grosseltern Zottmann, wo sie sehr unter der Pedanterie ihres Grossvaters, des Generals Maximilian Zottmann litt. Mit 13 endeckte sie (und ihre jüngere Schwester Inge) die Leidenschaft fürs Tanzen, musste aber bald damit aufhören da es die wirtschaftliche Situation erforderte. Ihre jüngere Schwester machte jedoch unter dem Pseudonym "Inge Zohmann" Karriere.
 
Bis zum Zweiten Weltkrieg schlug sich Gertraud Humps mit Bürojobs herum die sie alle nicht zufriedenstellten. Erst eine über ihre Schwester arrangierte Begegnung mit Martin Bormann 1942 brachte ihr eine Stelle im Führerhauptquartier bzw.d er Reichskanzlei wo sie die Post des Diktators sortierte. Bei einem Sekretärinnenwettbewerb gewann sie und wurde ab 1943 eine von vier Privatsekretärinnen Hitlers.
 
In der Wolfsschanze arbeitend lernte sie auch ihren Mann, Hans-Hermann Junge kennen, sie heiratete den SS Offizier am 19. Juni 1943. Die Ehe hielt nur ein Jahr, Hauptsturmführer Hans-Hermann Junge fiel am 13. August 1944 in der Normandie.
 
Während ihrer Zeit in der Wolfsschanze bzw. als Privatsekretärin Hitlers lernte sie dessen Gewohnheiten und Marotten genau kennen. Er stand immer sehr spät auf, aß oft erst gegen 15 Uhr zu Mittag und arbeitete bis tief in die Nacht. Erst gegen 4 Uhr war der Arbeitstag Junges (und der anderen Sekretärinnen Johanna Wolf, Christa Schroeder und Gerda Christian) zu Ende.
 
Anders als in ihrem Interview bzw. Buch geschildert, wusste Junge sehr wohl über alle inneren Verhältnisse Bescheid. Sie hat bis zu ihrem Tode auch keinerlei Schuldeingeständnis veröffentlicht, sah sich jedoch immer als benutztes Opfer. Dies wurde später durch die Alliierten, die Junge als "minderbelastete Mitläuferin" einstuften noch bekräftigt.
 
Junge muss von den Verbrechen der Nazis genau Bescheid gewusst haben, hat sie doch die gesamte Korrespondenz von und an Hitler eingesehen und war Tag und Nacht - nach dem 20. Juli 1944 aß Hitler nur mehr mit seinen Sekretärinnen und ausgewählten Parteivertretern gemeinsam - an seiner Seite. Bis zum Schluss. Adolf Hitler diktierte seiner Sekretärin am 28. April 1945 noch sein privates und politische Testament. Sie erlebte auch den Selbstmord des Ehepaares Hitler mit und konnte am 1. Mai 1945 aus dem Bunker der unter Beschuss liegenden Reichskanzlei flüchten.
 
Sie schlug sich auf abenteuerlichen Weg nach Bayern durch, wobei heute viele dieser Geschichten auf Junges Erzählungen basieren die im Hinblick darauf, dass sie auch ihr Wissen und ihre Rolle bei Hitler verschwiegen bzw. bewusst darüber gelogen hat, mit Vorsicht zu geniessen ist.
 
Ebenso ihre "Entnazifizierung" die in München stattfand. Damals verwendete sie das Pseudonym "Gerda Alt".
 
Nach dem Krieg wurde sie freie Journalistin und arbeitete später für die Zeitschrift "Quick".
 
Gertraud "Traudl" Junge starb am 11. Februar 2002.
 
Gertraud Junge gab zwei Fernsehinterviews: einmal in den 70er Jahren für die BBC und einmal 2000 der Journalistin Melissa Müller und Andre Heller. Melissa Müller veröffentlichte auch das Buch von Junge, welches bereits 1947 geschrieben, damals aber abgelehnt wurde.
 





 
Für mich ist die Person Gertraud Junge ein typisches "Produkt" dieser Zeit, wo Mitverantwortung auf ein Minimum reduziert wurde und nur "der Führer" die alleinige Schuld hatte. Das beginnt bereits mit der Verniedlichungsform von Junges Vorname in "Traudl", welche einerseits eine Verkindlichung und andererseits - wie bei Eva Braun - eine gewisse Naivität suggerieren soll.
 
Dabei muss Junge besser als die meisten Deutschen um die Verbrechen der Nazis gewusst haben, war sie doch Tagein, Tagaus mit den Kriegsverbrechern zusammen und durfte die verbrecherischen Befehle und Weisungen selber abtippen. Dass Gertraud Junge von "alledem nichts gewusst" haben will ist eine reine Schutzbehauptung die die Opfer der Nazidiktatur verhöhnt.
 
Schon aus ihrem Elternhaus heraus muss Junge eine gewisse Grundeinstellung mitgebracht haben, denn es ist kaum vorstellbar, dass bei einem rechtsextremen Vater und einem General als Grossvater hier irgendwelche liberale Gedanken (noch dazu in der Weimarer Republik) aufgekommen sind. Und ein Gespräch mit Bormann in dessen Verlauf ihr eine Stelle im unmittelbaren Machtbereich des Führer angeboten wird kommt auch nicht von irgendwoher zustande. Da werden wohl Vater und Grossvater im Hintergrund die Fäden gezogen haben. Immerhin war Junges Vater schon seit Ende des Ersten Weltkrieges ein Kämpfer gegen die Weimarer Republik gewesen.

 

Gertraud Junge war eine Erfüllungsgehilfin des Regimes, auf keinen Fall eine "minderbelastente Mitläuferin".