Die (angebliche) Geschichte der Margot Wölk
In der Umgebung Hitlers herrschte
– nicht erst seit dem 20. Juli 1944 Misstrauen und Angst vor Attentaten. Nicht
zu unrecht, wurden auf den Führer doch im Laufe der Jahre mindestens 40
Attentate versucht oder geplant. Einige von den eigenen Leuten, einige von
Widerstandskämpfern und andere wiederum von den militärischen Gegnern des
Dritten Reiches. Die Briten zum Beispiel (und das ist wiederum verbrieft)
hatten eine Kommission die feststellen sollte, ob und wie man Hitler durch
Einsatz von Gift oder anderen chemischen Mitteln lähmen bzw. langsam töten
könnte. Einer dieser Pläne war, ihm Gift ins Essen zu mischen, der dazu
auserkorene Mann verschwand jedoch nach Anzahlung einer Prämie auf
Nimmerwiedersehen.
Margot Wölk heizte diese
Diskussionen und Spekulationen 2014 mit ihrem (angeblichen) Bericht wieder neu
an: als junges Mädchen musste sie – gemeinsam mit 14 anderen Frauen – Hitlers
Mahlzeiten vorkosten um so einem Giftattentat zuvorzukommen. Die heute 97jährige
schilderte die entsetzlichen psychischen Qualen die sie jeden Tag hatte, wenn
sie dran war, das Essen zu kosten. Von 1942 bis Kriegsende soll sie diese
Tätigkeit ausgeübt haben bzw. dazu von der SS gezwungen worden sein.
Nun, kann das alles stimmen ? Zunächst
einmal gab es seit mindestens Anfang 1943 eine eigene Köchin, zunächst war das
Marie Helene „Marlene“ von Exner, die dann Mitte 1944 von Constanze Manziarly
abgelöst wurde. Beide Köchinnen waren speziell eingestellte Diätköchinnen und
bereiteten das Essen für den Führer (und nur für ihn) eigenhändig zu. Damit ist
aber auch klar, dass es zum damaligen Zeitpunkt keine Vorkosterinnen mehr
gegeben haben kann da die Köchinnen ihre Speisen wohl selber abschmeckten und
somit vorkosteten. Die beiden Damen waren ausserdem speziell ausgesucht worden
(Exner musste gehen da die Arierschaft ihrer Grossmutter, eines Findelkindes
nicht ganz geklärt werden konnte) und waren – zumindest bei Manziarly
unzweifelhaft – eifrige Parteigenossinnen. Während man über Exner nach 1944
nicht mehr viel weiss (ausser dass sie nach dem Krieg Verfasserin einiger
Diätbücher gewesen zu ein scheint) blieb Manziarly bis Mai 1945 im Führerbunker
und beging dort (nach Aussagen mehrerer Anwesender) wahrscheinlich am 2. Mai
1945 Selbstmord durch Einnahme einer Blausäurekapsel. Nur Gertraud Junge
behauptete, sie habe sie zuletzt in Begleitung zweier sowjetischer Soldaten
gesehen.
Wölk, geboren am 27. Dezember 1917 in Berlin Wilmersdorf
(lt. britschen Angaben, die deutschen Quellen geben Schmargendorf an) sollte
zunächst dem BDM (Bund Deutscher Mädel) beitreten, was sie aber deutschen
Quellen zufolge ebenso verweigerte wie ihr Vater den Parteieintritt und war
anschliessend bis mindestens Ende 1941 Sekretärin in der
Reichsversicherungsanstalt für Angestellte. Verheiratet war sie seit 1939 mit
dem sieben Jahre älteren Kurt Wölk, ihrem dortigen Chef.
Nachdem ihre Eltern ausgebombt worden waren zogen sie nach
Groß-Partsch, heute Parcz im heute polnischen Masuren nahe der Grenze zu
Litauen. Margot folgte ihren Eltern 1942, nachdem sie selber ebenfalls
ausgebombt wurde. Dort soll (angeblich) der Bürgermeister die Anweisung gegeben
haben, sie und 14 andere Mädels mögen sich im Führerbunker Wolfsschanze zu
einem Spezialauftrag melden. In Krausendorf mussten sie Quartier nehmen und die
in der dortigen Küche zubereiteten Speisen vorkosten. Sie berichtete, dass ihr
„Dienstbeginn“ um 8 Uhr morgens war und bis spät in die Nacht dauerte.
Allerdings behauptete Margot Wölk, den Führer, für den sie (angeblich) die
Speisen vorkostete, nie persönlich gesehen zu haben, was bei der Paranoia des
Führers, der alle Leute in seiner Umgebung persönlich aussuchte, kaum
vorstellbar war. Ebenso ist es ziemlich unglaubwürdig, dass sie heute keinen
Namen ihrer Mitleidenden mehr kennt. Nur einige dubiose Vornamen sind ihr zu
entlocken. Wenn man sich ihre gesamte Geschichte, die mit vielen Details
gespickt waren so anhört kommen schon Zweifel an der Richtigkeit auf. Auch die
Behauptung, die Lebensmittel die Hitlers Diätköchinnen zubereiteten wurden
vorgekostet ist – wie oben beschrieben – mehr als nur zweifelhaft. Was hätte es
gebracht, wenn Margot Wölk vergiftetes Essen zu sich genommen hätte und langsam
gestorben wäre ? Die Lebensmittel wären ja – Hitler wollte nur frische Speisen
haben – schon beim Führer gewesen.
Auch ihre Schilderung des Attentats vom 20. Juli 1944 ist
eher zu hinterfragen. So zerstörerisch die Bombe gewesen sein mag, bis in den
äusseren Sperrkreis konnte man den Knall auf keinen Fall hören, da der Sprengsatz
in einem Bunker explodiert war.
Als die Rote Armee Ende 1944 in der Nähe der Wolfsschanze
waren wurde sie von einem Offizier, angeblich Oberleutnant des Begleitkommandos laut britischen Angaben nach Berlin geschickt, wo sie im
Führerbunker (angeblich) dieselben Arbeiten verrichtete. Die deutschen Quellen
berichteten nur davon, dass sie in Berlin war, dort allerdings versteckt bei
einem Arzt. Auch dieser Teil ist zu hinterfragen, war doch die Wehrmacht nach
dem 20. Juli 1944 de facto entmachtet und die SS in der unmittelbaren Umgebung
Hitlers tonangebend. Bei der damals herrschenden Paranoia und Kontrollwut ist
es kaum vorstellbar, dass eine – laut Eigenangaben – Vorkosterin Hitlers so
ohne weiteres flüchten konnte bzw. nicht nach ihr gefahndet wurde. Schon gar
nicht mit dem „Goebbelszug“, der sicher massiv kontrolliert wurde.
Bei Kriegsende fiel sie in die
Hände von Soldaten der Roten Armee, die sie tagelang vergewaltigten und
misshandelten, sodass sie unfruchtbar wurde. Dabei sind ihr aber auch einige
Daten durcheinandergeraten, da zu dem Zeitpunkt (Ende April – die Kämpfe in
Berlin endeten am 1. Mai 1945), wo sie von den Sowjets misshandelt wurde, die
Schlacht um Berlin schon lange zu Ende war. Auch die Zeitspanne zwischen Ende
April/Anfang Mai und den im Sommer 1945, genauer gesagt ab dem 4. Juli 1945
eingetroffenen britischen und amerikanischen Westalliierten (die Franzosen
folgten erst am 12. August 1945, da ihnen die Sowjets keine eigene Zone
zugestanden haben) ist zu lange.
Entweder sie hat die Daten falsch
in Erinnerung (was bei derartigen Verbrechen öfters vorkam) oder hat auch
in dieser Hinsicht etwas dazuerfunden. Ihre Rettung bzw. Pflege durch britsche
Soldaten kann so nicht stimmen. Auch der Bericht, dass sie sich in ihren Retter
verliebte ist anzuzweifeln, da es sehr selten vorkam dass sexuell derart traumatisierte
Frauen jemals wieder richtig lieben, geschweige denn eine intime Beziehung
aufnehmen konnten. Die Fotos die sie in dem Film herzeigt sprechen jedoch eine
andere Sprache denn sie zeigen eine lebenslustige, hübsche Frau der man wohl
kaum die erlittenen Schmerzen ansah. Irgendwas stimmt da nicht. Sicher ist nur,
dass sie überlebte und 1947 mit ihrem aus der Kriegsgefangenschaft
zurückgekehrten Mann Kurt 34 Jahre lang zusammenlebte. Dann folgte die Trennung
des Paares. Kurt Wölk starb 1990.
Soweit ihr Bericht der wohl in groben Zügen, vor allem was das
Kriegsende betraf stimmen mag. Die Tatsache, dass Hitler – wie oben bereits
beschrieben – zwei spezielle Köchinnen hatte und damit definitiv keine
Vorkosterinnen braucht schwächt die Aussage Margot Wölks erheblich, womit auch
der Rest ihrer Geschichte zweifelhaft wirkt. Würde sie allerdings stimmen so
wäre Wölk die bzw. eine der letzten lebenden Zeitzeuginnen aus dem Inneren
Kreis des Führers.