Rochus Misch (* 29. Juli 1917 in Alt Schalkowitz, Oberschlesien;
† 5.
September 2013
in Berlin) war
ein deutscher
Angehöriger
der SS in der Leibstandarte SS Adolf Hitler,
zuletzt mit dem Dienstgrad SS-Oberscharführer. Von 1940 bis 1945 war er als
Angehöriger des Führerbegleitkommandos im Führerhauptquartier tätig, zuletzt auch als
Telefonist. Nach dem Tod von Traudl
Junge 2002, Otto Günsche 2003 und Bernd Freytag von Loringhoven im Jahr
2007 war Misch der letzte Zeitzeuge aus dem engeren Umfeld Hitlers.
Rochus Misch war das zweite Kind des Bauarbeiters Rochus Misch und dessen Frau
Victoria. Sein Vater, der als Soldat im Ersten
Weltkrieg durch einen Lungenschuss schwer verwundet worden war, starb kurz
vor seiner Geburt. 1920 starb die Mutter an einer Lungenentzündung. Im Mai 1922 erlitt sein älterer
Bruder einen tödlichen Badeunfall. Misch wuchs ab seinem sechsten Lebensjahr
bei seinen Großeltern mütterlicherseits auf.
Misch besuchte acht Jahre die Volksschule
und machte danach in Hoyerswerda eine Ausbildung zum Maler. Nachdem er einige
Zeit Malergeselle gewesen war, machte er sich mit einem älteren Kollegen in Hornberg im
Schwarzwald selbstständig.
Er meldete sich 1937 bei der Musterung freiwillig zur SS-Verfügungstruppe, einer Vorgängerorganisation
der Waffen-SS.
Seinen Einberufungsbefehl zur Leibstandarte SS Adolf Hitler erhielt er am 1.
Oktober 1937. Misch nahm mit seiner SS-Einheit am Anschluss Österreichs und der Besetzung des Sudetenlands
infolge des Münchner Abkommens teil.
Am 24. September 1939 wurde Misch während des Polenfeldzugs
bei den Kämpfen um die Festung Modlin am Arm und durch einen
Lungendurchschuss schwer verwundet. 1939 wurden ihm das Eiserne
Kreuz 2. Klasse und das Verwundetenabzeichen in Schwarz verliehen.
Nach Mischs Genesung und auf Empfehlung seines Kompaniechefs
Wilhelm
Mohnke (Leibstandarte SS Adolf Hitler) teilte der damalige Chefadjutant
Hitlers, Wilhelm Brückner, Misch dem Führerbegleitkommando zu. Als Mitglied des
Führerbegleitkommandos hielt er sich in den Jahren 1940 bis 1945 überwiegend in
Berlin (Neue Reichskanzlei), in Berchtesgaden am Obersalzberg
(Berghof oder „Kleine Reichskanzlei“), in
Rastenburg
(Führerhauptquartier Wolfsschanze)
oder im Führersonderzug auf.
Misch berichtete von den letzten Tagen als Telefonist im Führerbunker
hinter der Berliner Reichskanzlei und einem Gespräch mit dem neu ernannten
Reichskanzler Goebbels an dessen Todestag (Suizid), dem 1. Mai
1945:
Goebbels: „Irgendwelche Anrufe für mich,
Misch?“
Misch: „Ja, Herr
Reichskanzler. Die Gauleitung, General Weidling und ein Anruf von
Oberstleutnant Seiffert.“
„Na, das ist ja nicht mehr viel“, winkte Goebbels nun ab.
Misch verließ den Führerbunker am frühen Morgen des 2.
Mai 1945, nachdem ihn Goebbels von seiner Funktion als Telefonist entbunden
hatte. Mit Goebbels und seiner Frau Magda blieb nur der Maschinist Johannes Hentschel dort zurück. Misch flüchtete
von der Vorderfront der Alten Reichskanzlei durch die U-Bahn-Tunnel vom U-Bahnhof Kaiserhof über den Bahnhof Berlin Friedrichstraße und die Weidendammer Brücke bis zum Stettiner Bahnhof, wo er auf dem Weg zu seiner
in Berlin ansässigen Familie von Soldaten der Roten Armee
gefangen genommen wurde. Die Gefängniszelle teilte er sich mit Hitlers
Chefpiloten Hans Baur. Die Gespräche zwischen Baur und Misch
wurden vom sowjetischen Geheimdienst abgehört. Wegen seiner
Waffen-SS-Zugehörigkeit und wegen seiner Nähe zur politischen Prominenz des Dritten
Reiches wurden er und Baur in die Sowjetunion
geflogen und im Moskauer Militärgefängnis Butyrka
festgesetzt, wo Misch nach eigenen Angaben bei Verhören wiederholt schweren
Misshandlungen ausgesetzt war. 1953 wurde Misch aus der Kriegsgefangenschaft
entlassen.
Nach seiner Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft kaufte
sich Misch mit einem Kredit über 28.000 Mark ein Geschäft für Maler- und
Raumausstattungsbedarf in Berlin-Schöneberg. Seinen Betrieb führte er bis zu
seinem achtundsechzigsten Lebensjahr. Danach verkaufte er das Geschäft und zog
sich in den Ruhestand zurück.
Seit dem Tod von Hitlers SS-Adjutanten Otto
Günsche im Oktober 2003 war Misch der letzte Augen- und Zeitzeuge aus dem
inneren Zirkel des „Dritten Reiches“. Im April 2006 erschien eine
Fernsehdokumentation des MDR unter dem Titel Der letzte Zeuge –
Rochus Misch. Ebenfalls im April 2006 wurde die Biografie von Misch unter
dem Titel J'étais garde du corps d'Hitler in Frankreich publiziert. Das
Buch behandelt überwiegend den Zeitraum von 1940 bis 1945. Weitere
Veröffentlichungen folgten in Argentinien, Spanien, Brasilien, Polen, der
Türkei und Japan. In Deutschland erschienen die Lebenserinnerungen von Misch am
30. Juni 2008 unter dem Titel Der letzte Zeuge.
Misch distanzierte sich nicht von seiner Tätigkeit für
die Diktatur. Der Historiker und Professor für neuere Geschichte an der
Universität Konstanz Rainer Wirtz bemängelt, dass Misch die „Verarbeitung
seiner Geschichte nicht gegenwartstauglich vollzogen hat“, und führt als
Beispiel dafür Mischs Bezeichnung von Graf von Stauffenberg als
„Kameradenmörder“ an. In einem Interview mit der Zeitschrift P.M.
wurde Misch diesbezüglich gefragt: „Sie haben das Stauffenberg-Attentat einmal als
‚Kameradenmord‘ bezeichnet. Stehen Sie noch zu diesem Vorwurf?“, woraufhin er
mit „Ja, weil vier Kameraden starben“ antwortete.
In dem Film Der
Bunker (1981) wurde er von Michael
Kitchen, in Der Untergang (2004) von Heinrich Schmieder und in Die letzte Schlacht (2005) von Florian
Lukas gespielt. Alle Produktionen setzen sich kritisch mit den letzten
Tagen des NS-Regimes auseinander. In seinem Buch Der letzte Zeuge sprach
Misch von einer teilweise falschen Darstellung seiner Person im Film.
Rochus Misch war seit 1942 mit der späteren Berliner
SPD-Politikerin Gerda Misch (1920–1997) verheiratet und hatte eine
Tochter. Rochus Misch starb am 5. September 2013 in Berlin im Alter von 96
Jahren.