Sonntag, 22. März 2015

Ballesterer Ausgabe Nummer 100

 
 
Jetzt ist das "alternative Fussballmagazin" auch schon 15 Jahre alt. Quasi im besten Flegelalter und auf dem Sprung zu einem arrivierten Medium. Mit einem in weiss, knallorange und schwarz gehaltenen Cover wird diese Tatsache gefeiert. Inklusive vieler Jubelbeiträge, die natürlich zurecht erfolgen und einigen szenespezifischen "Ultrathemen".

Wie dem zehnten Jahrestag der Auflösung der Fossa dei Leoni, Italiens erster anerkannter Ultragruppierung. Was damals vor zehn Jahren tatsächlich passiert ist weiss bis heute nur ein relativ kleiner Kreis von Menschen sicher, Fakt ist dass der Auslöser jene unfaire "Rubati" Aktion der Fossa war die vergessene Fahnen der in Milano beheimateten Turiner Fangruppe "VIKING NAB" als Kriegsbeute präsentiert haben. Die Antwort der Juventini war, den Fahnenträger der "Fossa" mit zehn Mann zu überfallen und unter Waffengewalt zur Herausgabe des historischen Auswärtstransparentes zu nötigen. Eine "anonyme" Anzeige bei der DIGOS (ital. Spezialpolizei) erfolgte was die gesamtitalienische Szene als Verrat an den Ultras empfand, genoss die Fossa als älteste Gruppe doch einen gewissen Sonderstatus innerhalb (und ausserhalb) Italiens. Auf den Rängen begann dann ein Machtkampf zwischen der vereinstreuen Brigate Rossonere und der Fossa, die letztere verlor. Es ging um die Führung der Kurve (in Italien bekam die führende Gruppe Kartenkontingente und andere Vergünstigungen vom Verein) und natürlich um viel Geld, welches die Fossa hatte. Über 5.000 (zahlende) Mitglieder und eine ausgeklügelte Merchandisinglinie - der Löwenkopf war überall bekannt und oftmals von anderen Gruppen kopiert - garantierte dies. Die 15 Köpfe der Fossa, die darüber verfügten bekamen von der Milanszene "Stadionverbot", der grosse Rest der Mitglieder durfte allerdings - auch mit den Fanartikeln der Fossa gewandet - ins Stadion. Transparente wurden nicht geduldet.

Viele - auch die Redakteure und Gastschreiber des Ballesterer - sahen darin nicht ganz zu Unrecht auch den Beginn des Untergangs der (linken) Gruppen im Land, war doch die Fossa - und soweit stimmt der Artikel ganz sicher - eine sehr unangepasste Gruppe. Aus der linken Protestszene der 60er Jahre entstanden (wie übrigens auch die BRN) änderte sie im Laufe ihres langen Bestehens eigentlich nie ihre Grundausrichtung und war der Dorn im Fleisch des Vereines, der zu den reichsten und erfolgreichsten gehört. Ihre kurvenumspannenden Choreos mit teils feiner politischen Aussage und erklärter Liebeserklärung dem rotschwarzen Verein gegenüber sind immer noch Vorbild für viele Kurven in der ganzen Welt, bis nach Japan haben es "Kopien" der Fossakurvenshows geschafft.

Trotzdem stand die Fossa auch immer für das gelungene Zusammenleben mehrerer Strömungen innerhalb der Szene des AC Milans und genierte sich auch nicht, gemeinsam mit den anderen Gruppen aufzutreten. Sei es bei Choreos oder beim einträchtigen Nebeneinanderhängen der Transparente im Sektor. Da war es vollkommen egal ob ein Löwenkopf neben einem Hund oder einem Totenschädel hing, es zählte nur Rotschwarz. Für viele angeblich politische Szenen und Kurven heute ein Unding, sind sie doch in ihren eigenen Dogmen so verstrickt dass sie nicht über den Tellerand sehen können. Politik als Selbstzweck, Fussball als Medium. Dies hatte die Fossa nie gemacht, sie ist für ihre Art zu existieren eingestanden - nicht mehr und nicht weniger. Missioniert hat sie nie. Einen Kreuzzug führte sie auch nie. Feinde im eigenen Lager hat sie auch nie gesucht. Dafür hat sie über einen langen Zeitraum die Führung und den Respekt einer Kurve und eines Landes gehabt.

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