Mittwoch, 16. April 2014

Jetzt gehts los

Fünf bis sechs Militärfahrzeuge fuhren am Mittwochvormittag in der Stadt Slawjansk vor. Putin hatte zuvor vor einem Bürgerkrieg gewarnt.
16.04.2014 | 10:17 |   (DiePresse.com)
Panzer mit russischer Flagge vor Slawjansk....
Fünf bis sechs Radpanzer sind am Mittwochvormittag in die Stadt Slawjansk im Osten der Ukraine eingedrungen. Das Führungsfahrzeug zeigte eine russische Flagge. Auf den Fahrzeugen des Typs BTR - der sowohl in Russland als auch in der Ukraine zu hunderten in Verwendung steht - saßen rund 15 Bewaffnete in Uniformen mit unterschiedlichen Tarnmustern und winkten den Menschen zu.
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Bewaffnete Separatisten sollen zudem das Rathaus von Donezk übernommen haben. Demnach drangen mindestens 20 pro-russische Aktivisten in das Gebäude ein. Sie hätten jedoch bisher keine Forderungen gestellt, so die Sprecherin.
 ITAR TASS SLAVYANSK UKRAINE APRIL 14 2014 Supporters of a referendum on the Donetsk region stat
In mehreren Orten der Ostukraine halten moskautreue Separatisten seit Tagen Verwaltungsgebäude besetzt. Sie fordern einen föderalen Staat mit weitgehenden Autonomierechten für das russisch geprägte Gebiet. Am Dienstag verkündete die Regierung in Kiew dann einen Anti-Terror-Einsatz. Wegen der Offensive gegen prorussische Separatisten in der Ostukraine warnte Russland vor einer gefährlichen Zuspitzung der Krise. Dies habe das Land an den Rand eines Bürgerkrieges gebracht, sagte Präsident Wladimir Putin nach Angaben der Regierung in Moskau am Dienstagabend in einem Telefonat mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
"Ein Scheitern ist nicht erlaubt"
Konkret hieß es aus dem deutschen Bundespresseamt zu dem Gespräch zwischen Putin und Merkel, die Situation in der Ukraine sei ausführlich erörtert worden. Bei aller unterschiedlichen Bewertung der Ereignisse sei die Vorbereitung des Treffens in Genf im Mittelpunkt gestanden. Dort wollen die Außenminister Russlands, der USA und der Ukraine zusammen mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton über Möglichkeiten einer diplomatischen Lösung der Krise beraten. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier appellierte an die Teilnehmer, das Treffen auch zu nutzen. "Ein Scheitern ist nicht erlaubt", sagte er der "Rheinischen Post" (Mittwoch). Der ukrainische Interimspräsident Turtschinow sagte, Ziel des Vorrückens sei der "Schutz der Bürger vor Terroristen, die das Land zerreißen wollen". Zu Schusswechseln zwischen ukrainischen Einheiten und moskautreuen Aktivisten kam es in der Nähe der Städte Kramatorsk und Slawjansk im Verwaltungsgebiet Donezk. Nach schweren Gefechten hätten Regierungseinheiten den Flugplatz von Kramatorsk unter ihre Kontrolle gebracht, sagte Turtschinow. Das russische Staatsfernsehen berichtete von mindestens vier Toten. Die moskautreuen Aktivisten sprachen von einem Verletzten in ihren Reihen. Eine offizielle Bestätigung für die Opferzahlen gab es zunächst nicht. Putin forderte laut Kreml von UN-Generalsekretär Ban, die Vereinten Nationen müssten das "verfassungswidrige Vorgehen" der Machthaber in Kiew verurteilen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach bei einem Besuch in Peking von einer "Verletzung ukrainischer Rechtsnormen und des Völkerrechts".
 
US-Regierungssprecher Jay Carney sagte hingegen: "Die ukrainische Regierung hat die Verantwortung, Recht und Ordnung herzustellen." Die "Provokationen" prorussischer Kräfte "schaffen eine Situation, in der die Regierung handeln muss". Er bezeichnete die Eskalation als "sehr gefährlich". Die USA haben Russland mehrfach beschuldigt, in dessen Nachbarland politische Unruhen zu befeuern. Der Russlandbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), sagte der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch), die gute Organisation und Ausrüstung der Milizen in den Städten deuteten auf russische Herkunft hin. Vor einer Entscheidung über mögliche weitere Sanktionen gegen Russland wollen die USA zunächst die Genfer Gespräche abwarten. Die "New York Times" berichtete, Washington prüfe unter anderem, einen engen Putin-Vertrauten auf die Sanktionsliste zu setzen. Es handle sich um Igor Setschin, Chef der staatlichen Ölgesellschaft Rosneft. Nach Ansicht des luxemburgischen Europapolitikers Jean-Claude Juncker zeigen die von der EU gegen Russland verhängten Sanktionen Wirkung. "Man weiß ja jetzt schon, was es an Kapitalabfluss aus Russland in den vergangenen Wochen und Tagen gegeben hat. Das geht nicht wirkungslos an Russland vorbei", sagte Juncker der Nachrichtenagentur dpa in Straßburg. Der frühere luxemburgische Ministerpräsident ist Spitzenkandidat der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) für die Europawahl Ende Mai. Bisher verhängte die EU wegen der Annexion der Krim durch Russland Kontensperrungen und Einreiseverbote gegen Einzelpersonen. Über neue Wirtschaftssanktionen wurde noch nicht entschieden. Juncker sagte vor allem mit Blick auf mögliche Wirtschaftsstrafmaßnahmen: "Man kann keine Sanktionen verhängen, die einen nicht auch selbst betreffen würden. Wenn wir, was wir sind, auch weiterhin eine Wertegemeinschaft bleiben wollen, dann müssen wir dies in Kauf nehmen. Angenehm ist das nicht, aber die Verteidigung von Werten hat auch einen Preis."


(APA/dpa)
Panzer unter russischer Flagge fahren jetzt auf Im Osten des Landes eskaliert die Lage: Kiew setzt Militär gegen Separatisten ein, Tote bei Gefecht.
Ob es russische Panzer sind oder jene von ukrainischen Überläufern, die von pro-russischen Separatisten gelenkt werden, ist noch unklar - fest steht aber, dass in der Ostukraine erstmals Panzer unter russischer Flagge rollen: Unter dem Jubel der Menschen dort wurden etwa sechs Radpanzer nahe Slanwjansk gsichtet; jener Stadt, die seit geraumer Zeit schwer umkämpft ist. Auf den Fahrzeugen des Typs BTR - der sowohl in Russland als auch in der Ukraine zu hunderten in Verwendung steht - saßen rund 15 Bewaffnete in Uniformen mit unterschiedlichen Tarnmustern und winkten den Menschen zu.
Die Separatisten dort haben die "Unabhängige Volksrepublik Donbass" ausgerufen - und sie sind nicht alleine: Auch in anderen Städten gab es Berichte von bewaffneten Auseinandersetzungen. So lieferten sich Armee und prorussische Separatisten heftige Gefechte um den Flughafen der Stadt Kramatorsk – das russische Staatsfernsehen berichtete von vier Toten. Der Flughafen sei unter ukrainischer Kontrolle, sagte Präsident Turtschinow am Dienstag. Auf einem Video (siehe unten) ist allerdings zu sehen, wie ukrainische Soldaten ihre gepanzerten Fahrzeuge aufgeben, zudem rufen Menschen auf der Straße ihnen zu: "Die Armee soll mit dem Volk sein!" In Donezk übernahmen am Mittwoch wiederum Separatisten das Rathaus. Mindestens 20 Bewaffnete seien in das Gebäude eingedrungen, sie hätten jedoch bisher keine Forderungen gestellt, so die Sprecherin.
Sympathie für die Russen
Überall in der Stadt Slawjansk ist NTV-Reporter Dirk Emmerich auf offene Sympathie für die pro-russischen Aktivisten gestoßen. "Die Stimmung, auch unter den normalen Passanten, ist total pro-russisch", erzählt er dem KURIER: "Die Leute fühlen sich von Kiew im Stich gelassen, wollen Unabhängigkeit." Kiew aber hat nicht vor, diese Unabhängigkeit zuzulassen. Am Dienstag verkündete Interimspräsident Alexander Turtschinow, dass der seit Tagen angekündigte Militäreinsatz im Osten des Landes angelaufen sei – und das erste Ziel dieser Operation ist offenbar Slawjansk. Begleitet von einem Dutzend Kampfpanzern und gepanzerten Fahrzeugen näherten sich Einheiten der ukrainischen Armee der Stadt, über der Kampfhubschrauber patrouillierten.
Putin warnt vor "Bürgerkrieg"
Russland hatte schon zuvor gewarnt, ein Einsatz der Armee gegen die pro-russischen Kämpfer sei "kriminell" und würde die für Donnerstag geplanten Friedensgespräche zwischen den USA, Russland und der EU in Genf platzen lassen. Außenminister Sergej Lawrow sprach später von einer "Verletzung ukrainischer Rechtsnormen und des Völkerrechts". Und Präsident Wladimir Putin sagte in einem Telefonat mit UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, UNO und internationale Gemeinschaft müssten das "verfassungswidrige Vorgehen" der Machthaber in Kiew verurteilen. Gegenüber der deutschen Kanzlerin Merkel warnte er vor einer gefährlichen Zuspitzung der Lage in der Ukraine, die scharfe Eskalation des Konflikts habe das Land an den Rand eines Bürgerkrieges gebracht, so der russische Präsident. Die USA haben das militärische Eingreifen der Ukraine verteidigt. "Die ukrainische Regierung hat die Verantwortung, Recht und Ordnung herzustellen", sagte Regierungssprecher Jay Carney in Washington. Die "Provokationen" prorussischer Kräfte "schaffen eine Situation, in der die Regierung handeln muss". Ein Versuch von US-Präsident Barack Obama, Putin für ein gemeinsames Vorgehen zu gewinnen, war Montagnacht gescheitert. Putin bestritt jede Unterstützung für die Milizen. Sein Land sei am Erhalt der Ukraine interessiert, mische sich nicht ein. Das aber passt nicht zu dem Eindruck, den westliche Reporter wie Dirk Emmerich vor Ort gewinnen. In Slawjansk und anderen Städten der Region sei er auf Einheiten von Bewaffneten gestoßen, die hoch professionell agierten: "Das sind gut ausgebildete Militärs, die genau wissen, wie man vorgeht." Ob es sich aber um Russen handle oder um Ex-Angehörige ukrainischer Sicherheitskräfte, die gegen die Regierung in Kiew kämpften, ließe sich nicht genau sagen. Auch normale Polizeieinheiten würden zu den pro-russischen Kämpfern überlaufen.




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