Fünf bis sechs Militärfahrzeuge fuhren am Mittwochvormittag in der
Stadt Slawjansk vor. Putin hatte zuvor vor einem Bürgerkrieg gewarnt.
16.04.2014 | 10:17 |
(DiePresse.com)
Fünf bis sechs Radpanzer sind am
Mittwochvormittag in die Stadt Slawjansk im Osten der Ukraine eingedrungen. Das
Führungsfahrzeug zeigte eine russische Flagge. Auf den Fahrzeugen des Typs BTR
- der sowohl in Russland als auch in der Ukraine zu hunderten in Verwendung
steht - saßen rund 15 Bewaffnete in Uniformen mit unterschiedlichen Tarnmustern
und winkten den Menschen zu.
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Bewaffnete Separatisten sollen zudem das Rathaus von Donezk übernommen
haben. Demnach drangen mindestens 20 pro-russische Aktivisten in das Gebäude
ein. Sie hätten jedoch bisher keine Forderungen gestellt, so die Sprecherin.
In mehreren Orten der Ostukraine
halten moskautreue Separatisten seit Tagen Verwaltungsgebäude besetzt. Sie
fordern einen föderalen Staat mit weitgehenden Autonomierechten für das
russisch geprägte Gebiet. Am Dienstag verkündete die Regierung in Kiew dann
einen Anti-Terror-Einsatz. Wegen der Offensive gegen prorussische Separatisten
in der Ostukraine warnte Russland vor einer gefährlichen Zuspitzung der Krise.
Dies habe das Land an den Rand eines Bürgerkrieges gebracht, sagte Präsident
Wladimir Putin nach Angaben der Regierung in Moskau am Dienstagabend in einem
Telefonat mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
"Ein Scheitern ist nicht erlaubt"
Konkret hieß es aus dem deutschen
Bundespresseamt zu dem Gespräch zwischen Putin und Merkel, die Situation in der
Ukraine sei ausführlich erörtert worden. Bei aller unterschiedlichen Bewertung
der Ereignisse sei die Vorbereitung des Treffens in Genf im Mittelpunkt
gestanden. Dort wollen die Außenminister Russlands, der USA und der Ukraine
zusammen mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton über Möglichkeiten einer
diplomatischen Lösung der Krise beraten. Der deutsche Außenminister
Frank-Walter Steinmeier appellierte an die Teilnehmer, das Treffen auch zu
nutzen. "Ein Scheitern ist nicht erlaubt", sagte er der "Rheinischen
Post" (Mittwoch). Der ukrainische Interimspräsident Turtschinow sagte,
Ziel des Vorrückens sei der "Schutz der Bürger vor Terroristen, die das
Land zerreißen wollen". Zu Schusswechseln zwischen ukrainischen Einheiten
und moskautreuen Aktivisten kam es in der Nähe der Städte Kramatorsk und
Slawjansk im Verwaltungsgebiet Donezk. Nach schweren Gefechten hätten
Regierungseinheiten den Flugplatz von Kramatorsk unter ihre Kontrolle gebracht,
sagte Turtschinow. Das russische Staatsfernsehen berichtete von mindestens vier
Toten. Die moskautreuen Aktivisten sprachen von einem Verletzten in ihren
Reihen. Eine offizielle Bestätigung für die Opferzahlen gab es zunächst nicht. Putin
forderte laut Kreml von UN-Generalsekretär Ban, die Vereinten Nationen müssten
das "verfassungswidrige Vorgehen" der Machthaber in Kiew verurteilen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sprach bei einem Besuch in Peking von
einer "Verletzung ukrainischer Rechtsnormen und des Völkerrechts".
US-Regierungssprecher Jay Carney
sagte hingegen: "Die ukrainische Regierung hat die Verantwortung, Recht
und Ordnung herzustellen." Die "Provokationen" prorussischer
Kräfte "schaffen eine Situation, in der die Regierung handeln muss".
Er bezeichnete die Eskalation als "sehr gefährlich". Die USA haben
Russland mehrfach beschuldigt, in dessen Nachbarland politische Unruhen zu
befeuern. Der Russlandbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Gernot Erler
(SPD), sagte der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch), die gute
Organisation und Ausrüstung der Milizen in den Städten deuteten auf russische
Herkunft hin. Vor einer Entscheidung über mögliche weitere Sanktionen gegen
Russland wollen die USA zunächst die Genfer Gespräche abwarten. Die "New
York Times" berichtete, Washington prüfe unter anderem, einen engen
Putin-Vertrauten auf die Sanktionsliste zu setzen. Es handle sich um Igor
Setschin, Chef der staatlichen Ölgesellschaft Rosneft. Nach Ansicht des
luxemburgischen Europapolitikers Jean-Claude Juncker zeigen die von der EU
gegen Russland verhängten Sanktionen Wirkung. "Man weiß ja jetzt schon,
was es an Kapitalabfluss aus Russland in den vergangenen Wochen und Tagen
gegeben hat. Das geht nicht wirkungslos an Russland vorbei", sagte Juncker
der Nachrichtenagentur dpa in Straßburg. Der frühere luxemburgische
Ministerpräsident ist Spitzenkandidat der konservativen Europäischen
Volkspartei (EVP) für die Europawahl Ende Mai. Bisher verhängte die EU wegen
der Annexion der Krim durch Russland Kontensperrungen und Einreiseverbote gegen
Einzelpersonen. Über neue Wirtschaftssanktionen wurde noch nicht entschieden. Juncker
sagte vor allem mit Blick auf mögliche Wirtschaftsstrafmaßnahmen: "Man
kann keine Sanktionen verhängen, die einen nicht auch selbst betreffen würden.
Wenn wir, was wir sind, auch weiterhin eine Wertegemeinschaft bleiben wollen,
dann müssen wir dies in Kauf nehmen. Angenehm ist das nicht, aber die
Verteidigung von Werten hat auch einen Preis."
(APA/dpa)
Panzer unter russischer Flagge fahren jetzt auf Im Osten des Landes
eskaliert die Lage: Kiew setzt Militär gegen Separatisten ein, Tote bei
Gefecht.
Ob es russische Panzer sind oder
jene von ukrainischen Überläufern, die von pro-russischen Separatisten gelenkt
werden, ist noch unklar - fest steht aber, dass in der Ostukraine erstmals
Panzer unter russischer Flagge rollen: Unter dem Jubel der Menschen dort wurden
etwa sechs Radpanzer nahe Slanwjansk gsichtet; jener Stadt, die seit geraumer
Zeit schwer umkämpft ist. Auf den Fahrzeugen des Typs BTR - der sowohl in
Russland als auch in der Ukraine zu hunderten in Verwendung steht - saßen rund
15 Bewaffnete in Uniformen mit unterschiedlichen Tarnmustern und winkten den
Menschen zu.
Die Separatisten dort haben die
"Unabhängige Volksrepublik Donbass" ausgerufen - und sie sind nicht
alleine: Auch in anderen Städten gab es Berichte von bewaffneten
Auseinandersetzungen. So lieferten sich Armee und prorussische Separatisten
heftige Gefechte um den Flughafen der Stadt Kramatorsk – das russische
Staatsfernsehen berichtete von vier Toten. Der Flughafen sei unter ukrainischer
Kontrolle, sagte Präsident Turtschinow am Dienstag. Auf einem Video (siehe
unten) ist allerdings zu sehen, wie ukrainische Soldaten ihre gepanzerten
Fahrzeuge aufgeben, zudem rufen Menschen auf der Straße ihnen zu: "Die
Armee soll mit dem Volk sein!" In Donezk übernahmen am Mittwoch
wiederum Separatisten das Rathaus. Mindestens 20 Bewaffnete seien in das
Gebäude eingedrungen, sie hätten jedoch bisher keine Forderungen gestellt, so
die Sprecherin.
Sympathie für die Russen
Überall in der Stadt Slawjansk
ist NTV-Reporter Dirk Emmerich auf offene Sympathie für die pro-russischen
Aktivisten gestoßen. "Die Stimmung, auch unter den normalen Passanten, ist
total pro-russisch", erzählt er dem KURIER: "Die Leute fühlen sich
von Kiew im Stich gelassen, wollen Unabhängigkeit." Kiew aber hat nicht
vor, diese Unabhängigkeit zuzulassen. Am Dienstag verkündete
Interimspräsident Alexander Turtschinow, dass der seit Tagen angekündigte
Militäreinsatz im Osten des Landes angelaufen sei – und das erste Ziel dieser
Operation ist offenbar Slawjansk. Begleitet von einem Dutzend Kampfpanzern und
gepanzerten Fahrzeugen näherten sich Einheiten der ukrainischen Armee der
Stadt, über der Kampfhubschrauber patrouillierten.
Putin warnt vor "Bürgerkrieg"
Russland hatte schon zuvor
gewarnt, ein Einsatz der Armee gegen die pro-russischen Kämpfer sei
"kriminell" und würde die für Donnerstag geplanten Friedensgespräche
zwischen den USA, Russland und der EU in Genf platzen lassen. Außenminister
Sergej Lawrow sprach später von einer "Verletzung ukrainischer
Rechtsnormen und des Völkerrechts". Und Präsident Wladimir Putin sagte in
einem Telefonat mit UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, UNO und internationale
Gemeinschaft müssten das "verfassungswidrige Vorgehen" der Machthaber
in Kiew verurteilen. Gegenüber der deutschen Kanzlerin Merkel warnte er vor
einer gefährlichen Zuspitzung der Lage in der Ukraine, die scharfe Eskalation
des Konflikts habe das Land an den Rand eines Bürgerkrieges gebracht, so der
russische Präsident. Die USA haben das militärische
Eingreifen der Ukraine verteidigt. "Die ukrainische Regierung hat die
Verantwortung, Recht und Ordnung herzustellen", sagte Regierungssprecher
Jay Carney in Washington. Die "Provokationen" prorussischer Kräfte
"schaffen eine Situation, in der die Regierung handeln muss". Ein
Versuch von US-Präsident Barack Obama, Putin für ein gemeinsames Vorgehen zu
gewinnen, war Montagnacht gescheitert. Putin bestritt jede Unterstützung für
die Milizen. Sein Land sei am Erhalt der Ukraine interessiert, mische sich
nicht ein. Das aber passt nicht zu dem
Eindruck, den westliche Reporter wie Dirk Emmerich vor Ort gewinnen. In
Slawjansk und anderen Städten der Region sei er auf Einheiten von Bewaffneten
gestoßen, die hoch professionell agierten: "Das sind gut ausgebildete
Militärs, die genau wissen, wie man vorgeht." Ob es sich aber um Russen
handle oder um Ex-Angehörige ukrainischer Sicherheitskräfte, die gegen die
Regierung in Kiew kämpften, ließe sich nicht genau sagen. Auch normale
Polizeieinheiten würden zu den pro-russischen Kämpfern überlaufen.
http://www.eurasischesmagazin.de/ticker/Live-Ticker-aus-der-Ukraine/93