Der Verrat an den Arbeitnehmern
Im April soll das
Arbeitszeitgesetz reformiert werden. Der 8-Stunden-Tag soll durch einen
12-Stunden-Tag ersetzt werden, die Höchstarbeitszeit soll/kann/darf/muss bei 50
Wochenstunden bleiben. Ein „Erfolg“ der Sozialpartnerschaft, ausgemacht
zwischen den beiden Ministern Mitterlehner und Hunstorfer. Laut
Medienkolportage soll diese neue Regelung aber „ohnehin“ nur bei Gleitzeit,
Dienstreisen bzw. für Arbeitnehmer auf Montage gelten – Begründung: dann wären
die Fahrzeiten zu den Arbeitsstätten schon inkludiert. Lehrlinge ab 16 dürfen
ab jetzt bis zu 10 Stunden pro Tag arbeiten. Damit haben die Sozialdemokraten
ihre Ideale verraten und die Arbeitnehmer noch stärker dem Arbeitsdruck seitens
der Unternehmen ausgesetzt. Es klingt ja ganz nett, dass ein Herr
Sozialminister meint, dass es doch gut ist, wenn der Arbeitnehmer flexibler in
der Zeitgestaltung sei – als Beispiel wird da die Milchmädchenrechnung von 4 x
10 Stunden pro Woche und drei freien Tagen angeführt – doch wird das in
Wirklichkeit so aussehen, dass die Unternehmen dann 5 x 10 Stunden arbeiten lassen
– dürfen sie ja durch die Höchstgrenze von 50 Wochenstunden – und die
Mehrleistungen wie bisher oftmals üblich dann in Freizeit ausgleichen. Tolle
Sache.
Es waren ja die
Sozialdemokraten die Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Forderung des
8-Stunden-Tages begonnen und diesen 1918 – der Sozialdemokrat Ferdinand Hanusch
war der Urheber der Sozialgesetzgebung und Gründer der Arbeiterkammer –
gesetzlich verankert hat. Bis in die 70er Jahre wurde die Höchstarbeitszeit
dann auf 40, in einigen Bereichen sogar 38 Stunden gedrückt. Dies alles ist
aber Makulatur, mit der geplanten (und in der Koalition schon vereinbarten)
Einführung eines 12-Stunden-Tages bei 50 Wochenarbeitsstunden sind wir wieder
dort, wo wir vor fast 100 Jahren waren. Bei der Ausbeutung der Arbeitskraft.
Inwieweit eine Erhöhung
der täglichen Arbeitszeit überdies die prekäre Arbeitsmarktsituation
entschärfen soll erschliesst sich mir leider auch nicht so ganz ausser dass die
Arbeitslosen weiterhin keine Beschäftigung haben weil die Unternehmen mit dem
Totschlagargument: „Entweder du hackelst länger oder du kannst
gehen“ die Beschäftigten noch
mehr in der Hand haben. Die Schwächsten am Arbeitsmarkt, die Lehrlinge sind
davon am stärksten betroffen. Bisher war es Minderjährigen ja verboten, Überstunden
zu machen bzw. mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen 8 Stunden im Betrieb
bleiben zu müssen (Ausnahmen abgesehen), jetzt ist das auf einmal gar nicht
mehr so wichtig. Und das obwohl die Sozialdemokratie immer die
„Lehrlingsförderung“ gross auf ihre Fahnen geschrieben hat. Im AK-Wahlkampf
zumindest. Der ist vorüber, das Wahlergebnis eingefahren und die Versprechen
vergessen. Ich würde gerne wissen was die verantwortlichen Politiker den
Lehrlingen jetzt sagen oder wie sie ihnen dieses neue Gesetz verkaufen wollen.
Wobei – verkauft haben sie uns alle ja schon damit.
Ferdinand Hanusch würde
sich im Grabe umdrehen, sicherheitshalber hat er damals eine Feuerbestattung
bekommen.
Und die immer wieder
erwähnte „Flexibilität für Arbeitgeber“ ist ja auch ein Hohn jenen gegenüber
die sich vergeblich um einen Job bemühen. Oder den älteren KollegInnen die ab
jetzt den Druck noch grösser spüren werden, Frank Stronachs „Hire and Fire“ System wird da so nach und nach staatlich
sanktioniert. Danke Frank ! Wer nicht pariert, fliegt. Eine ganz tolle Sache
wenn man sich jetzt die lebenslange Durchrechnung bei Pensionen,
Wiedereingliederungszahlen bei über 50jährigen, Krankenstatistiken und
dergleichen hernimmt.
Wenn die Wirtschaft
mehr Flexibilität will soll sie mehr Bedienstete einstellen, die dann natürlich
eine flexiblere Produktion garantieren. Und ehrlich, bei den Gewinnen die die
Unternehmen Jahr für Jahr einfahren – Kennzahlen dafür sind die Managerboni –
fallen die Personalkosten nicht ins Gewicht. Für den Bonus eines
Spitzenmanagers könnte man vermutlich an die 20 Mitarbeiter zusätzlich
beschäftigen. Will man aber nicht. Es geht ja dabei um Gewinnmaximierung und in
der Wirtschaftswelt wird der nicht durch die Arbeitnehmer sondern die Manager
erzielt. Wie das ohne Personal geht weiss ich zwar nicht, konnte mir auch noch
keiner erklären, aber es ist halt so. Manifestiert sich auch im ÖVP-Stehsatz:
„Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s den Arbeitnehmern gut !“ – Ja eh !
Was dieses Gesetz für
die Stadt Wien bedeuten wird, bleibt noch offen. In vielen
Magistratsabteilungen gilt ja bereits die Gleitzeit, gibt es eine
Rahmenarbeitszeit von 8 Stunden bei möglichen zwei Gutstunden (also insgesamt
10 Stunden) sowie zwei möglichen, wenn angeordneten Überstunden. Die tägliche
Höchstarbeitszeit ist da 12 Stunden, die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden.
Lehrlinge arbeiten 8 Stunden. Nun, jetzt „dürfen“ Lehrlinge ab 16 Jahre (und
das kann man ja bei der Einstellung von neuen Lehrlingen leicht regeln) bis zu
10 Stunden täglich arbeiten. Toll. Wir alle wissen, dass die Dienstpostenpläne
innerhalb der Magistratsdienststellen immer knapper werden und wir dadurch mit
weniger Personal immer mehr Aufgaben übernehmen müssen. Die Arbeit muss ja
gemacht werden. Lehrlinge fallen ja nicht in die Dienstpostenpläne der
einzelnen Magistratsabteilungen, daher können theoretisch beliebig viele
Lehrlinge angefordert und ausgebildet werden, wenn sich eine entsprechend
qualifizierte Kollegin dort befindet. Mit der neuen Regelung wird es wohl so
sein, dass die Stadt Wien noch stärker auf Lehrlinge zur Abdeckung von
Personallücken setzen wird. Was natürlich Humbug ist, denn Lehrlinge in
Ausbildung binden wiederum Personalressourcen. Nämlich den oder die
LehrlingsausbildnerInnen.
Wie die Sache mit den
Überstundenregelungen aussieht bleibt abzuwarten, da muss erst der Gesetzestext
veröffentlicht werden um Rückschlüsse ziehen zu können. Mein Gefühl sagt mir
aber, dass sich da nicht viel zum Besseren ändern wird.