Mythos Trümmerfrauen: Den Schutt räumten in Wirklichkeit andere weg
Ganz selbstverständlich prägen sie unser Bild von der Nachkriegszeit: „Trümmerfrauen“, die freiwillig und mit unermüdlichem Einsatz Steine schleppten und Deutschlands zerstörte Städte von Schutt befreiten. Doch so schön die Geschichte klingt, sie ist nichts weiter als ein Mythos.
- Eine Medienkampagne schuf den Mythos im Nachkriegs-Berlin.
- In der DDR galt die „Trümmerfrau“ als Ikone der Gleichberechtigung.
- Seit den 1980er-Jahren steht der Begriff für eine ganze Generation.
Sie gelten als Symbol des Wiederaufbaus in Deutschland: Nach dem Zweiten Weltkrieg räumten angeblich Heerscharen von „Trümmerfrauen" den Schutt der zerbombten Städte weg – freiwillig und aufopferungsvoll. In der Trostlosigkeit der Nachkriegszeit hätten sie, so heißt es gern, dem Land neue Hoffnung gegeben und den Grundstein für das spätere „Wirtschaftswunder" gelegt.
Tatsächlich ist diese Geschichte der Trümmerfrauen eine erfundene Legende. In Wirklichkeit beteiligten sich relativ wenige Frauen an den Aufräumarbeiten in den Städten – und diejenigen, die es taten, schufteten in der Regel nicht aus eigenem Antrieb. Zu diesem Schluss kommt die Historikerin Leonie Treber, die sich in ihrem Buch „Mythos Trümmerfrauen" ausgiebig mit der Thematik beschäftigt hat. Eine Erkenntnis, von der sie laut eigener Aussage selbst überrascht war.
Von den Medien als Vorbilder gefeiert
Seinen Ursprung hatte der Begriff „Trümmerfrau" laut Treber in Berlin. 1946 und 1947 mussten dort Arbeitslose Schutt beseitigen, zwangsverpflichtet von den Arbeitsämtern, die ihnen sonst die Lebensmittelkarten gestrichen hätten. 25.000 bis 30.000 von ihnen waren weiblich, offiziell wurden sie als „Bauhilfsarbeiterinnen" bezeichnet. Sie machten gut fünf Prozent aller erwerbsfähigen Frauen in Berlin aus. Das war kein wirklich großer Anteil, aber trotzdem ein noch weitaus höherer als in anderen Städten.
„Tageszeitungen und Frauenzeitschriften feierten die Berliner Arbeiterinnen damals als Vorbilder und sprachen von ihnen respektvoll als Trümmerfrauen", erläutert die Historikerin. „Sie verliehen ihrer Tätigkeit damit Ehrbarkeit und Sinn." Denn bis dahin habe es als Strafe gegolten, Bauschutt wegzuräumen. In den Kriegstagen hätten unter anderem Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge Bombenschäden beseitigen müssen. Und nach der Kapitulation seien es zunächst deutsche Kriegsgefangene und ehemalige NSDAP-Mitglieder gewesen, die sich an Aufräumarbeiten beteiligen mussten.
In der Bundesrepublik passte die Trümmerfrau nicht zum Rollenbild der 50er
Ein Mythos war geboren, der eine enorme Wirkung entfalten sollte. „In der DDR wurde die Trümmerfrau zu einem elementaren Bestandteil der Erinnerungskultur", sagt Treber. „Sie galt als Vorbild für Frauen, die in Männerberufen arbeiteten, und als Symbol der Gleichberechtigung."
In der Bundesrepublik dauerte es allerdings noch, bis der Mythos populär wurde. Passte die Trümmerfrau doch nicht so recht zum Rollenbild der 1950er-Jahre, demzufolge die Frau lieber am heimischen Herd zu stehen hatte, statt sich in Männerberufen zu betätigen. Erst in den 1980er-Jahren sollte sich das ändern, als Frauengeschichtsschreibung und Rentendebatten die Legende von den Trümmerfrauen und ihren selbstlosen Leistungen aus der Versenkung holten.
Den Schutt beseitigten Bauarbeiter mit schwerem Gerät
„Verwendet wurde der Begriff nun nicht mehr nur für die Bauhilfsarbeiterinnen in Berlin und einigen anderen Städten, sondern für eine ganze Frauengeneration, die Trümmer weggeräumt, Kinder großgezogen, Schlange gestanden und gehamstert habe", sagt Treber. „Kurz: für eine Generation, die den harten Alltag der Nachkriegszeit gemeistert habe."
Den Großteil des Schutts beiseite geschafft haben indes andere. Gerade in den Westzonen kümmerten sich ums Aufräumen in der Regel Bauarbeiter mit schwerem Gerät. Was auch zeigt, wie vergleichsweise unbeschadet viele Unternehmen den Krieg überstanden hatten. Ab Mitte der 1950er-Jahre waren die meisten Städte der Bundesrepublik weitgehend von Trümmern befreit.