Mittwoch, 26. März 2014

Die PRESSE erklärt Begrifflichkeiten

Codes: Das haben Sie ganz falsch verstanden!
Nein, das ist kein Kühnengruß, drei Finger bedeuten nur drei Bier. Mölzer hat nicht „Negerkonglomerat“ gesagt, und wenn, nur satirisch. Über das rechte Spiel mit Bedeutungen.
25.03.2014 | 18:16 |  von Bettina Steiner  (Die Presse)
Es ist ein Spiel, zum Austesten und Ausweiten der Grenzen. Rechte Politiker spielen es mit zunehmender Routine und Chuzpe: Sie streuen in ihre Reden Formulierungen wie „amerikanische Ostküste“ ein. Sie lassen sich mit drei gespreizten Fingern fotografieren. Sie zeigen auf ihrer Homepage eine Karikatur eines Bankers mit Hakennase.
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Die Ostküste, die Hakennase, die drei gespreizten Finger – das sind Chiffren. Zeichen, die sich über Jahrzehnte, zum Teil Jahrhunderte mit Nebenbedeutungen aufgeladen haben, die also längst mehr meinen als einen geografischen Ort, eine anatomische Eigenheit, drei Bier. Sie setzen ohne Umwege, allein durch die pure Erwähnung im richtigen, also politischen Kontext ganze Assoziationsketten in Gang. Ostküste – Börse – Finanzkapital – Juden – mächtig. Hakennase – jüdisch – gierig. Drei gestreckte Finger – Kühnengruß, wird oft anstelle des verbotenen Hitlergrußes eingesetzt. Diese Konnotationen funktionieren verlässlich, und eine rechtsextreme Klientel versteht sie als Signale: Auch wenn diese Politiker die Demokraten geben, in Wahrheit sind sie auf unserer Seite.
Das war Spielzug eins.
Einkalkuliert in dieses Spiel ist die Reaktion des Gegners. „Antisemitismus!“, ruft dieser. „Rassismus!“ Was der rechte Politiker natürlich empört zurückweist: Die Börse, die wichtigsten Banken haben doch nun einmal an der Ostküste ihren Sitz! Man sei doch nur gegen das raffende Finanzkapital! Das Schild „Arbeit macht frei“ erinnert einen Kärntner VP-Politiker an seinen arbeitsamen Vater. Und wenn einer wie Mölzer erklärt, das Dritte Reich sei liberaler als die EU gewesen, dann geißelt er selbstverständlich nur die EU und verteidigt nicht das NS-Regime.
Der Trick ist einfach: Man erklärt einen logischen Schluss schlicht für unzulässig. Man leugnet die Assoziationskette als Ganzes oder zumindest einen Teil und erklärt naiv: Das wird man doch noch sagen können!
Ende Spielzug zwei.
Spielzug drei ist dann die Entschuldigung, die so halbherzig ausfällt, dass jeder versteht, da beugt sich jemand dem Druck. Dem Meinungsterror! Er weicht der Humorlosigkeit der politisch Korrekten.
Politische Partner nicht verprellen
Es erfordert natürlich einiges Geschick, dieses Jonglieren mit Begriffen und ihren Konnotationen: Die Signale sollen verstanden werden, aber man will nicht so eindeutig Position beziehen, dass man dafür belangt werden könnte oder gar strafrechtlich verfolgt. Man will provozieren, aber keine Wähler oder mögliche politische Partner verprellen, auf die man angewiesen ist. Das ist nicht ganz einfach – und geht auch immer wieder schief. Weil der Sprecher glaubt, dass er sich an eine ausgewählte Klientel wendet und das Gesagte darüber hinaus nicht öffentlich wird. Weil er eine Formulierung häufiger verwendet hat, ohne Anstoß zu erregen, und sich in Sicherheit wiegt. Weil ihm das Herz voll war und der Mund überging. Denn einer, der antisemitische Vorurteile bedient, ist eben oft tatsächlich ein Antisemit.
Oder aber die Sache entgleist, weil der Sprecher deutlicher werden muss, als er eigentlich möchte. Sei es, weil die Assoziationskette noch nicht so reibungslos funktioniert (noch reicht das Wort „fremd“ nicht, damit eine rechte Klientel verlässlich an „muslimisch“ denkt). Sei es, dass die Assoziationen zu wirr sind. Mölzer etwa kann sich offenbar nicht entscheiden, wie er die Zuwanderer einschätzen soll. Einmal sind sie so „dynamisch“, dass sie den „überalterten Volkskörper“ bedrohen. Dann mangelt es ihnen an „Arbeitsethos“.
Wenn rechte Redner das Spiel zu verlieren drohen, reagieren die meisten ähnlich. Oft leugnen sie. Sie wurden falsch verstanden! Dass er von einem „Negerkonglomerat“ gesprochen habe, meinte Mölzer zunächst, sei ihm nicht erinnerlich. Er habe wohl eher „nekrophil“ gesagt. Es gab schon weit absurdere Erklärungen: Hilmar Kabas beharrte etwa darauf, er habe den Bundespräsidenten „Hump“ oder „Dump“ genannt, aber keinesfalls „Lump“. Thomas Prinzhorn befand, die Journalisten hätten sich verhört, Haider habe Grasser nicht „Verräter“ genannt, sondern: „Verwehter“. Am größten war die Diskrepanz zwischen dem, was in den Medien zitiert wurde, und dem, was angeblich wirklich gesagt worden ist, im Fall des früheren Gföhler Bürgermeisters: „Die Pressefritzen, die gehören aufgehängt, de san wia de Juden“ stand da gegen „Die Journalisten zitieren aus dem Duden“.
 „Ordentliche Beschäftigungspolitik“
Nekrophiles Konglomerat also. Wäre Mölzer als Ausrede „Megakonglomerat“ eingefallen, er hätte wohl bei seiner Behauptung bleiben können, auch, als am Montag das Tonband auftauchte. So musste er zurückrudern. Er sei „einigermaßen betroffen“ meinte er. Strache erklärte, der Vergleich zwischen der EU und dem Dritten Reich sei „überspitzt“ gewesen.
Vergleiche mit dem Nationalsozialismus, wobei der Nationalsozialismus besser abschneidet, haben Tradition: Jörg Haider meinte 1991, sie hätten im Dritten Reich im Gegensatz zur Bundesregierung eine „ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht“. Er stehe, verteidigte er seine Aussage, allen historischen Phasen der österreichischen Geschichte unbefangen gegenüber, dies sei aber offenbar nicht ganz zulässig. Eine beliebte Verteidigungslinie der Rechten: Man erklärt sich selbst für „objektiv“, man wolle nicht „werten“. Haider musste als Landeshauptmann zurücktreten.

 ("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2014)