DER NAME WIEN
Der heutige Name der Stadt begegnet erstmals im Jahr 881 in der althochdeutschen Form "Wenia". Dieser Name geht auf ein keltisches Wort zurück, das Vedunia gelautet haben muß und soviel wie "Waldbach" oder "Holzbach" bedeutet; dies war die Bezeichung für den Wienfluß, von welchem der Siedlungsname abgeleitet worden ist. Der antike Name Vindobona, den das römische Militärlager trug, war gleichfalls keltischen Ursprungs und warscheinlich von einer Vorgängersiedlung übernommen worden; die Übersetzung lautet "Platz des Vindos". Dieser Name erscheint in der Spätantike in der Form Vindomina (Vindomana) und verschwindet mit der Präsenz der Römer an der Donau. Zum späteren Namen Wien - der sich aus dem althochdeutschen Wenia über ein mittelhochdeutsches Wienne zur modernen Form entwickelte - besteht jedoch kein Zusammenhang.
DIE RÄUMLICHE ENTWICKLUNG
Römerlager und mittelalterliche Stadt
Die ersten Siedlungsspuren im Wiener Raum reichen bis in das 6. vorchristliche Jahrtausend zurück. Um etwa 400 vor Christus ließen sich Kelten im Wiener Raum nieder und errichteten eine Höhensiedlung auf dem Leopoldsberg. Am Beginn des 1. Jahrhunderts nach Christus erreichte die Macht Roms die Donau. An der Wende des 1. zum 2. Jahrhundert entstand das Militärlager Vindobona, dessen Dimensionen der Stadtgrundriß bis zum heutigen Tag bewahrt hat. Rotenturmstraße, Graben, Naglergasse, Tiefer Graben, Salzgries und Rabensteig markieren den Verlauf der einst das Lager umgebenden Befestigungsanlagen. Diese Befestigungen waren es auch, die die Zeit des Niedergangs im frühen 5. Jahrhundert überdauerten und - zusammen mit einzelnen größeren massiven Steinbauten - der ver-bliebenen Bevölkerung des Umlandes in den unruhigen Zeiten der Völkerwanderung und das frühen Mittelalters Schutz boten. So entstand in der Nordostecke der alten Anlage eine kleine Siedlung, die in St. Ruprecht eine Kirche erhielt, während in den Ruinen des einstigen Lagerbades - auf dem Komplex zwischen Sterngasse und Hoher Markt - eine Burg entstand. An diesem bescheidenen Burgplatz orientierte sich auch das spätere, mittelalterlich geprägte Straßennetz, das im wesentlichen noch heute gegeben ist. Die Betrachtung des Grundrisses der Inneren Stadt läßt aber noch andere Siedlungskerne auch außerhalb des Lagers erkennen, besonders markant zwischen Bäckerstraße und Sonnenfelsgasse. Erhalten geblieben ist auch der Verlauf der römischen Limesstraße im Straßenzug Herrengasse - Augustinerstraße - Rennweg - Simmeringer Hauptstraße. Dieses mittelalterliche Wien verharrte durch Jahrhunderte in Bedeutungslosigkeit. Erst die Erhebung Österreichs zum Herzogtum 1156 bewirkte eine Veränderung. Die Landesfürsten, die Markgrafen und späteren Herzöge von Österreich, bauten Wien nach dem Vorbild von Regensburg zu ihrer Residenz aus. Sie legten eine neue Pfalz an (daran erinnern Name und Form des Platzes Am Hof), womit der Umfang des alten Lagers wieder erreicht wurde, und waren bestrebt, kleinere Siedlungskerne außerhalb der alten Mauern "einzugemeinden". So entstand zu Ende des 12. Jahrhunderts eine große Ringmauer, die den Umfang der Stadt bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts festlegen sollte. In der Folge wurden unverbaute Flächen parzelliert, die alten Befestigungsgräben zugeschüttet und teilweise überbaut, neue Plätze (Hoher Markt, Neuer Markt, Graben) angelegt. Als nach dem Aussterben der Babenberger 1246 zunächst der Böhmenkönig Ottokar, später die Habsburger die Herrschaft über Wien und Österreich antraten, errichtete man auch eine neue Stadtburg, die am westlichen Einfallstor (Widmertor, später Burgtor) gelegen war.
Das Wiener Umland im Mittelalter
In keltischer und römischer Zeit war das Wiener Umland nur dünn besiedelt, eine römische Zivilsiedlung befand sich im Bereich des Rennwegs im heutigen 3. Bezirk. Unsere Kennt-nisse über die Siedlung im frühen Mittelalter sind sehr gering; allein das Vorhandensein slawischer Ortsnamen (Döbling, Währing, Lainz, Rodaun, Liesing) und einzelne archäo-logische Funde bezeugen eine Siedlungstätigkeit seit dem 6. Jahrhundert. Die ältesten urkundlichen Nachweise, die freilich über das tatsächliche Alter der jeweiligen Orte bzw. eventueller Vorgängersiedlungen nichts aussagen, entstammen dem 11. Jahrhundert, die große Zahl dem 12. und 13. Jahrhundert. Von jenen Orten, die nahe bei der Stadt lagen, traten viele schon früh in eine engere Beziehung zu dieser, weshalb man sie zum Teil durch eine eigene Befestigung sicherte, die jedoch nach der Türkenbelagerung von 1529 aufgegeben wurde. Wiener Bürger hatten im Umland vielfach Besitz (vor allem Weingärten), auch reichte der Rechtsbereich der Stadt über die Mauern hinaus. Zudem war die Stadt bestrebt, schrittweise die Grundobrigkeit über möglichst viele dieser Orte zu erlangen, ein Prozeß, der freilich Jahrhunderte andauern sollte. Neben der Stadt besaßen die geistlichen Grundherren (vor allem die Schotten, seit dem 15. Jahrhundert auch das Bistum, später Erzbistum Wien) den größten Einfluß.
Stadt und Vorstädte nach der Türkenbelagerung von 1683
Wien wurde von den Osmanen zweimal vergeblich belagert. Während man sich aber nach der ersten Belagerung 1529 im wesentlichen mit der Wiederherstellung des Bauzustandes begnügte, kam es nach jener von 1683 zu einem gewaltigen "Bauboom". Die Stadt selbst erhielt ihr barockes Gepräge. Neben neu errichteten Adelspalästen wichen auch die gotischen Bürgerhäuser neuen Bauten, wobei aber vielfach - wie aktuelle Erkenntnisse zeigen - die alte Bausubstanz in neuem Gewand erhalten blieb. Im Gefolge des Hofes und der zentralen Behörden siedelten sich zahlreiche Adelige und einzelne kapitalkräftige Unter-nehmer in der Stadt an; die Boden- und Baupreise stiegen, die bürgerliche Bevölkerung wurde in der Konsequenz zunehmend in die Vorstädte abgedrängt. In diesen Vorstädten wurden bis dahin agrarisch (z.B. Schottenfeld, Lerchenfeld oder Breitenfeld) oder als Gärten genutzte Flächen parzelliert und verbaut, wofür besonders der heutige 7. Bezirk ein sehr gutes Beispiel bietet (Spittelberg, Neubau, Schottenfeld). Auch in den Vorstädten entstanden zahlreiche Adelspaläste, am bedeutendsten unter ihnen das Belvedere des Prinzen Eugen. 1704 wurden die Vorstädte mit einer Befestigungsanlage, dem Linienwall, umgeben; von der Stadt waren sie durch eine breite, aus militärischen Gründen unverbaute Zone (Glacis) getrennt.
Die Stadterweiterungen der franzisko-josephinischen Epoche
Im Jahr 1850 erhielt die Stadt Wien eine provisorische Gemeindeordnung, die u.a. auch die Vereinigung der Stadt mit den Vorstädten vorsah und das neue Stadtgebiet in zunächst acht Bezirke gliederte (die heutigen Bezirke 4 und 5 bildeten bis 1862 einen gemeinsamen Stadtteil). Eine bauliche Vereinigung wurde erst möglich, als Kaiser Franz Joseph I. 1857 den Auftrag zum Abbruch der Basteien und zur Anlage einer Prachtstraße, der Ringstraße, gab, die 1865 eröffnet wurde. Die politischen Umstände - der Kaiser hatte 1851 die Verfassung aufgehoben und regierte ohne Parlament - führten dazu, daß auch die Gemeindeordnung - und damit die Eingemeindung - erst nach der Rückkehr zu einem verfassungsmäßigen Zustand 1861 voll wirksam werden konnte. Städtische Gründe auf Wiener- und Laaer Berg, die außerhalb des Linienwalls lagen und seit der Mitte des 19. Jahrhunderts eine zunehmende Verbauung erfahren hatten, wurden 1874 zu einem eigenen 10. Bezirk zusammengeschlossen. Die Diskussion um die Eingemeindung weiterer, mit der Stadt in vielfachen Verflechtungen stehenden selbständigen Gemeinden wurden zum Teil sehr heftig geführt; die Meinung im Wiener Gemeinderat war nicht einheitlich - da das Steuer- und Preisniveau innerhalb der "Linien" höher war als in den Vororten, befürchteten viele Hausbesitzer und Gewerbetreibende einen Verfall ihrer Einkünfte - und auch in den Vororten war man je nach wirtschaftlicher Kapazität (es gab kleine dörfliche Gemeinden wie etwa Neuwaldegg oder Salmannsdorf, aber auch Industrie-gemeinden wie Hernals oder Währing mit über 30.000 Einwohnern) unterschiedlicher Auffassung. So dauerte es bis zum Jahr 1890, ehe Wien eine neue Gemeindeordnung erhielt, die eine Ausweitung des Stadtgebietes auf 19 Bezirke beinhaltete (wirksam mit 1. Jänner 1892). Im Unterschied zur heutigen Bezirkseinteilung umfaßte der 13. Bezirk (Hietzing) auch den größten Teil des heutigen 14. Bezirks, Rudolfsheim und Fünfhaus bildeten hingegen zwei selbständige Bezirke (14 und 15). Die Einwohnerzahl Wiens erhöhte sich auf 1,364 Millionen. Der Linienwall wich - zum Teil schon vor der Eingemeindung - einer breiten Straße, dem "Gürtel". Im Jahr 1900 wurde der 20. Bezirk vom 2. abgetrennt, da ein starkes Bevölkerungswachstum in diesem Bereich eine eigene Bezirksverwaltung zweckmäßig erscheinen ließen. Eine Ausdehnung auf das linke Ufer der Donau erfuhr das Stadtgebiet aber erst im 20. Jahrhundert. Die Donau war gerade im Raum von Wien in mehrere Arme gegliedert, die erstmals im 15. Jahrhundert durch eine Folge von Brücken überwunden werden konnten. Der wichtigste - und auch schiffbare - Arm war unser heutiger Donaukanal, an dem die Stadt lag. Notwendige Hochwasserschutzmaßnahmen, die man in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts vornahm, schufen ein neues Hauptbett und trennten den nördlichsten Arm als "Alte Donau" überhaupt ab. Die wirtschaftliche Bedeutung wurde vom verbliebenen Kanal weg zum neuen Bett verlagert, wodurch Wien plötzlich nicht mehr an der Donau lag. Die städtebauliche Reintegrierung des Stromes dauerte bis in die Gegenwart. Am Nordufer hatte sich die Großgemeinde Floridsdorf gebildet, die kurzzeitig sogar als Hauptstadt von Niederösterreich im Gespräch war (man erwog, Wien, seit dem Mittelalter als Sitz der Landesfürsten Hauptstadt von Niederösterreich, in den Status eines eigenen Landes zu erheben, wie das nach dem Ersten Weltkrieg ja tatsächlich erfolgt ist). 1904/05 führten aktuelle kommunalpolitische Überlegungen zu einem Anschluß an die Stadt Wien (21. Bezirk). Um das Jahr 1900 erreichte Wiens Einwohnerzahl die Zweimillionenmarke und man er-wartete bis zum Jahr 1950 einen Anstieg auf vier Millionen, doch sollte das Ende der Monarchie eine entscheidende Veränderung bewirken.
Die Entwicklung nach 1918
Das Ende des Ersten Weltkriegs brachte den Zerfall des Großstaates Österreich-Ungarn, aus der Haupt- und Residenzstadt eines Fünfzigmillionenreiches wurde die Hauptstadt eines Kleinstaats mit sechs Millionen Einwohnern. Nahezu die Hälfte dieser Bevölkerung lebte in Wien und Niederösterreich, was zum Schlagwort vom "Wasserkopf" führte. Auch parteipolitische Argumente sprachen für die Schaffung eines eigenen Bundeslandes Wien, das bereits in der Staatsverfassung von 1920 vorgesehen wurde. Dies kam auch nach einer Übergangszeit des Trennungsgesetzes des Jahres 1921 mit 1. Jänner 1922 zum Tragen. Damals wurde auch überlegt, Wien flächenmäßig zu erweitern, doch kam keiner der diesbezüglichen Vorschläge zur Durchführung. Eine Veränderung des Gebietsstandes sollte erst der "Anschluß" Österreichs an Hitler-Deutschland bewirken. Schon bald nach der Machtübernahme wurden Gebietserweiterungen überlegt, wobei deutsche Städte (vor allem Hamburg) das Vorbild abgaben. Die zunächst sehr weitgehenden und wenig realistischen Planungen mußten eingeschränkt werden, doch kamen mit 1. Oktober 1938 97 Ortsgemeinden von Niederösterreich an Wien. Das Stadtgebiet wuchs auf das Dreifache (1.215,4 km²), die Einwohnerzahl, die nach 1918 abgesunken war, stieg wieder auf zwei Millionen an. Die Zahl der Bezirke erhöhte sich auf 26 (22: Großenzersdorf, 23: Schwechat, 24: Mödling, 25: Liesing, 26: Klosterneuburg). Der 13., 14., 15., 18. und 19. Bezirk erhielten im wesentlichen ihre heutige Gestalt. Nach dem Ende des Krieges wollte man den ursprünglichen Zustand in hohem Maß - und wohl auch etwas kurzsichtig und gegen die Vorschläge mancher Planer und Siedlungs-geographen - wiederherstellen und verabschiedete 1946 ein diesbezügliches Landesgesetz, das lediglich das Verbleiben von 17 der 1938 eingemeindeten Orte bei Wien vorsah und damit eine Zahl von 23 Bezirken (22: Donaustadt, 23: Liesing). Dagegen erhoben jedoch die alliierten Besatzungsmächte Einspruch, die die "alten" Bezirke in Besatzungszonen aufgeteilt hatten (der 1. Bezirk war interalliierte Zone, in der das Kommando monatlich wechselte), das Gebiet der "Randgemeinden" jedoch gemeinsam nutzten. So dauerte es bis zum Jahr 1954, ehe die Gebietsveränderung rechtswirksam werden konnte. Noch heute erinnern Gemeinsamkeiten im Telefonnetz oder in der Energieversorgung zwischen Wien und einzelnen dieser Gemeinden (z.B. Schwechat, Perchtoldsdorf oder Mödling) an die Zeit von "Groß Wien". Betrachtet man die Bevölkerungsverteilung Wiens vor dem Jahr 1900, so treten als ein-wohnerstärkste Bezirke der 2. (selbst nach der Abtrennung des 20. bleibt er im Spitzenfeld) und 3. Bezirk hervor, Gebiete, in denen die Industrialisierung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch den notwendigen Raum gefunden hatte. In der Folge der Einge-meindung von 1892 vermochten sich aber sehr rasch die Arbeiterbezirke Ottakring und Favoriten an die Spitze zu setzen. Hier hat die Entwicklung der letzten Jahrzehnte eine deutliche Veränderung gebracht. Ausgelöst durch bessere Verkehrsverhältnisse und geänderte Lebensgewohnheiten ist die Stadtrandsiedlung und die Verflechtung mit dem niederösterreichischen Umland noch immer im Zunehmen. Die steigenden Bevölkerungs-zahlen finden sich daher bei jenen Bezirken, die über ein Reservoir an unverbautem Gebiet verfügen (21, 22, 23, 11), während die inneren Bezirke, aber etwa auch Ottakring, dagegen stark zurückfallen. Das in den vergangenen Jahrzehnten zu beobachtende "Aussterben" City-naher Bezirke ist allerdings in den letzten Jahren einem erkennbaren gegenläufigen Trend gewichen, der insbesondere auf die Revitalisierungsmaßnahmen nach 1972 zurückzuführen ist. Eine Aufwertung haben im letzten Jahrzehnt die Bezirke am linken Donauufer durch die Errichtung der UNO-City und die Neugestaltung des Donaubereichs erfahren. Sie stehen heute im Mittelpunkt der Planungen für eine innerstädtische Erweiterung.