Frühe Herkunft
Seit der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts legen sprachwissenschaftliche Untersuchungen die Annahme nahe,
dass Roma auf Bevölkerungsgruppen aus dem Nordwesten des indischen
Subkontinents zurückgeführt werden können. Die heutige Romanes-Linguistik präzisiert
diese Hypothese zu einer Herkunft dieser Vorgänger „aus Zentralindien,
Auswanderung nach dem Nordwesten und längerem Aufenthalt dort“. Eine
Unterstützung erfuhr diese Hypothese durch die Untersuchung von Genmaterial.
„Ganz genau“ lasse sich das aber wiederum nicht bestätigen, weil für den
exakten Vergleich Erbgut-Material fehle. „Herkunft, Zeitpunkt und Ursachen der
Abwanderung der Vorfahren der Roma sind nach wie vor strittig.“ Zu den
jeweiligen Kulturen dieser „kleinen, voneinander unabhängigen Gruppen“ von
Migranten können mangels Belegen keine gesicherten Aussagen getroffen werden.
Hypothetisch sind auch die
Angaben zur Migration der Vorgänger der heutigen Roma nach Europa. Einen
Konsens gibt es in etwa darüber, dass sie jedenfalls spätestens seit dem 14.
Jahrhundert aus Kleinasien zuwandernd in Südosteuropa leben. Lebendige Verbindungen
zu den Herkunftsräumen des indischen Subkontinents gibt es bereits einige
hundert Jahre länger nicht mehr, zu damals dort lebenden Bevölkerungsgruppen
kann es sie nicht geben. Der Bezug zu Indien hat demnach Bedeutung vor allem
als Herkunftsmythos. Er ist nicht zuletzt von Analogien zum
mehrheitsgesellschaftlichen Konstrukt von „Zigeunern“ bzw. „Gypsies“
(„Nomadenvolk“, Marginalisierung und Diskriminierung als „Paria“, ambulanter
Erwerb, häufiges Musizieren usw.) geprägt.
Eine gemeinsame Herkunftsgruppe
der heutigen Roma und der heutigen nahöstlichen Dom mit ihrer ebenfalls
indischen Sprache und einer „nomadischen“ Lebensweise (wie sie real für Roma
untypisch ist) gilt nicht als bewiesen. Den Versuchen, die Herkunft der Roma
auf die Herkunft von einzelnen heutigen indischen Bevölkerungsgruppen zu
beziehen, so auf Dom, Jat, Zott oder Luri, fehlen jeweils überzeugende Belege.
Die Rekonstruktion der Geschichte der Roma in der Frühzeit ist nach wie vor „hypothetisch
und lückenhaft“. „Linguisten“, so ein niederländischer Migrationsforscher,
"werden nie in der Lage sein, schlüssig auf all jene Fragen zu antworten,
die die Rekonstruktion der Geschichte der Zigeuner [im Orig.: „Gypsies“]
betreffen."
Quelle:
Die genaue Herkunft dieser
gemeineuropäischen Fremdbezeichnung ist nicht sicher. In der Regel jedoch wird
als gemeinsame Wurzel das griechische Wort atsinganoi angenommen. Es ist wahrscheinlich eine
korrumpierte Form von athinganoi, Name der im 9. Jahrhundert bezeugten
gnostischen Sekte der Athinganen oder Athinganer, seit dem 12. oder 13.
Jahrhundert aber ebenfalls im Sinne von „Zigeuner“ verwendet, und dann mit
eindeutigem Bezug darauf (o toùs kaì Aìgyptíous kaì Athingánous, s. auch u. zu
„Ägyptern“) bei Gregorios II. Kyprios (1283–1289 Patriarch von Konstantinopel)