Montag, 1. August 2011

Ultras/Hooliganliteratur

 Was will sie eigentlich ? Ist es ein Versuch, seine Geschichte zu erzählen, eine Milieustudie oder der Versuch sich selber und eine Verrücktheit zu erklären, für die es eigentlich keine sinnvolle Erklärung gibt ? So wie dieser Blog versucht (m)eine Verrücktheit für etwas zu erklären das man eigentlich nicht wirklich erklären kann, versuchen schon seit gut einem Jahrzehnt Protagonisten anerkannter Hooliganfirms ihre Lebenseinstellung zu beschreiben und – zumindest versteckt – zu erklären. Sie schildern ihre Fahrten mit dem Verein, ihren Freundeskreis und das Treffen mit anderen „Gleichgesinnten“, die so wie sie nichts anderes im Sinn haben als sich mit allem was fliegt zu bewerfen und danach gepflegt die Schnauze zu polieren. Verletzungen und Schlimmeres – man erinnere sich nur an Heysel 1985 – werden dabei wissend in Kauf genommen, Sachbeschädigungen sowieso. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele tausend Pubs und Lokale in England dran glauben mussten, wie viele Busse und Bahnen zerstört und Geschäfte geplündert wurden, nur um international als möglichst harte Firm dazustehen und viel „Fame“ zu ernten. Namen wie „ICF“, „Service Crew“, „Headhunters“, „Naughty Forty“ oder „Bushwhackers“ sowie „Zulu Army“ (und das sind jetzt nur diejenigen die mir auf die Schnelle einfallen, es gibt ja hunderte von ihnen mit einem guten Ruf) wurden Vorbilder für ähnliche Firms auf dem Kontinent, man wollte sich mit ihnen messen und sie nach Möglichkeit übertreffen. Das alles gilt natürlich auch für die Ultragruppen, von denen es in jedem Land ein, zwei ganz bekannte und respektierte gibt, die Vorbild für andere sind. Wobei die Ultras die Konfrontation meist nicht direkt suchen sondern es im Umfeld bzw. im Stadion automatisch dazu kam, weil in den 70ern und 80er Jahren in Italien keine Fantrennung vonstatten ging, erst die WM 1990 brachte getrennte Fansektoren. Organisierte Krawalle wie die Hooliganfirms haben Ultras jedoch nie als oberstes Ziel angesehen, es passierte aus der Situation heraus. Was es nicht unbedingt besser macht aber zumindest erklärbarer. Genauso wie die Hools haben aber auch die (italienischen) Ultras ein sehr enges Verhältnis zur eigenen Stadt (Campanilissimo), was sich auch aus der Geschichte des „Bel Paese“ erklärt. Calcio Storico wurde damals oft zwischen rivalisierenden Städten gespielt, wobei die Regeln individuell ausgemacht wurden. Irgendwie sind Hools und Ultras eine moderne Form der Gladiatoren bzw. Söldnerheere vergangener Tage, die möglichst martialisch (drückt sich in der Kleidung, den Emblemen und dem „Ruf“ aus) die gegnerischen Fans/Hools/Ultras einschüchtern wollen um als Sieger ins Stadion einzuziehen. Das wiederum ruft die jeweils andere Seite dazu auf, dagegenzuhalten – die Zutaten für eine „Boxerei“ sind angerührt. Und je grösser ein Mob ist, desto mehr unterschiedliche Charaktäre mischen sich darunter. Einmal den Abenteuerlustigen Jungen, der von seiner Arbeit gelangweilt ist, dann wiederum den von Eltern und Leben geprügelten Teenager, den Arbeitslosen oder auch diejenigen, die einen Hass auf alles andere haben weil sie glauben, vom Leben benachteiligt und betrogen worden zu sein. Auch die Kampfsportler haben mittlerweile die Szene entdeckt, weil sie da ihrem Hobby ungestört nachgehen können ohne sich an die im Ring üblichen Regeln halten zu müssen und natürlich die Kriminellen, jenen Bodensatz den jede Gesellschaft ausspuckt.

Was hat das allerdings mit Fussball zu tun ? Oder besser gefragt: haben diese Leute überhaupt einen Bezug zu ihrem Verein ? Ist es denn notwendig eine sportliche Niederlage am Rasen unbedingt in einen Sieg auf den Tribünen umzuwandeln und hebt das eine das andere auf ? Und was ist mit dem Rest, sprich dem normalen Publikum, den Vereinen und natürlich den staatlichen Organen ? Vieles was man heute unter dem Schlagwort „Moderner Fussball“ zusammenfasst ist das Ergebnis von fast vierzig Jahren bunten Treibens auf den Tribünen und rund um die Stadien. Jeder Mensch hat ein gewisses Sicherheitsbedürfnis. Wir dieses massiv und andauernd verletzt so schreit er natürlich nach „Law and Order“. Der Staat sorgt dafür – meist zum Schaden der Fussballfans, die ja nur zu einem Bruchteil aus Hools oder Ultras bestehen sondern in der Mehrheit einfache Leute sind die sich ihren Lieblingsverein angucken und dabei Spass haben wollen. All das wird in diesen Büchern nicht erwähnt bzw. gezielt ausgeblendet indem man sich nur auf sein Segment beschränkt, welches in der Tat zwar sehr auffällig und nachhaltig, aber eben nur ein kleiner Teil des ganzen grossen Kuchens ist, der sich Fussball nennt. Versteht mich nicht falsch, jeder soll Fussball so erleben wie er es will, darf sich aber nicht beschweren wenn sich die Regeln um in ein Stadion zu kommen immer weiter verschärfen und der Staat immer weiter in die persönlichen Freiheiten des Einzelnen eingreift, ohne dabei unterscheiden zu können, gilt doch in einer Demokratie der Satz: „Gleiches Recht für Alle !“.  Dass unter diesen „Allen“ 95% Anhänger und nur 5% Ultras oder Hools sind machen sich die Autoren der Bücher in den seltensten Fällen klar bzw. nehmen da oftmals literarisch die gesamte Anhängerschaft des eigenen Vereines in Geiselhaft ihres für die meisten Leute zweifelhaften Hobbys. Sicher, die Bücher werden gerne gelesen – etwa so wie Krimis oder Skandalgeschichten, eben weil die Gesellschaft an Skandalen mehr interessiert ist als an Heile-Welt-Geschichten bloss wollen sie selber nie in diese Dinge verwickelt werden, es reicht ihnen, davon zu sehen oder zu hören bzw. zu lesen.

Ich weiss schon, das Leben ist kein Ponyhof und Fussball ist ein Männersport, die Frage ist nur, wie man Männlichkeit definiert. Nimmt man die seit hunderttausenden von Jahren praktizierte „Steinzeitmethode“ als Grundlage oder jene des heutigen „Modernen, Vernunftbegabten  Menschen“ der zuerst denkt und dann schiesst ?