Freitag, 20. November 2015

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Unkenntlich durch Selbstsprengung

Bei dem Großeinsatz gegen die islamistischen Terroristen am Mittwoch in Paris sind laut neuen Erkenntnissen drei Menschen ums Leben gekommen. Das teilte die französische Staatsanwaltschaft am Freitag mit.
Laut den Angaben handelt es sich bei der Leiche einer der Frauen um Hasna Ait Boulahcen, die Cousine des mutmaßlichen Drahtziehers der Anschläge von Paris mit 129 Toten, Abdelhamid Abaaoud. In den Trümmern war zuvor ein Pass mit ihrem Namen gefunden worden. Insider hatten bereits zuvor erklärt, dabei könnte es sich um Abaaouds Cousine handeln. Die Frau hatte am Mittwoch einen Sprengstoffgürtel gezündet, als Sondereinheiten die Wohnung stürmten.

Drittes Todesopfer: Identität noch unklar

Zunächst hatten die Ermittler wegen der Folgen der heftigen Feuergefechte und mehrerer Explosionen bei der Erstürmung des Hauses nur zwei Leichen zuordnen können, darunter jene Abaaouds. Ein drittes Todesopfer war bisher nur vermutet worden. Die Identität des dritten Toten ist noch nicht geklärt. Zuvo war vermutet worden, dass es sich um eine Frau handeln könne.

„Er ist nicht mein Freund“

Auf einem von Nachbarn aufgenommenen Video von Mittwoch sind Boulahcens letzte Worte zu hören. „Wo ist Dein Freund?“, ruft ein Polizist durch die Panzertür der Wohnung. „Wo ist er?“ „Er ist nicht mein Freund“, ruft sie mit schriller Stimme zurück. Dann sind mehrere Detonationen zu hören. Die Ermittler gehen davon aus, dass Boulahcen eine Sprengstoffweste zündete - sie wäre damit die erste weibliche Selbstmordattentäterin Frankreichs.
Die Cousine Abaadouds hatte sich laut Aussage ihres Bruder im vergangenen halben Jahr radikalisiert und angefangen, einen Ganzkörperschleier zu tragen. Vor drei Wochen sei sie in den Pariser Vorort Drancy gezogen. Dort lebte auch der frühere Busfahrer Samy Amimour, der am Freitag vergangener Woche mit zwei weiteren Angreifern 89 Menschen in der Pariser Konzerthalle Bataclan tötete.

Abaaoud nach Anschlägen von Metrokamera erfasst

Abaaoud wurde am Abend der Attacken in einer Metrostation östlich der französischen Hauptstadt erfasst. Der Sender BFMTV veröffentlichte am Freitag ein Foto, das den 28-Jährigen am Freitag vergangener Woche in der Metrostation Croix de Chavaux in Montreuil zeigen soll. Nach Informationen des Senders France Info wurde Abaaoud von einer Kamera der Verkehrsgesellschaft RATP erfasst, als er um 22.14 Uhr die U-Bahn-Station betrat. Kurz zuvor waren Cafes und Restaurants im Osten von Paris attackiert worden. Unweit der Station der Linie M9 hatten Ermittler einen schwarzen Seat sichergestellt, aus dem heraus die Attentäter die Cafes und Restaurants beschossen hatten.

Anwältin des Vaters spricht

Der Vater von Abaaoud hielt seinen Sohn nach Angaben seiner Anwältin für einen „Teufel“. Omar Abaaoud sei „erleichtert“ gewesen, als er vom Tod des 28-Jährigen erfahren habe, sagte Nathalie Gallant am Freitag dem US-Sender CNN. „Der Vater wusste seit etwa einem Monat, dass sein Sohn mit Terrorakten in Europa in Verbindung gebracht wurde“, sagte Gallant. Es sei schwer für ihn gewesen, erkennen zu müssen, dass sein Sohn erneut etwas Furchtbares getan hatte.
Omar Abaaoud habe erstmals 2013 die Radikalisierung des Sohnes bemerkt. Damals habe Abdelhamid den Vater immer wieder für die liberale, europäisch geprägte Erziehung der jüngeren Geschwister kritisiert. Das Verhalten des Sohnes sei das eines „Psychopathen“ gewesen, „für ihn war er zu einem Teufel geworden“, zitierte Gallant den Vater.

Fast 800 Hausdurchsuchungen bisher

Seit den Attentaten am 13. November gab es 793 Hausdurchsuchungen, wie Innenminister Bernard Cazeneuve am Freitag mitteilte. 107 Personen wurden laut den Angaben vorläufig festgenommen, 90 von ihnen kamen in Polizeigewahrsam. 164 Menschen seien unter Hausarrest gestellt worden. 174 Waffen wurden beschlagnahmt. Insgesamt seien 250.000 Euro sichergestellt worden. Allein in der vergangenen Nacht erfolgten den Angaben des Ministeriums zufolge 182 Hausdurchsuchungen. 20 Menschen wurden festgenommen und 76 Waffen sichergestellt.

Zugriff dauerte sieben Stunden

Staatsanwalt Francois Molins sagte am Mittwochabend, Auslöser des Einsatzes in dem Pariser Vorort am Mittwoch sei ein Hinweis gewesen, dem zufolge sich Abaaoud in Saint-Denis aufhalte. Am Mittwoch hatte die Polizei in Saint-Denis nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein terroristisches „Kommando“ zerschlagen. Der Einsatz hatte Abaaoud gegolten. Spezialkräfte hatten bei dem dramatischen siebenstündigen Zugriff acht Menschen festgenommen.
Der Einsatz begann gegen 4.20 Uhr. Die Bewohner des Apartments lieferten dem Einsatzkommando der Elitepolizeieinheit RAID einen rund siebenstündigen Nervenkrieg. Laut Staatsanwalt wurden dabei allein von der Polizei 5.000 Schüsse abgegeben. Den ganzen Vormittag über waren Explosionen zu hören. Anrainer wurden teilweise im Pyjama aus ihren Wohnungen geholt und in Sicherheit gebracht. Insgesamt waren 110 Elitepolizisten an dem Einsatz beteiligt, sechs von ihnen wurden leicht verletzt.

Ermittlungen sollen Details zu Abaaoud klären

Der getötete Islamist Abaaoud spielte nach Worten von Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve nach derzeitigen Erkenntnissen „eine entscheidende Rolle“ bei den verheerenden Anschlägen von Paris. Die Ermittlungen würden „die genaue Beteiligung“ Abaaouds klären, sagte Cazeneuve am Donnerstag in Paris.
Cazeneuve machte den getöteten mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge auch für geplante weitere Angriffe verantwortlich. Abaaoud könnte in den vereitelten Angriff auf den Thalys-Zug Ende August im belgisch-französischen Grenzgebiet verwickelt gewesen sein, so Cazeneuve weiter. Auch für das geplante Attentat auf zwei Kirchen in Villejuif im Süden von Paris sei er mitverantwortlich. Insgesamt sei Abaaoud wohl für vier von insgesamt sechs vereitelten Anschlägen in Frankreich seit dem Frühling verantwortlich, so Cazeneuve.

Genaue Rolle noch unklar

Bisher ist aber wenig über die Rolle bekannt, die Abaaoud bei den Anschlägen von Paris spielte. Der Belgier hatte marokkanische Wurzeln und soll für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien gekämpft haben. Abaaoud war eigentlich in Syrien vermutet worden. Wie der berüchtigte Islamist unerkannt nach Europa zurückkehren konnte, ist noch unklar.
http://orf.at/stories/2310710/2310707/