Samstag, 28. November 2015

Vorspiel zum Krieg ?

Eskalation auf mehreren Ebenen

Nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei ist die Spannung zwischen den beiden Ländern weiter gestiegen. Der russische Präsident Wladimir Putin verweigerte am Freitag einen direkten Kontakt zu seinem Kollegen Recep Tayyip Erdogan, weil dieser keine Entschuldigung angeboten habe. Erdogan wiederum warnte die Regierung in Moskau vor einem „Spiel mit dem Feuer“.
Am Nachmittag kündigte der russische Außenminister Sergej Lawrow dann an, die Visafreiheit mit der Türkei ab 1. Jänner aufzuheben. Diese Entscheidung habe die Regierung nach dem schweren Zwischenfall im syrischen-türkischen Grenzgebiet getroffen, sagte Lawrow der Agentur Interfax zufolge.
Grund sei eine „tatsächlich existierende und nicht ausgedachte“ terroristische Gefahr. Schon davor wurde russischen Staatsbürgern geraten, aus der Türkei auszureisen. Vizeregierungschef Arkadi Dworkowitsch kündigte für Samstag eine Liste mit weiteren Sanktionen gegen die Führung in Ankara an.

Russland: Keine Warnung vor Abschuss

Die Türkei hatte am Dienstag einen russischen Kampfjet abgeschossen, der nach Darstellung der Regierung in Ankara den Luftraum verletzt hatte. Russland weist das zurück und erklärte, die Maschine habe sich in Syrien aufgehalten. Russland dementierte am Freitag auch, die Behauptung der Türkei, der russische Kampfflieger sei vor dem Abschuss im türkisch-syrischen Grenzgebiet mehrfach gewarnt worden. Die Su-24-Maschine habe weder eine Warnung von dem türkischen F-16-Jäger noch von einer Bodenstation erhalten, sagte Luftwaffenchef Viktor Bondarjow am Freitag in Moskau.
Nach Darstellung aus Ankara war der russische Kampfbomber am Dienstag in den türkischen Luftraum eingedrungen und mehrfach gewarnt worden, bevor er abgeschossen wurde. Bondarjow bekräftigte den Vorwurf, das türkische Militär habe aus einem Hinterhalt heraus gehandelt. Die Auswertung syrischer Flugdaten habe ergeben, dass zwei türkische F-16-Flugzeuge in der Absturzregion eine Stunde und 15 Minuten lang in der Luft waren. „Das spricht für eine geplante Aktion“, sagte er der Agentur Interfax zufolge.

Unterschiedliche Signale von Erdogan

Erdogan sagte am Freitag in einer Rede, er sei dagegen, den Konflikt auf andere Gebiete der zwischenstaatlichen Beziehungen auszudehnen. Er wies zugleich russische Vorwürfe zurück, wonach die Türkei von der Extremistenmiliz Islamischer Staat Öl kauft. Das sei Verleumdung. Zugleich betonte Erdogan aber, er wolle die Beziehungen zu Russland nicht beschädigen. Möglicherweise werde er mit Putin auf dem Klimagipfel in Paris am Montag sprechen.

Putin verlangt vor Gespräch Entschuldigung

Das wiederum will aber Putin offenbar nicht. Ein Berater des russischen Präsidenten kritisierte, dass sich die Türkei für den Abschuss nicht entschuldigen will. Das sei der Grund, warum Putin ein direktes Gespräch mit Erdogan verweigert habe.
Die angekündigte Aufhebung der Visafreiheit mit Russland trifft die Türkei, denn das Land bemüht sich seit Langem etwa auch um eine Visaliberalisierung mit der EU. Die russische Regierung hatte bereits gedroht, den Türkei-Tourismus einzuschränken, was für das Land am Bosporus teuer werden dürfte. Eine Eskalation gegenseitiger Wirtschaftssanktionen dürfte aber beide Schwellenländer hart treffen.

Spaltkeil Assad

Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern waren bereits vor dem Abschuss angespannt, weil Russland ein wichtiger Verbündeter des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad ist. Erdogan will ihn dagegen stürzen. Der UNO-Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, kritisierte, der Abschuss helfe nicht bei den internationalen Bemühungen um eine Friedenslösung für Syrien. „Wahrscheinlich wird es diese verkomplizieren“, sagte er in Stockholm.
 


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