Austria Salzburg:Noch ein kaputtes Fußballmärchen
Als Red Bull ihren Club übernahm, gründeten die Fans von Austria Salzburg ihn einfach neu. Sie stiegen bis in die zweite Liga auf. Jetzt droht die Pleite.
Von Fabian Scheler
http://www.zeit.de/sport/2015-11/austria-salzburg-lizenz-fans
Müssten die Gebrüder Grimm einen Märchenband über den Fußball herausgeben, die Geschichte von Austria Salzburg wäre eines der bekanntesten Stücke, vielleicht das Rotkäppchen. Die Geschichte bietet den Stoff, den es für ein gutes Fußballmärchen braucht: Es gibt den bösen, Red Bull, der dem Verein vor zehn Jahren das Herz und die Lizenz nahm und fortan unter anderen Farben als Red Bull Salzburg spielte. Und die guten, die Fans, die ihren Club deshalb neu gründeten und von der untersten österreichischen Liga zurück in den Profifußball führten.
Aber wie es mit Märchen nun mal so ist: Sie sind Märchen. Im wahren Leben lässt das Happy End oft auf sich warten, fragen Sie nach beim DFB in diesen Tagen. Und auch Austria Salzburg ist gerade dabei, ein spektakuläres Finale aufzuführen. Im negativen Sinne allerdings.
Dabei liegt der Höhepunkt der Euphorie um den Fanverein noch gar nicht so lange zurück. Im Frühjahr stieg der Club in die zweite österreichische Liga auf, war zurück im Profifußball, nachdem er neun Jahre lang in Orten wie Anthering, Piesendorf und Andelsbuch spielen musste. Der mit Bier übergossene Vereinsvorstand Walter Windischbauer jubelte bei der Aufstiegsfeier im Juni: "Wir sind die Gallier des 21. Jahrhunderts."
Warum fehlt so viel Geld?
Kurzzeitig gab es bei der Liga Bedenken wegen der Lizenz. Das Heimstadion im Salzburger Stadtteil Maxglan war zu dürftig ausgebaut, befand sich aber schon im Umbau. Bis dahin sollte das Ausweichstadion in Schwanenstadt 60 Kilometer außerhalb als Platzhalter dienen. Dem wiederum fehlten ordentliche Flutlichter, ein Kameraturm und Platz für die bald einrollenden TV-Trucks. Doch wie so oft in der kurzen Geschichte der neuen Austria spendeten die Fans den nötigen Betrag, und bauten weiter am Mythos, der den Verein umweht. Die Austria bekam die Lizenz.
Doch die Sache mit den beiden Stadien entwickelt sich gerade zum Fiasko. Selbst die eingefleischtesten Anhänger sind alarmiert: "Bis zum Saisonende werden wohl rund 1,2-1,4 Millionen Euro gebraucht",schrieben sie auf ihrer Facebook-Seite, und holten weiter aus: "Entscheidungen wurden im Alleingang getroffen, Unterlagen den Fans vorenthalten, ausweglose Lage." Der Führungsriege warfen sie verantwortungsloses Handeln vor. Dazu muss man wissen, dass seit fünf Jahren keine Fans mehr im Austria-Vorstand sitzen, sondern Profis. Oder Leute, die sich so nennen.
"Uns haben die Anschuldigungen in dieser Form überrascht", sagt Alexander Hütter, der Pressesprecher des Vereins. Es gab an den vergangenen Wochenenden mehrere Krisentreffen, bei denen die Fanszene, die traditionell noch immer ein gewichtiges Wort mitreden möchte, über die aktuelle Lage informiert wurde. 900.000 Euro sollen die Verbindlichkeiten betragen. Aber warum fehlt so viel Geld?
Auch sportlich läuft es nicht
Als sich im Herbst 2014 abzeichnete, dass Austria Salzburg bald wieder im Profifußball spielen wird, beschloss der Verein, das Stadion in Salzburg-Maxglan umzurüsten. Der damalige Vorstand Walter Windischbauer pflegte gute Verbindungen zum Bürgermeister der Stadt, Heinz Schaden (SPÖ), und es floss über eine Million Euro aus der öffentlichen Hand in den Umbau. Kritiker monieren bis heute, dass der Verein von der regierenden SPÖ protegiert wird.
Weitere 200.000 Euro sammelte der Club aus Spenden. Aber der Umbau wurde teurer als gedacht. "Uns fehlten laut der Planung im Frühjahr dann noch 100.000 Euro, die hätten wir aber zusammenbekommen", sagt der Pressesprecher Hütter. Nun zeigt sich: Es fehlt deutlich mehr. "Das war für viele eine Überraschung", sagt Hütter, "wir haben uns auf die Umbauplanungen in Maxglan verlassen." An dieser Version zweifeln die Fans. "Wer das glaubt, glaubt auch an das Christkind", schreiben sie.
Für die Anhänger liegen die Probleme nicht nur in der misslungenen Stadionplanung. Auch sportlich läuft es nicht: Die Austria ist Vorletzter, der aufgeblähte Kader steht in der Kritik. 28 Spieler, so viele hat in der Liga sonst nur der Red-Bull-Ziehverein Liefering. Deshalb wettern die Anhänger auch gegen den Sportdirektor Gerhard Stöger. 300.000 Euro mehr als vorhergesehen koste die Fehlplanung, sagen sie, und fordern seinen Rauswurf. Am vergangenen Freitag blieben sie beim Heimspiel gegen Lustenau 33 Minuten lang stumm, stattdessen hing in der Fankurve ein Banner mit der Aufschrift: "Alle Schuldigen werden bezahlen!"
Der Fanverein zerfleischt sich momentan, das bestreitet auch der Pressesprecher nicht mehr. Schon 2008 zog sich Moritz Grobovschek zurück. Er war 2005 einer der Gründer des neuen Vereins und fürchtet jetzt um sein Werk: "Die Situation ist dramatisch!" Er nahm auch an der Sitzung am vergangenen Wochenende teil und was er hörte, gefiel ihm nicht.
Der neue starke Mann im Vorstand heißt Fredy Scheucher, Geschäftsführer des Hauptsponsors Myphone. Beim Treffen zwischen Fans und Verein kündigte er neue Investoren an. "Er spielt mit der Angst, dem Ungewissen", sagt Grobovschek. Das Letzte, was ein Fanverein will, ist ein zu starker Einfluss von Investoren. Grobovschek sagt: "Dann lieber in die Insolvenz und mit neuen Leuten starten."
Im Sommer hatte sich der langjährige Vorstand Walter Windischbauer aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen. Windischbauer galt nicht unbedingt als Experte des wirtschaftlichen Arbeitens. "Der Profiverein war eine Nummer zu groß", sagt Grobovschek. Die Fans kritisieren auch Windischbauer, er hält angeblich bis heute wichtige Unterlagen zurück.
Nicht nur das fehlende Geld bereitet dem Club Sorgen. Mittlerweile spielt der Verein in seinem so teuer umgebauten Heimstadion in Maxglan, doch für Hochrisikospiele ist es auch nicht geeignet. Denn die große Austria-Fanszene ist nicht nur sehr treu, sie verteidigt ihren Verein gelegentlich auch mit allem, was sie hat. Der Verein plante für die brisanten Derbys gegen Innsbruck und Linz wieder mit dem Stadion in Schwanenstadt vor. Die Liga gab ihr Okay. Doch die Behörden vor Ort hatten schon nach dem ersten Risikospiel gegen Innsbruck im August, das zwar ein Geisterspiel war, dennoch aber viele Anhänger beider Seiten vor das Stadion lockte, keine Lust mehr auf regelmäßige Randale. Sie erhöhten die Sicherheitsauflagen, die Umbaukosten von 100.000 Euro konnte die Austria nicht zahlen. Schwanenstadt fiel als Alternative weg.
Deshalb kämpft der Verein gerade an mehreren Fronten: zum einen ums finanzielle Überleben. Zum anderen muss er der Liga bis Freitag ein Stadion für das Spiel gegen Linz am 24. November und die weiteren Sicherheitsspiele nennen. Sonst droht der Lizenzentzug. Und in der Fanszene brodelt es weiter. "Wir hoffen auf ein reinigendes Gewitter", sagt der Pressesprecher, klingt dabei aber so, als befürchte er einen Tsunami.
Der Aufstieg ging wohl zu schnell
Auch die Liga muss sich Fragen gefallen lassen: Wie konnte sie bei der Lizenzierung die auffälligen Zahlen übersehen? Vieles deutet darauf hin, dass der Aufstieg in den professionellen Fußball für den Fanverein zu schnell ging. Präsentiert Salzburg kein Ausweichstadion, muss die Liga entscheiden: Punktabzug, Strafgelder oder eben der Entzug der Lizenz. Angesichts des drohenden Chaos hofft die Liga aber auf Salzburg: "Es muss alles daran gesetzt werden, dass Salzburg die Saison zu Ende spielt", sagte der Ligavorstand Christian Ebenbauer in einer Talksendung.
Gesucht wird ein Fußballstadion. Infrage käme jedes in Österreich. Auch Burghausen und Mannheim haben ihre Hilfe angeboten, doch das verbietet die Spielordnung. Es deutet sich gerade ohnehin eine andere Lösung an: Wieder soll die SPÖ helfen. Die Stadt Salzburg ist Eigentümer des EM-Stadions und will dafür sorgen, dass die Risikospiele dort gespielt werden. Allerdings stellt sich der Hauptmieter des Stadions noch mit einer Ausrede quer: Wegen der drei zusätzlichen Spiele sei der Rasen einer zu hohen Belastung ausgesetzt. Der Hauptmieter ist Red Bull Salzburg.