Montag, 30. November 2015

Bumm !

Tyson Fury: Der Boxweltmeister, der stets Gott auf den Lippen trägt

Der Brite beendete die Tyrannis von Wladimir Klitschko Es war nur fast zum Fremdschämen, was Tyson Fury kurz nach Samstagmitternacht da im Ring der Düsseldorfer Esprit-Arena aufführte. Immerhin, seiner Frau Paris, die das dritte gemeinsame Kind nach Tochter Venezuela (6) und Sohn Prince (4) erwartet, trieb die schräge, vom heftig transpirierenden Gatten dargebrachte Version des Aerosmith-Haderns "Don't Wanna Miss A Thing" wie gewünscht Tränen in die Augen. Und eingedenk der müden Playback-Vorstellung der Rock-Antiquität Rod Stewart im Vorprogramm schlug sich der 2,06 Meter hohe Boxer im ungewohnten Metier gar nicht schlecht. Der neue Weltmeister im Schwergewicht, der den Ukrainer Wladimir Klitschko nach beinahe zehnjähriger Regentschaft durch einen deutlichen Punktesieg entthront hat, dürfte manches Talent vom Vater haben. John "Gypsy" Fury aus der Volksgruppe der Pavee, fahrender irischer Händler, tingelte schließlich in den 1980er-Jahren von Pub zu Pub und verdiente den Lebensunterhalt für sich und seine Familie in sogenannten Bare-Knuckle-Fights, also mit bloßen Fäusten. Den 25. Profikampf seines 27-jährigen Sohnes konnte er nur mit Genehmigung der Behörden Ihrer Majestät beiwohnen, schließlich verbüßt er eine Haftstrafe wegen schwerer Körperverletzung: Ein Kontrahent bei einer Autoauktion war aus einem Raufhandel mit dem Exprofi einäugig hervorgegangen. Sohn Tyson, natürlich nach dem einstigen Schwergewichtschampion Mike Tyson benannt, kam 1988 drei Monate zu früh zur Welt und wog dem Vernehmen nach nicht ganz ein Kilogramm. Das hat sich gegeben. Klitschko trat in Düsseldorf ein 112 Kilo schwerer Riese entgegen, der als Boxer zwar den meisten seiner weltmeisterlichen Vorgänger nicht das Wasser reichen könnte, aber durch seine schiere Körperlichkeit überzeugt. Der strenggläubige Katholik hat nur drei Geschwister, obwohl seine Mutter 14-mal schwanger war. Homosexualität und Abtreibung sind für Tyson Fury, der wegen ständiger häuslicher Streitigkeiten unter Depressionen litt, ebenso des Teufels wie der Tag des Jüngsten Gerichts sicher und vor allem nahe. Bis dahin will er daheim in Morecambe bei Lancaster, wo er sich in einem Wohnwagen auf den Klitschko-Kampf vorbereitet hatte und für das er gerne im britischen Unterhaus sitzen würde, seinen Erfolg bescheiden genießen: "Alkohol und Partys – das habe ich alles hinter mir. Gott hat mir den Sieg geschenkt." (Sigi Lützow, 29.11.2015) - derstandard.at/2000026637261/Boxweltmeister-der-stets-Gott-auf-den-Lippen-traegt