Angriff auf Leverkusen, Wolfsburg und Co.
Der Antrag richtet sich gegen alle Vereine, die sich aufgrund einer Ausnahmegenehmigung nicht an die sogenannte „50+1“-Regel über die Stimmenmehrheit bei deutschen Proficlubs halten müssen. Das würde vor allem die Werksclubs Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg sowie 1899 Hoffenheim mit Mäzen Dietmar Hopp betreffen. Von 2017 an könnte auch Hannover 96 dazugehören, weil Vereinsboss Martin Kind dann nach 20 Jahren Clubführung mehr als 50 Prozent der Eigentumsanteile am Verein halten darf.
Attacke von „Schweinchen Schlau“
„Der Antrag ist unüberlegt und substanzlos“, sagte 96-Präsident Kind nun der „Bild“-Zeitung (Montag-Ausgabe) zum Vorstoß von St. Pauli. „Wir denken, dass dieser Antrag nicht mehrheitsfähig sein wird. Sollte ihm stattgegeben werden, ist die Zentralvermarktung am Ende, dann würde es eine Einzelvermarktung geben.“ Auch Leverkusen-Geschäftsführer Michael Schade hält den Antrag für nicht durchsetzbar: „Der Antrag hat uns überrascht und ist nach unserem Verständnis nicht zulässig.“
„Alle profitieren von dieser Solidargemeinschaft und der Zentralvermarktung“, sagte Schade. „Wenn Vereine ausgeschlossen werden sollten, was ich nicht annehme, würden möglicherweise auch noch andere Vereine ausscheiden.“ Gemeint ist damit unter anderen der FC Bayern München, der schon länger laut über die für ihn lukrativere Einzelvermarktung nachdenkt. „Ich bin davon enttäuscht und halte das für populistisch. Das ist ein typischer Rettich: Er macht ein bisschen auf Schweinchen Schlau“, kommentierte Bayer-Sportchef Rudi Völler daher den Antrag von St. Paulis Geschäftsführer Andreas Rettig.
„Unzulässig und unbegründet“
Über den wohl chancenlosen St.-Pauli-Antrag soll nun auf der DFL-Mitgliederversammlung am 2. Dezember in Frankfurt beraten werden. Pikant: St.-Pauli-Geschäftsführer Rettig war früher in gleicher Funktion bei der DFL tätig. Die vier Erstligaclubs forderten in einer gemeinsamen Erklärung, die am Freitag von der DFL an die Bundesliga-Vereine geschickt wurde, den Antrag des FC St. Pauli „als unzulässig, hilfsweise als unbegründet einzuordnen“.
Die betroffenen Vereine reagierten insgesamt überrascht. Sie bedauerten den Vorstoß der Hamburger, „da es nicht im Sinne der großen Mehrzahl der deutschen Proficlubs sein kann, dass die Solidargemeinschaft und die Zentralvermarktung aufgegeben wird“, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme vom Montag.
850 Millionen Euro für diese Saison
Eine Abrechnung „der Verteilung der TV-Erlöse rein marktwirtschaftlich, ausschließlich nach Nachfrage orientiert“, würde „erheblich geringere Erlöse für die Vereine der 2. Bundesliga darstellen“. Beide Dokumente liegen dem „Kicker“ vor. Eine Aufkündigung der Zentralvermarktung käme gerade großen Clubs entgegen. Branchenprimus Bayern München könnte mit einer eigenen Vermarktung deutlich höhere Erlöse generieren.
Bisher werden die Übertragungsrechte zentral von der DFL vermarktet. Der laufende Vierjahresvertrag mit einem Gesamtvolumen von 2,5 Milliarden Euro endet 2017. In dieser Saison verteilt die DFL aus der zentralen Vermarktung 850 Millionen Euro, 170 Millionen davon (20 Prozent) gehen an die zweite Liga.
Wolfsburger warnen vor „schädlicher Entwicklung“
Dem VfL Wolfsburg bereitet der provokante Antrag von St. Pauli jedenfalls keine Sorge. „Wir sind der Auffassung, dass dieser Antrag gegen die Satzung verstößt", sagte VfL-Geschäftsführer Wolfgang Hotze der dpa. "Wir würden das für eine schädliche Entwicklung halten.“ Ohnehin halte er den Antrag nicht für mehrheitsfähig. „Für die gesamte Bundesliga wäre dies eine schädliche Entwicklung, die die Grundwerte des Erfolgs des deutschen Profifußballs in Gefahr bringen würde“, warnte VfL-Manager Klaus Allofs.