Montag, 16. November 2015

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IS-Hochburg nach Anschlägen bombardiert

Der Terrorangriff auf Paris könnte auf den direkten Befehl von Abu Bakr al-Bagdadi, den Anführer der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), zurückgehen. Zumindest geht der irakische Geheimdienst davon aus, der entsprechende Informationen aus dem IS abgefangen haben will. Frankreich soll einen Tag vor den Anschlägen von Paris vor der Gefahr bevorstehender Attacken informiert worden sein.
Die Anschlagswarnung war allerdings reichlich unbestimmt. Sie betraf laut der US-Nachrichtenagentur AP, die Einblick in das Geheimdienstmemo nehmen konnte, „Bombenanschläge, Tötungen und Geiselnahmen in den kommenden Tagen“, die sich in allen Mitgliedsstaaten der US-geführten Koalition im Kampf gegen den IS ereignen könnten, möglicherweise aber auch im Iran und in Russland. Seitens des französischen Innenministeriums hieß es, solche Warnungen bekomme man „Tag für Tag, die ganze Zeit“.

Angeblich 24 Beteiligte

Angesichts der eintreffenden Warnungen über bevorstehende Anschläge frage sich der französische Geheimdienstchef an jedem ereignislosen Tag beim Zubettgehen „Warum nicht heute?“, zitierte AP eine anonyme Quelle aus dem französischen Sicherheitsapparat. Auch wurde auf die Unzuverlässigkeit des irakischen Geheimdienstes verwiesen, der etwa schon vermeldete, al-Bagdadi sei bei Angriffen in der IS-Hochburg Rakka zumindest schwer verletzt worden und das später wieder dementierte.
Im Nachhinein wirken die abgefangenen Informationen allerdings glaubhaft: Laut dem irakischen Geheimdienstmemo wurden die Anschläge auch in Rakka vorbereitet. Mindestens 24 Menschen seien daran beteiligt gewesen: 19 Angreifer und fünf andere mit „Planung und Logistik Betraute“. Auch in Frankreich mehren sich die Indizien dafür, dass mehr als die acht getöteten Angreifer an den Anschlägen vom Freitag mit mindestens 129 Toten und rund 350 großteils schwer Verletzten beteiligt waren.

Attentäter den Geheimdiensten „nicht bekannt“

Die Attentäter sollen in Rakka selbst für die Attentate „trainiert“ worden sein, heißt es in dem Memo. In Frankreich wartete demnach eine Schläferzelle auf sie, um mit ihnen gemeinsam die Anschläge durchzuführen. Auch der französische Innenminister Bernard Cazeneuve sagte am Sonntag nach einem Treffen mit seinem belgischen Kollegen Jan Jambon ohne Angabe weiterer Details, die Attentäter seien im Ausland vorbereitet worden und „den französischen Diensten nicht bekannt“ gewesen.
Zu der Darstellung des irakischen Geheimdienstes würden die bisherigen Ermittlungsergebnisse passen, wonach zumindest manche der Attentäter erst vor kurzem nach Europa einreisten und andere bereits den Behörden in Frankreich und Belgien im Zusammenhang mit Islamismus aufgefallen waren. Ein mutmaßlich flüchtiger und gefährlicher Verdächtiger, der 26-jährige Abdeslam Salah, wurde am Sonntag international zur Fahndung ausgeschrieben.

Französischer Luftangriff auf Rakka

Rakka war auch das Ziel groß angelegter Luftschläge des französischen Militärs am Sonntagabend. Bei den „massiven“ Angriffen auf die IS-Hochburg Raqqa hätten zehn französische Kampfflugzeuge insgesamt 20 Bomben abgeworfen, teilte das Verteidigungsministerium in Paris am Sonntagabend mit. Die Ziele seien ein „Terror-Trainingslager“ und ein Camp gewesen, das den Dschihadisten als Kommandozentrale, Rekrutierungszentrum und Waffenlager gedient habe. Beide Ziele seien zerstört worden.
Der IS hatte sich zu den schwersten Anschlägen in der französischen Geschichte bekannt. Frankreichs Staatschef Francois Hollande sprach von einem „Kriegsakt“ einer „terroristischen Armee“. Das Land ist weiterhin im behördlichen Ausnahmezustand, der der Exekutive weitestgehende Befugnisse über das normale Maß hinaus in die Hand gibt. Hollande erwägt dem Vernehmen nach, den Ausnahmezustand auf drei Monate zu verlängern, wofür allerdings die Gesetze geändert werden müssten.

„Großer Anschlag“ auch in Istanbul verhindert?

Die Türkei stützt die These eines koordinierten Terror-Großangriffs. Am Freitag sei auch in Istanbul ein „großer“ Anschlag verhindert worden, teilte ein Regierungsvertreter am Sonntagabend mit. Fünf Verdächtige seien festgenommen worden, darunter auch ein Vertrauter des britischen IS-Kämpfers „Jihadi John“. Es sei auch denkbar, dass die Verdächtigen einen Anschlag in Europa geplant hätten. Man stehe im Kontakt mit der französischen Polizei.
Die Türkei fahndet seit dem Anschlag auf eine Friedensdemonstration in der Hauptstadt Ankara am 10. Oktober mit 102 Toten verstärkt nach Dschihadisten. Der türkischen Regierung war lange Untätigkeit gegenüber den IS-Dschihadisten vorgeworfen worden. Kritiker beschuldigten Ankara unter anderem, die Dschihadisten mit Waffen zu versorgen und nichts zu unternehmen, um IS-Kämpfer am Grenzübertritt zu hindern.

Europäische Schweigeminute zu Mittag

In Europa soll am Montag vor allem der Opfer der Terroranschläge in Paris gedacht werden. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben alle Europäer in einer gemeinsamen Erklärung eingeladen, sich um 12.00 Uhr an einer Schweigeminute zu beteiligen. Das Gute sei stärker als das Böse, heißt es in dem Papier vom Wochenende. Die Staaten betonen darin, es werde alles Notwendige getan, um Extremismus, Terrorismus und Hass zu bekämpfen.
http://orf.at/stories/2310041/2310042/
http://iptv.orf.at/#/stories/2310045/

Hinweise auf Täterkreis verdichten sich

Wie befürchtet, gestaltet sich die Aufklärung der verheerenden Anschlagserie in Paris mit 129 Toten schwierig - auch wenn sich am Sonntag die Hinweise auf Täter zunehmend verdichteten. Die Behörden bestätigten, dass sich ein mutmaßlicher Attentäter auf der Flucht befindet - der 26-jährige Abdeslam Salah wird derzeit mit internationalem Haftbefehl gesucht. Die französische Polizei bezeichnete ihn als „gefährlich“.
Ob es sich um einen der drei Brüder handelt, die in die Terroranschläge involviert gewesen sein sollen, ist nicht bestätigt. Aus Ermittlerkreisen in Paris verlautete am Sonntag, dass einer der drei während der Attentate selbst ums Leben gekommen sei, während sich ein zweiter derzeit in Belgien in Polizeigewahrsam befinde. Beim dritten Bruder sei nicht klar, ob er einer der Selbstmordattentäter war oder auf der Flucht ist.
Fahndungsfoto

Zwei Attentäter stammten aus Brüssel

Offiziell bestätigt ist mittlerweile, dass zwei der ums Leben gekommen Angreifer aus Brüssel stammten, es handle sich um Franzosen. Die beiden Terroristen waren 20 und 31 Jahre alt. Einer stamme aus dem Stadtteil Molenbeek, wo die Festnahmen am Vortag stattgefunden hatten. Ob die anderen Festgenommenen in die Anschläge verwickelt sind, werde zurzeit untersucht, hieß es. Die Brüsseler Bürgermeisterin Francoise Schepmans hatte davor noch gemutmaßt, dass es sich um ein „Netzwerk“ handeln könnte.

Sieben Festnahmen

Auch wurde von der belgischen Staatsanwaltschaft bestätigt, dass bei einer Anti-Terror-Razzia in Brüssel sieben Personen festgenommen sind. Auf die nun bestätigte Verbindung nach Brüssel waren die Ermittler schon am Vortag über einen VW Polo gestoßen - darum hatten die französischen Behörden auch um Amtshilfe aus Belgien gebeten. In dem Wagen gefundene Parkscheine eines Brüsseler Parkhauses brachten die Polizei auf die Spur. Nach wie vor geht man davon aus, dass die Festnahmen in Brüssel in Verbindung mit einem VW-Polo-Kleinwagen stehen, der von den Angreifern bei der Konzerthalle Bataclan benutzt wurde.

Kalaschnikows und leere Magazine

Nach den Festnahmen in Belgien sollte auch ein östlich von Paris entdecktes Auto neue Hinweise geben. Der schwarze Seat Leon sei im Vorort Montreuil aufgetaucht, meldete der französische Sender Europe 1. In dem Wagen seien drei Kalaschnikow-Schnellfeuergewehre gefunden worden.
Die französische Zeitung „Liberation“ berichtete zudem über den Fund von fünf vollen und elf leeren Magazinen im Auto. Das Fahrzeug wird jener Gruppe von Attentätern zugeordnet, die für den Beschuss mehrerer Bars und Restaurants im Zentrum von Paris verantwortlich ist. Der Fund befeuerte bereits die Gerüchte, dass möglicherweise mehrere Täter auf der Flucht sein könnten.

Mietwagen mit belgischem Kennzeichen

Nach jüngsten Angaben spielt mittlerweile ein weiteres Auto, ein Mietwagen mit belgischem Kennzeichen, bei den Ermittlungen eine Rolle. Das Auto wurde nach den Anschlägen in der Nähe des Pariser Friedhofes Pere Lachaise entdeckt. Der Mieter des Wagens soll am Samstagvormittag bei Cambrai in eine Routinekontrolle der Polizei geraten, zunächst aber nicht festgenommen worden sein. Ob er zu den am Abend in Molenbeek gefassten Personen zählt, blieb zunächst unklar.

Insgesamt drei Angreifer identifiziert

Nachdem am Samstag bereits ein erster Attentäter identifiziert worden war, wurde am Sonntag neben Abdeslam Salah ein weiterer Attentäter einer Identität zugeordnet, verlautete aus Ermittlerquellen. Die Identifikation der Angreifer ist schwierig, da diese in fast allen Fällen Sprengstoffgürtel zündeten und ihre Überreste dementsprechend weit verteilt wurden.
Beim ersten Fall am Samstag gelang die Identifikation des getöteten Attentäters anhand eines Fingerabdrucks. Der 1985 im Süden von Paris geborene Mann sei in den vergangenen Jahren achtmal wegen gewöhnlicher Straftaten verurteilt worden und den Behörden wegen seiner Radikalisierung aufgefallen.
Der Vater und der Bruder des 29-Jährigen wurden am Samstagabend in Polizeigewahrsam genommen und verhört, wie aus Ermittlerkreisen verlautete. Insgesamt nahmen die Behörden laut Berichten des französischen Fernsehsenders BFMTV sieben Angehörige des Identifizierten in Polizeigewahrsam.

Drei Tätergruppen an drei Tatorten

Wie der Pariser Staatsanwalt Francois Molins am Samstagabend bekanntgab, waren die Angreifer gut organisiert und gingen sehr professionell vor. „Sehr wahrscheinlich waren es drei Teams von Attentätern, die sich abgesprochen haben“, so Molins. Die erste Gruppe griff laut Molins mit Bomben bewaffnet das Fußballstadion an, die zweite Gruppe nahm die Lokale im Zentrum von Paris unter Beschuss, und ein drittes Team ist für den Angriff in der Konzerthalle Bataclan verantwortlich. Die Angriffe erfolgten zeitlich koordiniert binnen einer Zeitspanne von nur 33 Minuten.

Gefundener syrischer Pass vermutlich gefälscht

Ermittler prüfen außerdem eine Verbindung der Attentäter nach Syrien. Nahe der Leiche eines Selbstmordattentäters sei ein syrischer Pass gefunden worden, sagte Staatsanwalt Molins. Der Pass sei auf einen 25 Jahre alten Syrer ausgestellt, der im Oktober über Griechenland und Serbien in die EU eingereist sei. Ob er, wie auf der Balkan-Route üblich, auch durch Österreich gereist ist, ist ebenfalls nicht klar. „Das sind Mutmaßungen, die im Bereich der Spekulation anzuordnen sind“, so Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck.
Nicht bekannt ist jedoch, ob der Pass echt ist und dem Täter auch gehörte oder ob das Dokument gefälscht wurde oder der Täter eine fremde Identität benutzte. US-Geheimdienstmitarbeiter bezweifeln die Echtheit des Passes, wie der US-Sender CBS News berichtet. Auch die französische Polizei geht von einer Fälschung aus, so der britische Sender Channel 4 News auf Twitter. Ein ebenfalls gefundener ägyptischer Pass stellte sich als Dokument eines Opfers heraus.

Festnahme in Deutschland mit Bezug zu Anschlag?

Deutsche Ermittler prüfen unterdessen einen möglichen Zusammenhang einer bayrischen Festnahme eines Autofahrers mit einem umfassenden Waffenarsenal in verschiedenen Verstecken seines Wagens und den Geschehnissen in Paris. Denn im Navigationssystem des Autos war als Ziel eine Adresse in Paris eingegeben. Der aus Montenegro stammende Mann hatte laut Polizei acht Kalaschnikow-Sturmgewehre, zwei Handgranaten, zwei Pistolen, einen Revolver sowie 200 Gramm TNT-Sprengstoff im Fahrzeug versteckt.
„Es gibt einen Bezug nach Frankreich, aber es steht nicht fest, ob es einen Bezug zu diesem Anschlag gibt“, so der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU). Montenegrinische Regierungsquellen wiesen die Vorwürfe als „bösartige Spekulationen“ zurück.

Österreicher außer Lebensgefahr

Unter den Toten der Pariser Anschläge sind auch mehrere Ausländer. Je ein Todesopfer stammt aus Deutschland, den USA, aus Schweden und aus Großbritannien, wie die jeweiligen Regierungen mitteilten. Zudem stammen jeweils zwei Todesopfer aus Belgien, Rumänien und Mexiko. CNN berichtete zudem über Getötete auch aus Chile und Portugal.
Ein Österreicher erlitt bei dem Terroranschlag auf den Konzertsaal Bataclan eine Schussverletzung. Laut einem Sprecher des Außenministeriums ist der 20-jährige Tiroler außer Lebensgefahr. Derzeit sei er aber noch nicht transportfähig, hieß es in der Nacht auf Sonntag. Sobald es sein Gesundheitszustand zulässt, soll der junge Mann nach Österreich gebracht werden.

Hollande will Ausnahmezustand verlängern

Frankreichs Staatschef Francois Hollande will unterdessen den verhängten Ausnahmezustand auf drei Monate verlängern. Das sagten mehrere Parlamentsvertreter am Sonntag nach einem Treffen mit Hollande im Elysee-Palast. Der Ausnahmezustand kann vom Präsidenten zunächst per Dekret für höchstens zwölf Tage verhängt werden. Eine Verlängerung darüber hinaus muss per Gesetz vom Parlament gebilligt werden.

Fehlalarm am Place de la Republique

In Paris liegen die Nerven offensichtlich blank. Auf dem Pariser Place de la Republique brach am Sonntagabend kurzzeitig Panik aus. Die dort versammelten Menschen verließen den Platz fluchtartig. Nach Angaben der Polizei handelte es sich um einen falschen Alarm. Gerüchte über Schüsse hatten die Panik ausgelöst. Auch bei einer Trauerkundgebung vor einem Restaurant, in dem mehrere Menschen getötet wurden, kam es aus ungeklärten Gründen zu einer Panik.
Die Verkehrsbetriebe forderten die Passagiere der Metro auf, nicht an der Station Republique auszusteigen, da es „Schusssalven“ gebe. Polizisten gingen in Stellung und ein Helikopter überflog das Viertel. Aus Polizeikreisen verlautete später jedoch, ein Böller oder die Explosion eines Heizstrahlers auf der Terrasse eines Cafes habe die Panik ausgelöst.
Zu den Anschlägen bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). „Acht Brüder mit Sprengstoffgürteln und Sturmgewehren“ hätten den Angriff verübt, so der IS im Internet. Augenzeugen berichteten, die Angreifer hätten bei der Erstürmung des Bataclan „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) gerufen. Zudem hätten sie die französischen Luftangriffe auf die IS-Miliz in Syrien verurteilt.
http://orf.at/stories/2310041/2310020/